Beatsteaks: "Hoffnung ist in dieser Zeit das allerwichtigste"

Wir haben uns mit Sänger Arnim Teutoburg-Weiß und Bassist Torsten Scholz getroffen um mit ihnen über das Album, Terror und Musik die Hoffnung macht zu sprechen.

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INTERVIEW: LAURA SCHRETTL

profil: Verschiedene Einflüsse in Beatsteaks-Alben sind ja nichts Neues. Beim achten Album sind nun so viele verschiedene Ideen und Genres wie noch nie drin. Wie kam es dazu? Arnim Teutoburg-Weiß: Es war jetzt einfach mal Zeit, dass wir uns nicht wieder für 30 Minuten und elf Lieder festlegen. Wir hatten Bock auf viele Songs, vielleicht mal andere Produzenten, vielleicht auch mal selber machen. Den Proberaum und das Studio mal durchlüften, den Spaß zum Platten machen neu erkennen. Bei der achten Platte lässt man sich etwas Frisches einfallen oder man fängt an, sich so langsam zu wiederholen und da haben wir nicht so Bock drauf.

profil: Jetzt gibt es die Beatsteaks schon über 20 Jahre. Ist es da nicht auch schwierig, sich immer wieder neu zu erfinden? Teutoburg-Weiß: Da muss man sich was einfallen lassen, das ist ein bisschen wie bei einer Ehe – ein bisschen Tricksen, mal wieder zusammen ausgehen. Torsten Scholz: Das hat sich einfach so ergeben. Ich glaube, das war jetzt nicht so, dass wir vor eineinhalb Jahren da standen: „Ok, also, das Album wird jetzt ganz lang, wird total bunt“. Sondern, das war wie immer, Demos wurden vorgespielt und dann wurde einfach konsequent für eine bestimmte Idee ein Produzent überlegt. Wenn die Idee eher clubmäßig war, dann wurde da jemand geholt, der schon mal mit Hip-Hop/Clubproduktion was zu tun hatte. Wenn das eher eine roughe Geschichte war, na dann hat man das mit Moses gemacht, dann wurde der Song live aufgenommen. Bei 21 Dingern, die alle konsequent in eine Richtung getrieben werden, da musst du dich schon echt glatt anstellen, damit es am Ende nicht total heterogen wird.

profil: In den letzten eineinhalb Jahren an denen Sie an dem Album gearbeitet haben, sind einige schreckliche Dinge passiert – in ganz Europa, auch in Deutschland. Hat das Ihre Songs beeinflusst? Teutoburg-Weiß: Ja, hat es auf jeden Fall. Nicht, dass wir darüber jetzt pausenlos texten. Aber wir wissen ja alle wie das letzte, ziemlich beschissene Jahr aussah, politisch - Zeitenwendenjahr, Prince, David Bowie, Rechtsruck, Terror und Fucking Donald Trump. Really? Ok. New World. Genau in der Zeit sitzt man den ganzen Tag in seinem Proberaum und versucht Unterhaltung zu machen. Nun sind wir ja auch keine 22 mehr. Mit 22 kuckste noch nicht auf die Welt, da machste einfach nur dein Ding. Jetzt haben wir alle Kinder und natürlich hat das Spuren hinterlassen.

Wenn man das richtig gut macht, kann man in irgendeiner Art und Weise seinen Teil dazu beitragen, dass die Welt dann doch nicht nur aus Scheiße besteht.

profil: Es gibt aber auch positive und fröhliche Songs auf dem Album. Ist das etwas, das man gerade in so einer Zeit braucht? Musik die Hoffnung macht? Teutoburg-Weiß: Unbedingt. Hoffnung ist ja das aller Wichtigste. Wenn wieder etwas Blödes passiert ist im letzten Jahr und wir saßen da, dann kannste nach Hause gehen und sagen „Mach ma morgen“ oder „Ach komm, wie wäre es denn hier mit.“ Und genau da beginnt Hoffnung. Also das ist ganz wichtig. Ich kann den Leuten jetzt nichts vorheulen am Mikrofon. Ich kann etwas teilen, ein Gefühl teilen, ich kann meine Meinung äußern und ich bin immer noch ein Zirkuskind. Ich möchte sie als aller Erstes zum Lachen bringen, oder zum Tanzen. Scholz: Das ist ja nun mal unser Job, in dieser Band zu spielen, klar sind wahnsinnig schlimme Sachen passiert. Aber das ist das Einzige was wir machen können und dann versucht man das hald so gut wie möglich zu machen und wenn man das richtig gut macht, kann man ja in irgendeiner Art und Weise seinen Teil dazu beitragen, dass die Welt – auch wenn es jetzt etwas hippiemäßig klingt – dann doch nicht nur aus Scheiße besteht.

