Finanzminister verlangte vor der Pleite Auskunft zu Signa-Krediten
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Hat ein Signa-Kollaps das Potenzial, den gesamten heimischen Finanzmarkt ins Wanken zu bringen? Nichts weniger wollte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) Anfang November 2023 vom Gouverneur der Notenbank (OeNB), Robert Holzmann, wissen. Damals machten erste Medienberichte über massive Abwertungen und Verluste bei Signa die Runde. „Im Grunde ging es damals um die Frage, ob es ein eigenes Signa-Bankenrettungspaket braucht, falls etwas passiert“, heißt es aus involvierten Kreisen. profil liegt auch ein Briefwechsel zwischen Finanzministerium und Notenbank dazu vor. Das brisante daran: Brunner ließ sich offenbar wenige Wochen vor der Pleite über aushaftende Signa-Kredite und mögliche, drohende Ausfälle informieren.
„Im Hinblick auf die Bestimmung des § 79 Abs 1 BWG wird um Mitteilung ersucht, ob im Fall einer sich weiter verschärfenden wirtschaftlichen Situation der Signa-Gruppe bis hin zu einer vollständigen Insolvenz mit relevanten Auswirkungen, auf einzelne österreichische Kreditinstitute oder die Finanzmarktstabilität zu rechnen ist“, heißt im Schreiben aus dem Finanzministerium an die OeNB Anfang November 2023. Die Antwort folgt prompt.
Am 8. November 2023 antworteten Gouverneur Holzmann und sein Vize Gottfried Haber, dass „der isolierte Ausfall des Signa-Exposures kein direktes Finanzmarktstabilitätsrisiko darstellt und auch bei individuellen Banken keine relevanten Verletzungen der aufsichtlichen Kapitalerfordernisse zu erwarten sind“. Beide Schreiben liegen profil vor. Die OeNB-Spitze hat ihre grundsätzliche Entwarnung an den Finanzminister damals mit einer nicht unwesentlichen Einschränkung versehen: Ein indirektes systemisches Risiko oder sogenannte Zweitrundeneffekte – das könnte etwa Bauunternehmen betreffen, die wegen der Signa-Ausfälle in Schwierigkeiten geraten, oder andere Immobilienentwickler – könne man nicht ausschließen.
2,2 Milliarden Schulden
Im Brief wird auch beschrieben, wie hoch die Kredite der Signa-Gruppe bei heimischen Banken zum Stichtag 31. Juli 2023 waren: 2,2 Milliarden Euro schuldete Signa damals den österreichischen Finanzinstituten, weitere 300 Millionen Euro an nicht ausgenutztem Finanzrahmen kamen nochmal hinzu. 60 Prozent der Kredite waren besichert. Im Brief steht auch, dass auf Signa damals 0,6 Prozent aller in Österreich vergebenen Kredite an Unternehmen außerhalb des Finanzsektors entfielen. Damit war Signa auch einer der größten heimischen Schuldner. Ein Bankenrettungspaket brauchte es im Fall der Signa nach der Pleite tatsächlich nicht. Die bereits erfolgten oder drohenden Kreditausfälle sind für die Banken schmerzlich, aber kein Drama. Ob die geballte Verwertung der Signa-Immobilien den ohnehin kriselnden Gesamtmarkt weiter unter Druck bringt, wird sich erst zeigen.
Die Signa-Gruppe und ihre Kredite bei heimischen und europäischen Banken waren damals schon seit geraumer Zeit im Visier der Bankenaufsicht. Ab dem Jahr 2021 nahmen die Aufseher der Europäischen Zentralbank und der heimischen Aufsicht den Gewerbeimmobilienmarkt unter die Lupe. Im Zuge dieser Prüfung kristallisierte sich Signa vor allem im deutschsprachigen Raum als Sorgenkind heraus – profil berichtete ausführlich. Es folgten Vor-Ort-Prüfungen und die Empfehlung, einige Banken mögen doch die Risikovorsorge für Signa-Kredite erhöhen.
Signa schon länger im Fokus
Aber nicht nur die Bankenaufsicht interessierte sich für Signa. Wie profil aus internen Kreisen erfuhr, geriet Signa zunehmend ins Visier der Finanzbehörden, und zwar schon ab 2018/2019. „Im Vergleich zu anderen wurde Signa schon überdurchschnittlich oft geprüft (etwa im Zuge von Großbetriebsprüfungen, Anm.).“ Angesichts der komplexen Struktur mit mehr als 1000 Firmen, ist das auch wenig verwunderlich. Tatsächlich seien nicht nur die einzelnen Signa-Firmen immer wieder etwas genauer als andere unter die Lupe genommen worden, sondern auch René Benko und ihm zugerechnete Stiftungen.
Auf profil-Nachfrage bestätigt die OeNB den Briefwechsel mit dem Finanzministerium: „Generell ist das Thema Commercial Real Estate und die damit einhergehenden Risiken für die Weltwirtschaft in herausfordernden Zeiten nicht neu. Die ESRB-Warnung liegt schon lange vor.“ Ob es darüber hinaus einen weiteren Austausch zu Signa und deren Bankkrediten vor der Pleite gab? „Kein Kommentar.“ Aus dem Finanzministerium heißt es auf Nachfrage: "Vor dem Hintergrund der medialen Berichterstattung hat das Bundesministerium für Finanzen im November 2023 die Österreichische Nationalbank um Mitteilung ersucht, ob im Fall einer sich weiter verschärfenden wirtschaftlichen Situation der Signa-Gruppe mit relevanten nachteiligen Auswirkungen auf einzelne österreichische Kreditinstitute oder die Finanzmarktstabilität zu rechnen ist." Um ein Bankenrettungspaket sei es "im Hinblick auf den geltenden Rechtsrahmen zur geordneten Abwicklung von Banken" nicht gegangen.
Die Sorge im Finanzressort vor einer möglichen Signa-Pleite war jedenfalls nicht unbegründet. 21 Tage nach der Antwort aus der OeNB meldete die Signa Holding, die Dachgesellschaft der Gruppe, Insolvenz an. Signa Prime und Signa Development – in ihnen waren die werthaltigsten Signa-Immobilien gebündelt – folgten einen Monat später. Heute ist Signa die größte Firmenpleite in Österreichs Wirtschaftsgeschichte. Die juristische Aufarbeitung der Akte Signa wird viele Jahre dauern.
Marina Delcheva
leitet das Wirtschafts-Ressort. Davor war sie bei der "Wiener Zeitung".
Stefan Melichar
ist Chefreporter bei profil. Der Investigativ- und Wirtschaftsjournalist ist Mitglied beim International Consortium of Investigative Journalists (ICIJ).
Anna Thalhammer
ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.