Investigativ

Was die Camorra mit einer Razzia bei der Kärntner Polizeidirektorin zu tun hat

Die Kärntner Polizeidirektorin Michaela Kohlweiß wird als Beschuldigte wegen Bestechung geführt, es gab eine Razzia. Die fußt auf einem Vornamen, der in einer italienischen Bar gefallen ist. Oder eben auch nicht.

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Die italienische Mafia ist ein großer Fan Österreichs. In profil vorliegenden Abhörprotokollen der N’drangheta und Camorra sprechen die sonst rivalisierenden Bosse davon, dass man sich hierzulande gerne zum ungezwungenen Austausch trifft. Nicht nur wegen der schönen Landschaft, die man auch in Italien schätzt. Sondern auch wegen den – laut Meinung der Italiener – so günstigen Bedingungen für Geldwäsche. Es gibt deswegen immer wieder intensive Kooperationen zwischen den italienischen und den österreichischen Behörden sowie Beschlagnahmungen. Ein jüngster Fall verkommt aber gerade zur Justiz-Posse, in dessen Kreuzfeuer die Kärntner Polizeidirektorin Michaela Kohlweiß geraten ist. Sie wird als Beschuldigte wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch geführt . Und das alles, wegen einem Vornamen, der in einer neapolitanischen Bar gefallen sein soll. Oder eben auch nicht. 

In Italien sind die Finanzbehörden auf zack. Sie kennen alle Tricks der Mafiaclans und jagen sie erbarmungslos. Auch deswegen bewegen sich die Mafiosi mit ihren Firmen seit einiger Zeit zunehmend über die nahe Grenze nach Österreich – hier ist alles ruhiger und gediegener. Vor allem in Tirol und Kärnten gibt es darum immer wieder Ermittlungen die mit N’drangheta und Camorra in Verbindung stehen. In den meisten Fällen drehen sie sich um Scheinfirmen im Glücksspielgeschäft. Und so kam es, dass die italienische Polizei im Februar diesen Jahres Österreichs Behörden um Hilfe bat. Man wollte eine Glücksspielfirma in Klagenfurt in die Luft gehen lassen. Sie soll in Verbindung mit dem Polverino Clan stehen, der der neapolitanischen Camorra angehört. 

Die Staatsanwaltschaft Neapel geht dem Verdacht der kriminellen Vereinigung, sowie der Geldwäsche nach. Außerdem soll es um unerlaubte Glücksspiele und Wetten gegangen sein. Gemeinsam mit der Kärntner Polizei rückte man zwei Mal zu Hausdurchsuchungen zu einer in Klagenfurt angesiedelten Glücksspielfirma aus. Und fand dort: Offenbar nicht das, was man gesucht hatte. 

Fehlende Beweismittel

Das nährte bei den Behörden offenbar den Verdacht, dass die Razzia verraten worden war. Im Zentrum steht die Mitarbeiterin S. des Glücksspielunternehmens, eine Osteuropäerin, die in Klagenfurt auch ein italienisches Modegeschäft betreibt. Laut profil vorliegender europäischer Ermittlungsanordnung hegt die neapolitanische Staatsanwaltschaft den Verdacht, dass sie Bargeld in der Höhe von bis zu 500.000 Euro, sowie Buchhaltungsunterlagen zu dieser Glücksspielfirma vor der Razzia rechtzeitig in Sicherheit gebracht und versteckt haben könnte. Gegen das Unternehmen laufen übrigens bei der Staatsanwaltschaft Graz Ermittlungen wegen diverser Vergehen – mittlerweile wurde ein Insolvenzverfahren eröffnet.