profil:Beim Lied „I Do“ geht’s ja ums Heiraten. Jetzt wurde in Deutschland für die Ehe für alle gestimmt. In Österreich hat man dagegen gestimmt. Teutoburg-Weiß: Also man freut sich ja selten über die Nachrichten, aber da hab ich mich so gefreut und dann hat Scholz das auf unserer Facebookseite gepostet. Wir haben nicht an diesen Zusammenhang gedacht aber ich find das sehr schön, dass wir damit in Verbindung kommen. Weil wir hätten auch mit „Ja“ gestimmt. Aber das war einfach ein Zufall. Das Lied gabs ja schon viel länger. Scholz: Ganz ehrlich. Vielleicht steh ich jetzt wie der letzte Idiot da, aber ich wusste nicht mal, dass da drüber noch diskutiert wird. Also absurderweise redet man darüber, klarerweise machen wir das. Aber Hä? Wie? Wo sind wir denn, dass es in unserem Land Leute gibt die was zu sagen und die sagen, ich bin da dagegen, das ist eh schwierig. Aber kurz mal den Zeitgeist getroffen, da kann man sich dann doch kurz mal drüber freuen. Jetzt müsst ihr das in Österreich noch auf die Kette kriegen und gut ist.

profil: Sie waren ja schon öfters in Wien, haben schon öfters in der Arena gespielt, waren heuer am Rock in Vienna. Wie gefällt Ihnen denn Wien? Teutoburg-W eiß: Oh, ich liebe Wien. Wien ist neben Berlin meine absolute Lieblingsstadt in Europa. Keine Schleimerei, das stimmt wirklich. Wir kommen schon ganz lange her. Unsere ersten Konzerte haben wir in diesem kleinen Backstage in der Arena gespielt, als Vorband für amerikanische Punkrock Bands. Und wir kommen so gerne in die Stadt und wir lieben es total. Wien ist ein ganz spezieller Ort für uns. Wir haben hier einen Song aufgenommen – Ticket und riesen Abende schon gehabt. Scholz: Thomas hat sogar mal Erdloch geraucht in Wien, was wir hier schon alles geraucht haben. Unser Soundman Tom hat mal die Bierolympiade gewonnen auf der Bühne von der Arena. Alles schon erlebt. Teutoburg-Weiß: Dieses T-Shirt wurde mir in Wien geschenkt.

profil: Rock am Ring wurde ja heuer wegen einer Terrorwarnung unterbrochen. Sie haben danach gespielt. Teutoburg-WeißJa, wir waren bei Rock im Park und sind von der Bühne und dann kam unser Tourmanager und meinte „Es gibt einen Terrorwarnung, wir müssen jetzt erstmal hier bleiben. Rock am Ring ist unterbrochen“.

profil: Geht man da mit einem komischen Gefühl auf die Bühne? Teutoburg-Weiß: Ne, ne. Da ist dann Aus. Ne, aber im Vorfeld. Ich bin noch nie zu einem Festival gefahren und hab überlegt ob ich jetzt meine Familie nochmal anrufe oder ob ich sie damit eher verrückt mache, weil die machen sich ja Sorgen. Dazu kam dann auch, dass wir ziemlich nervös waren, weil wir schon lange nicht mehr auf so großen Bühnen gespielt haben.

