Turm und Drang

Wiens Volkstheater öffnet den Hundsturm neu

Kulturpolitik. Wiens Volkstheater öffnet den Hundsturm neu

Drucken

Schriftgröße

Aus Fehlern zu lernen ist keine Schande. Als Michael Schottenberg 2005 die Leitung des Volkstheaters übernahm, kündigte er an, als Ergänzung zur großen Bühne auch eine kleine experimentelle Nebenspielstätte neu etablieren zu wollen. Der Hundsturm, bislang vor allem als Proberaum des Stadttheaters genutzt, sollte unter der Leitung der beiden Regisseure Wojtek Klemm und Patrick Wengenroth eine Art Labor werden, ein Ort für ungewöhnliche Formate. Nach wenigen Monaten warfen die beiden ehemaligen Assistenten von Frank Castorf allerdings das Handtuch. Das Projekt Hundsturm war gestorben, noch ehe es richtig begonnen hatte.

Theater im Theater
„Die Anfangsphase war einfach zu turbulent“, reflektiert Schottenberg nun, sieben Jahre später, den missglückten Hundsturm-Start. „Wir wollten ein kleines Stadttheater innerhalb des Stadttheaters schaffen, das hat nicht funktioniert.“ Nun soll ein weiterer Versuch gestartet werden, die durchaus charmante Bühne, die früher ein Veranstaltungsraum und Kino im Margaretener Eisenbahnerheim war, regelmäßig zu bespielen. Von der Stadt Wien wird dafür zwar kein Extrabudget zur Verfügung gestellt, dennoch entspricht das vom Volkstheater entwickelte Konzept genau dem, was im Regierungsabkommen zwischen der SPÖ und den Grünen explizit formuliert wurde: der Förderung von postmigrantischen Positionen in der Kunst.

Als neuer Leiter des Hundsturms wird der Radiojournalist Wolfgang Schlag, Jahrgang 1958, fungieren, der sich mit Projekten wie „Into the City“ im Rahmen der Wiener Festwochen und seiner Street Academy – das sind popkulturelle Workshops für Jugendliche – als Experte für kommunale Arbeit bereits einen Namen gemacht hat. Mit klassischer Hochkultur hat Schlag wenig am Hut. Bevorzugt wirkt er in Bezirken, die gemeinhin nicht als Kulturbastionen gelten. Für die Festwochen etwa schuf er heuer ein „Into the City“-Festivalzentrum auf der Quellenstraße in Wien-Favoriten. Den Hunds­turm begreift Schlag nun als konsequente Weiterführung dieser interdisziplinären, niederschwelligen und partizipato­rischen Kulturarbeit.

"Talente- und Ideenpool"
Es wird im Hundsturm Workshops mit Jugendlichen ab zehn Jahren geben, die langsam ans Theater herangeführt werden sollen. „Mir geht es um das Erforschen sozialer Realitäten, aus denen man künstlerische Projekte entwickeln kann“, erklärt Schlag gegenüber profil. Unter den Künstlern, mit denen regelmäßig gearbeitet werden soll, nennt er ­Otmar Wagner, Jörg Lukas Matthaei und Renald Deppe. Das ­Eröffnungswochenende wird zwischen 24. und 27. Jänner stattfinden (Programm siehe Kasten am Ende). Michael Schottenberg sieht den Hundsturm vor allem als „Talente- und Ideenpool“, von dem längerfristig auch das Haupthaus profitieren soll. „Es geht um gegenseitige Partizipation“, erklärt der Volkstheater-Chef.

Und auch Kulturstadtrat Andreas Mailath-Pokorny zeigt sich zufrieden mit der stärkeren Einbindung von Migranten: „Das Volkstheater ist das erste große Haus in Wien, das sich offensiv diesen Aufgaben stellt und auf Augenhöhe auch den ,neuen’ Wienerinnen und Wienern begegnet.“ In der Projektreihe „Pimp My Integration“, die man in der Garage X veranstaltete, war in Diskussionen deutlich geworden, dass es wenig Sinn macht, ein neues Theater zu gründen, das sich ganz dem Postmigrantischen verschreibt. Eine Öffnung der bestehenden Institutionen diesem Thema gegenüber wäre eher zu wünschen. Wiens Kulturamt kündigt deshalb an, Anfang nächsten Jahres ein Paket an weiteren postmigrantischen Förderprogrammen, die derzeit noch konzipiert werden, vorzustellen.

Aufsperren, total!

Am Eröffnungswochenende (ab 24.1.2013) soll nach einem Konzept des deutschen Performers Jörg Lukas Matthaei der gesamte Hundsturm, inklusive Treppen und Hinterzimmer, zum Akteur werden. Eine begehbare Installation von Judith Nika Pfeifer beschäftigt sich mit dem Thema Träume, und Otmar Wagner verschanzt sich als „Zombie-­Flaneur“ zwei Monate lang im Hundsturm, bricht aber hin und wieder zu Erkundungen auf, von denen er berichten wird. Das Institut für Alltagsforschung wiederum wird einen Wohnwagen als begehbares Archiv ausstellen. Mehr in Richtung Theater soll die Produktion „Der Hundsturm zu Babel“ gehen, in der Renald Deppe mit einem umfangreichen Frauenchor dem Dadaisten Raoul Hausmann gedenken möchte. Was nämlich kaum jemand weiß: Hausmann wurde 1886 in Wien-Margareten geboren.

Infos: www.volkstheater.at

Karin   Cerny

Karin Cerny