Clara Luzia
Neue Lieder für aufwühlende Zeiten

Clara Luzia: "Das Publikum hat mich in meiner Selbsttherapie eher gestört"

Singer-Songwriterin Clara Luzia über ihr neues Album „When I Take Your Hand“.

Drucken

Schriftgröße

profil: „When I Take Your Hand“ ist Ihr siebtes Studioalbum. Besteht Routinegefahr? Clara Luzia: Geplant war das neue Album ja nicht. Ich hatte keine Lieder, keine Ideen und kein Bedürfnis. Das Problem ist nur: Ohne Album bekommt man keine Konzerte. Wir haben bei der Tourplanung ja ein wenig geschwindelt und behauptet, dass ein Album in Arbeit wäre. Wir hatten also eine Albumrelease-Tour, aber kein Album. Ich habe dann schnell noch ein paar Songs geschrieben.

profil: Angeblich ist das Albumformat ja tot. Luzia: Denkt man an aktuelle Hörgewohnheiten, würde ich das unterschreiben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass auf Streamingplattformen viele Alben von Anfang bis Ende gehört werden. Die Musikinfrastruktur arbeitet aber noch immer nach dem klassischen Muster. Ich bekomme für eine Single ja auch keine Interviews.

profil: Ist Ihnen das Konzert heute wichtiger als die Arbeit im Studio? Luzia: Früher habe ich nicht gerne live gespielt. Es gehörte halt dazu. Das Publikum hat mich in meiner Selbsttherapie eher gestört. Ich habe sehr viel Energie drauf verwendet, mir die Menschen wegzudenken. Das ist natürlich völlig absurd. Heute stört mich eher das ganze Drumherum – die versifften Backstageräume, das Herumschleppen von Zeug. Man würde das Tourleben nicht aushalten, wenn man es nicht romantisieren würde.

Ich fühle mich vom Weltgeschehen schwer überfordert, so schleicht sich ein wenig Resignation schnell ein.

profil: Ihr letztes Album „Here’s To Nemesis“ war ein wütendes, sehr politisches Manifest, in dem Sie aktiv gegen politisch finstere Zeiten angesungen haben. Findet jetzt die Nabelschau statt? Luzia: Ein Rückzug sollte das neue Album nicht sein – obwohl es das jetzt irgendwie geworden ist. Ich fühle mich vom Weltgeschehen schwer überfordert, so schleicht sich ein wenig Resignation schnell ein. Aus Selbstschutz konzentriert man sich dann auf die schöneren Seiten des Lebens. Auf die Couch habe ich das neue Album aber noch nicht gelegt, dafür bin ich noch zu nahe dran.

profil: Öffnen Sie sich beim Songwriting heute mehr? Luzia: Die neuen Lieder sind alle in Zusammenarbeit entstanden. Mein britischer Produzent Julian Simmons hatte den passenden Gitarrenriff, einen bestimmten Sound, die Grundstimmung im Kopf. Ich habe dann den Song darum geschrieben. Grundsätzlich habe ich ein Problem, wenn jemand direkt in meinen kreativen Prozess eingreift. Diesmal war alles sehr harmonisch. Die Chemie muss schon stimmen.

profil: Hat sich Ihr Songwriting verändert? Luzia: Früher war das Songschreiben wie Therapie. Ich habe stets versucht, mich mir selbst zu erklären. Das Außen war mir dabei egal. Heute sehe ich, dass da noch andere Menschen sind. Ich versuche eine Verbindung zu meiner Umwelt herzustellen und sage: lasst uns doch kommunizieren!

profil: Am Stadttheater Klagenfurt haben Sie Texte der Kärntner Dichterin Christine Lavant vertont. Hat Sie das geprägt? Luzia: Absolut. Das war der Wendepunkt weg von der Selbsttherapie hin zum Publikum. Ich habe nur für das Stück geschrieben und nicht mehr nur für mich.

Clara Luzia

profil: Seit letztem Jahr spielen Sie unter anderem mit Manuel Rubey, Gunkl und Cathi Priemer-Humpel bei der Wiener Allstar-Band Familie Lässig. Sehnt sich die Solokünstlerin nach der zweiten Reihe? Luzia: Ich hätte nie gedacht, dass ich einmal freiwillig in einer Coverband spielen würde. Diese Konzerte genieße ich aber sehr – das ist wie Urlaub. Ich kann hinten stehen und bin nicht als Frontfrau für den Abend verantwortlich.

profil: Haben Sie je ans Aufhören gedacht? Luzia: Ich habe nie etwas anderes gemacht. Nach „Here’s To Nemesis“ habe ich immer wieder mit dem Gedanken kokettiert, Schluss mit der Musik zu machen. So einfach ist das aber nicht. Plötzlich steht wieder ein neuer Song vor der Tür, der auch vorgetragen werden will.

profil: Das klingt nach Katerstimmung. Luzia: Eher nach einer kleinen Midlife-Crisis. Man wird ja nicht jünger. Ich wollte nicht den Punkt verpassen, an dem es besser gewesen wäre, aufzuhören. Blöderweise kann man das wohl immer erst im Nachhinein feststellen.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.