profil: Also ist man doch noch nervös, nach 20 Jahren? Scholz: Ja Hallo, diese großen Dinger wie Rock am Ring und Rock im Park passieren uns alle zwei Jahre mal. Das ist ja überhaupt nicht Normalität für die Beatsteaks. Für die Beatsteaks ist Normalität, dass man ein Konzert in einem Club vor 300, 3.000 oder mal 13.000 Leuten spielt. Aber 80.000-90.000 Leute, ich weiß nicht, da gibt’s bestimmt ein paar Bands – drei oder vier – auf der Welt für die das normal ist. Alle anderen erzählen Scheiße wenn sie sagen, dass das normaler Kram ist. Das ist immer aufregend und groß. Bei Rock im Park von der Bühne zu gehen und das von der Terrorwarnung zu hören, das war komisch, aber dann am nächsten Tag bei Rock am Ring zu stehen und zu wissen, dass wir jetzt gleich spielen, da ging es eigentlich nur noch um die Aufregung, die immer da ist. Ich hab da mit keiner Sekunde dran gedacht, dass da vielleicht etwas wegen dem Terror sein kann. Da war dann eh alles save, da musste man sich keine Sorgen mehr machen. Aber die Aufregung ist schon doll.

profil: Die ganzen deutschen Pop-Schmusesänger die derzeit so gehyped werden wie Philip Poisel oder Max Giesinger... Teutoburg-Weiß: Da sind wir eher für Jim Panzko.

profil: Darauf wollte ich hinaus. Jan Böhermann kritisiert mit seinem Lied ja, dass diese Künstler ihre Songs nicht selber schreiben. Was sagen Sie dazu? Scholz: Also es gibt Bands wie Freiwild, die kategorisiert alles ganz schlimme, nationalistische, rechte Scheiße, das find ich nicht gut. Die Musik, die du gerade nennst, das ist das einfach Geschmacksache. Wenn einem das gefällt, dann soll einem das gefallen. Mir gefällt es nicht und damit ist das Ding für mich eigentlich durch. Weil ich spiele auch die ein oder andere Bassnote auf dem Album, die mir irgendjemand gesagt hat. Also ich find das jetzt nicht schlimm wenn man einen Song singt der nicht von einem selbst geschrieben wird wenn man das toll macht und wenn mir das gefällt ist mir das Latte. Mir gefällts nur nicht.

profil: Die Menschen die beim Konzert sind wissen aber oft nicht, dass die Künstler ihre Songs nicht selber schreiben. Scholz: Aber ist das wichtig? Elvis Presley hat noch nie einen Song selbst geschrieben. Kommt immer drauf an. Wenn das Mädl in dem Moment glücklich ist wegen Tim Benzko oder Max Giesinger oder wie die ganzen Lümmel da heißen, dann hat er doch seinen Job richtig gemacht. Weil die zwei Stunden da ist und nicht an ihre Klausur morgen denkt. Die könnten hier und da vielleicht ein paar geilere Sachen sagen und ihre breite Wirksamkeit nutzen. Aber ansonsten würd ich denen jetzt nur einen schlechten Musikgeschmack vorwerfen, weil sie sich die schlechten Songs von den Schreiberlingen raussuchen. Die könnten ja mal sagen „He schreib doch mal ein geiles Ding“. Ich rede mich da immer ein bisschen in Rage. Ich wollte da jetzt niemanden haten, außer Freiwild die kann man haten, aber ansonsten.

profil: Gibt’s nach über 20 Jahren mal, dass man sagt, jetzt reicht’s dann mal. Teutoburg-Weiß: Das kommt immer mal, wenn die Batterien leer sind. Aber Ne, ich denk wir haben alle Bock auf Tour. Die erste Hälfte ist gemacht. Platte ist fertig. Jetzt nächste Runde. Schol: Jetzt machen wir ja noch das warum wir die Platte machen, also so für mich ist das immer Konzerte spielen. Irgendwann nicht mehr Angst haben, weil wir in 14 Tagen losfahren und zu denken ich probe jetzt nicht, ich fahr jetzt in den Garten und stutze meine Hecke. Ich probe nicht mehr, weil ich bin drin. Das will ich noch genießen. Dann nach zwei, drei Jahren kommt sicher der Moment wo man sich denkt: So jetzt sehen wir uns in drei Monaten. Oder in drei Wochen. Oder morgen.