Deichkind: „Jeder soll sich seinen Scheiß selber denken“

Deichkind: „Jeder soll sich seinen Scheiß selber denken“

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profil: Spätestens mit Ihrem letzten Album „Befehl von ganz unten“ (2012), haben Sie die alternative Szene endgültig hinter sich gelassen. Soll das neue Album „Niveau Weshalb Warum“ endgültig den Weg in den Pop-Mainstream ebnen? Sebastian Dürre: Natürlich haben wir uns gewundert, dass das letzte Album so breiten Anklang gefunden hat. Aber warum soll ich mir jetzt den Kopf darüber zerbrechen? Wenn wir irgendwann wieder nur für Spezialisten spielen, soll mir das auch Recht sein.

profil: Ihre Musik würden Sie nicht dem Diktat einer breiteren Masse anpassen? Dürre: Wir sind ja keine Sellout-Band. Wir sind Musiker und haben das Glück, dass der Kram, den wir machen, ganz gut ankommt. Strategisch ausgerichtet ist Deichkind aber nicht; wir machen definitiv ein Handwerk und kein Produkt.

profil: Ihrem Publikum reden Sie nicht nach dem Mund? Dürre: Das ist kein Kalkül, vielleicht eher ein gewisser Instinkt für bestimmte Themen. Wir sind Deichkind, eine HipHop-Band, die in den letzten Jahren unglaublich groß geworden ist, weil diese Art von Humor und Themen eine ganze Generation getroffen hat. Aber ich mach mir da auch keine Illusionen. Der Hype wird vergehen, Deichkind wird vergehen – aber mir ist das egal, ich lebe im Hier und Jetzt.

Wie eine Mischung aus Gwar und Andrew Lloyd Webber

profil: Deichkind ist bekannt für opulente Live-Shows, die orgiastischen Happenings gleichen. Steht mittlerweile die Show im Vordergrund? Dürre: Die Show ist die Show, ganz einfach. Als Musiker bekomme ich davon eher wenig mit, da ich mich voll und ganz auf das Publikum konzentriere. Wir stecken ja auch einen Gutteil unseres Bandkapitals wieder in die Inszenierung. Aber um ein Bild dafür zu bekommen: Live ist Deichkind wie eine Mischung aus Gwar und Andrew Lloyd Webber.

profil: Wie sinnvoll ist es für Deichkind noch, alle paar Jahre ein Album zu veröffentlichen? Würde es nicht reichen, hin und wieder einen Song übers Internet zu verbreiten? Dürre: Das haben wir uns auch schon überlegt, vor allem, da wir jetzt unsere eigene Plattenfirma haben und auch frei entscheiden können, in welcher Form wir unsere Musik veröffentlichen. Auf der anderen Seite haben wir auch genug Output, um ein ganzes Album zu füllen. Ich geben Ihnen aber Recht: das Albumformat ist wirklich ein Dinosaurier.

profil: Mit Ihrem Song „Illegale Fans“ haben Sie bereits auf ihrem letzten Album die allgemeine Download-Praxis auf sehr Deichkindische Art angesprochen. Finanziell müssen Sie sich aber keine Sorgen mache, oder? Dürre: Unsere Hit-Single „Remmidemmi“ ist der wahrscheinlich meist kopierte Song der jüngeren Musikgeschichte. Wir haben uns also schon sehr früh damit abgefunden, dass wir uns nicht auf den Plattenverkauf, sondern auf das Livegeschäft konzentrieren müssen. „Illegale Fans“ ist auch keine Kritik, sondern beschreibt einfach eine Situation; ein Gutteil der Menschen ist nicht gewillt, für Kunst zu bezahlen.

profil: In dem neuen Song „Like mich am Arsch“ singen Sie über Menschen, die lieber online kommentieren, als selber auf die Straße zu gehen. Auf der anderen Seite lebt auch Ihre Band vom schnellen Facebook-Klick. Dürre: Auch das ist nur eine Beobachtung. Ich sehe ja, dass die Menschen keine Bäume mehr ansehen, sondern nur noch auf ihre Tablets oder Telefone starren. Wir sind Fachmänner für Bestandsaufnahmen und Realitätschecks. Wir drängen aber niemandem unsere Meinung auf. Wahrscheinlich ist das der Grund, der uns so eine große Schnittmenge an Zuhörern beschert. Im Grunde gilt: Jeder soll sich seinen Scheiß selber denken.

profil: Ist es so einfach: Kluge Köpfe machen prollige Musik? Dürre: Sagen wir es so: Bei Deichkind sind alle willkommen. Vom Manager im Nadelstreif bis zum dicken HipHop-Proll. Wir drücken niemandem einen Stempel auf. Es ist aber nicht so, dass wir uns nicht klar positionieren wollen. Der Interpretationsspielraum bei Deichkind ist einfach extrem groß. Und außerdem stiften wir auch gerne Verwirrung.

Qualität nein, Niveau ja

profil: Mit einem Song des neuen Albums verlassen Sie dann doch ein wenig die Komfortzone. „Porzellan und Elefanten“ könnte wahrscheinlich auch bei einer Schlagerband funktionieren. Dürre: Das ist ja auch so gewollt. Eine Interviewerin meinte sogar, was wir uns bloß dabei gedacht hätten, so einen Song überhaupt aufzunehmen. Aber ich finde es toll, wie hier große Gefühle einfach hingeklatscht und breitgetreten werden. Ein wohliges Unbehagen muss man bei „Porzellan und Elefant“ schon spüren, sonst hätten wir definitiv unser Ziel verfehlt.

profil: Ein ständiges Spiel mit den Fans: Wie weit kann ich als Band gehen? Dürre: Wohl eher: Wie weit schaffen wir es, als Band zu gehen. Die Nummer „Niveau Weshalb Warum“ wollten wir besonders dumm machen. Aber es ist gar nicht so einfach, eine dumme Nummer zu machen. Meiner Meinung nach sind wir daran gescheitert.

profil: Bereits der Titel des neuen Albums „Niveau Weshalb Warum“ wirft die Frage auf: Qualität ja, Niveau nein? Dürre: Man kann es auch umdrehen: Qualität nein, Niveau ja. Das kann jeder Hörer für sich entscheiden.

Deichkind: Niveau Weshalb Warum
Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.