Die Finanzpolizei heftete sich also an die Fersen der jungen Frau und verfolgten sie bis in eine Bar in Neapel, wo man sie am 13. April abhörte – ob das mit Richtmikrofonen, einer Wanze, oder einem Spitzel passierte, ist nicht näher ausgeführt. S. hat dort zwei italienischstämmige ehemalige Eigentümer der besagten Glücksspielfirma getroffen. Frau S. soll sich im Gespräch laut Interpretation der italienischen Finanzpolizei gerühmt haben, eine direkte und vertrauliche Beziehung zum „Capo di Polizia di Klagenfurt“ zu haben – also dem Klagenfurter Polizeichef. An anderer Stelle glauben die italienischen Behörden, den Namen Michaela wahrgenommen zu haben. Und dieser „Capo di Polizia di Klagenfurt“ soll Frau S. jedenfalls geholfen haben, eine Durchsuchung ihrer Wohnung zu verhindern, „wo S. damals wohnte und die mit dem gewöhnlichen Wohnsitz der genannten Landespolizeidirektorin von Klagenfurt übereinstimmte“ – steht da. Außerdem  soll sie „Beweismaterialen in Taschen“ getan haben und habe diese zu ihrer Polizeifreundin bringen wollen, sie dann aber tatsächlich im Auto gelassen haben. Allerdings soll dieser „Capo di Polizia di Klagenfurt“ sich auch bereit erklärt haben, das Geld bei sich zu verstecken. An einer Stelle ist noch wirr die Rede von Geld im Garten und Geld in Mauern. Wie viel Geld in welcher Form das sein sollte, ist unklar. Und: "Dies hätte es ihr ermöglicht, die in ihrem Besitz befindlichen illegalen Erlöse, bestehend aus Bargeld sowie digitale Daten und Papiermaterial (800 kg an Unterlagen, von denen der größte Teil zur Vernichtung auf eine Mülldeponie gebracht worden sei und der wichtigste Teil im Keller gelagert werde) zu verbergen. Sie plane, das Bargeld in ihrer Wohnung, dem von ihr benützten Fitnessstudio und der Wohnung der Polizeipräsidentin aufzuteilen, steht in der Anordnung der WKStA, die den Fall von der Sta Graz übernahm.

Wer ist gemeint?

Wirr ist auch der Ermittlungsakt. Einmal ist die Rede von einem „Capo di Polizia di Klagenfurt“. Plötzlich wird daraus „Capo di Polizia austriaca“ (Österreichischer Polizeichef). Zuerst ist von einem Mann die Rede. Dann von einem Mann/Frau. Und plötzlich von einer Frau. Aus einer Wohnung wird in der Übersetzung im Laufe des Ermittlungsakts ein Haus. Und plötzlich sind sich die Behörden sicher, zu wissen, wer denn dieser ominöse Polizeikomplize nur sein kann: Die Kärntner Polizeipräsidentin Michaela Kohlweiß. Das Gericht in Neapel verlangt eine Hausdurchsuchung, die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), zu der das Verfahren zwischenzeitlich gewandert ist, kommt diesem Verlangen nach. 

Und so kam es, dass am 10. Oktober um 7 Uhr morgens Beamte des Bundesamts für Korruptionsbekämpfung (BAK) bei der Kärntner Polizeidirektorin auf der Matte steht. Ihr erklärt, sie werde nun als Beschuldigte geführt. Es ginge um Bestechlichkeit und Amtsmissbrauch. Man kassierte ihr Handy und befragte sie nach der angeblichen Mafia-Angehörigen S. 

Kohlweiß gab zu Protokoll, sie habe noch nie in ihrem Leben von dieser Frau gehört. Und nein, sie würde auch nicht bei ihr wohnen, oder bei ihr gewohnt haben, wie die Behörden annehmen. 

Kurz darauf wird die Osteuropäerin einvernommen. Das Protokoll liegt profil vor. Auch sie sagt: „Befragt zu Frau Dr. Michaela Kohlweiß gebe ich an, dass die (sic!) sie nicht kenne. Ich habe noch nie von ihr gehört. Mir wurde ein Lichtbild von einer Person gezeigt die als Frau Kohlweiß bezeichnet wurde. Ich kenne diese Frau nicht.“

Weiters steht im Protokoll: „Wenn mir vorgehalten wird, dass es laut den italienischen Behörden abgehörte Gespräche geben soll, bei denen ich behauptet hätte, ich hätte eine Freundin, die die Polizeichefin von Klagenfurt ist, gebe ich an, dass das nicht stimmt. Das ist etwas, was lediglich von der Guardia die Finanza interpretiert wurde.“

Der wahre Freund

Dafür nennt die Frau einen Namen. Der Mann ist tatsächlich ein „Capo di Polizia di Klagenfurt“. Tatsächlich war die Frau auch eine Zeit lang in seiner Wohnung gemeldet. Nämlich, in jener Zeit, als ihr eigenes Zuhause fertigrenoviert wurde wie sie behauptet. Sie habe das getan, um ihrer Meldeverpflichtung nachzukommen. Das Melderegister ist für jedermann zugänglich, diese Recherche hätte man in einigen Minuten machen können – die Justiz hat es unterlassen, dafür aber beschlossen aufgrund eines Vornamens, der vielleicht nie gefallen ist, sondern falsch verstanden wurde, bei der Polizeidirektorin in Klagenfurt einzufallen. 

„Wenn ich gefragt werde, wen ich mit ,Polizeichefin' (Anm.: im Italienischen gilt der Begriff Capo für Mann und Frau) bei dem Gespräch gemeint habe, gebe ich an, dass ich den Polizeichef gemeint habe. Also den Chef der Dienststelle.“ Dann nennt die Frau einmal mehr den Namen des Polizisten. „Wenn ich gefragt werde, ob ein solches Gespräch wie in der Ermittlungsanordnung in Neapel stattgefunden hat, gebe ich an, dass ich Herr B. und und C. (Anm. Namen abgekürzt) getroffen habe und wir haben geredet. Aber in diesem Gespräch ist es sicher nicht um eine Michaela oder einen Michael gegangen.“

Man könnte meinen, damit sei das Missverständnis aufgeklärt und man würde aufhören, die Daten der Polizeidirektorin ihres Handys auszuwerten, und es ihr zurückgeben. Man würde meinen, der Beschuldigtenstatus, der ihr Amt schwer beschädigt, würde dann fallengelassen. Mitnichten. 

In der Wohnung des „Capo di Polizia di Klagenfurt“ wurde eine Hausdurchsuchung gemacht. Es wurden 50.000 Euro in Bar gefunden. Anders als Kohlweiß wird der Mann aber nur als Zeuge geführt. S. gibt an, ihn schon zehn Jahre lang zu kennen. Und ihn nach der Hausdurchsuchung in der Glücksspielfirma auch angerufen zu haben, weil „ich fürchtete, dass auch eine Hausdurchsuchung an meinem Wohnsitz durchgeführt wird“. Also in seiner Wohnung. 

Der Anwalt hält dagegen

"Ich halte das, was hier passiert ist, für mehr als bedenklich. Wenn auf einem Überwachungsprotokoll aus einer Bar in Neapel angeblich ein Name fällt, und dies solch eine Kettenreaktion hervorruft.", sagt Kohlweiß-Anwalt Gernot Murko.

"Die jüngst im Haus der Kärntner Polizeidirektorin Michaela Kohlweiß durchgeführte Hausdurchsuchung samt Sicherstellung des Mobiltelefons und des Laptops sowie die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens entbehren jeglicher Grundlage. Als Basis für das massive Einschreiten der Behörde dient ein offensichtlich unvollständiges und möglicherweise fehlerhaft übersetztes Überwachungsprotokoll eines Gesprächs, das in einem Cafe in Neapel in Süditalien geführt wurde“, sagt Murko.

Im abgehörten Gespräch soll der Name seiner Klientin zwar von einer ihr völlig unbekannten Person genannt worden sein, jedoch anstatt Frau Kohlweiß damit zu konfrontieren und ihr die Möglichkeit zur Aufklärung zu geben, sei sogleich eine Hausdurchsuchung angeordnet worden, so der Rechtsanwalt. „Das ist völlig unverhältnismäßig. Es stellt sich nun die Frage, ob künftig jede Österreicherin und jeder Österreicher nach einer haltlosen Anschuldigung mit einer Hausdurchsuchung rechnen muss und das Handy und der Laptop abgenommen werden kann“, sagte Murko.

„Von den Vorwürfen gegen Frau Kohlweiß wird am Ende nichts übrigbleiben“, erklärt er gegenüber profil abschließend.

Anna  Thalhammer

Anna Thalhammer

ist seit März 2023 Chefredakteurin des profil. Davor war sie Chefreporterin bei der Tageszeitung „Die Presse“.