Altruist im Kampf gegen die herabstürzenden Massen: Szene aus James Gunns "Superman"

Der gute Mensch von Krypton: „Superman“ fliegt auf Heiterkeit und Herzensgüte

James Gunn setzt dem dunklen Pathos des modernen Superheldenkinos eine klassizistische „Superman“-Version entgegen und stellt die Frage: Lässt sich die Welt mit Freundlichkeit retten?

Drucken

Schriftgröße

Punk-Rock ist nicht die allererste Assoziation, die einem zu Superman in den Sinn kommt. Und doch spielt genau dieses Bild im jüngsten kreativen Reset der 1938 erstmals aufgetauchten Comic-Figur, einst geschaffen von Jerry Siegel und Joe Shuster, eine Schlüsselrolle in der archetypischen Geschichte des außerirdischen Wunderwesens, das vom Himmel in die Welt der Menschen fiel – beschenkt mit den Stärken eines nahezu unzerstörbaren Halbgottes, bereit, den Schwachen beizustehen und sich den Ruchlosen entschlossen in den Weg zu stellen.
Das durchaus pathetische Gerüst dieser Gestalt erweist sich nun seit beinahe 90 Jahren als überaus konjunkturresistent – weil Superman sich trotz seiner Omnipotenz stets eine gebirgsbachreine Seele bewahrt hat; als altruistischer Botschafter der Hoffnung und Herzlichkeit, für den Güte und Freundlichkeit tatsächlich vor allem eines sind: Punk-Rock. Hierin liegt die Kernidee des filmischen Reboots von James Gunn, das sich als gezielte Gegenreformation zu Zack Snyders finster-fatalistischen Gloom-&-Doom-Epen des vergangenen Jahrzehnts deuten lässt. Der Mann aus Stahl, der eigentlich Kal-El heißt, in seinem Privatleben aber als Clark Kent bekannt ist, darf also endlich wieder als der strahlende Übermensch von nebenan agieren – mit emblematischem S auf der Brust und angemessen kantigem Kinn wird er von David Corenswet couragiert interpretiert.

Obwohl Regisseur, Autor und Co-Produzent James Gunn es klugerweise vermeidet, sich zu lange mit der dutzendfach durcherzählten Herkunftsstory aufzuhalten, muss auch er zunächst einen eher pflichtschuldigen Slalom durch das ikonische Inventar der Saga absolvieren: Lois Lane (Rachel Brosnahan vitalisiert eine leider flach geschriebene Figur), Kansas und Kryptonit, die Festung der Einsamkeit im ewigen Eis, leibliche und irdische Eltern. Erst dann kann er zur Kernfrage seiner Version gelangen: Wie lässt sich das Übermaß an Humanismus dieser Ur-Superheldenfigur noch aufrechterhalten in einer Welt, in der Angst, Wut und Resignation allgegenwärtig geworden sind? In einer Welt, in der niederträchtige, milliardenschwere Technokraten wie Lex Luthor (feiner Soziopath: Nicholas Hoult) gezielt Echokammern zur Zersetzung öffentlicher Meinungen instrumentalisieren, um daraus politisches und finanzielles Kapital zu schlagen? Die Erhaltung von Gutmütigkeit und Gerechtigkeit scheint im 21. Jahrhundert selbst für Übermenschen zur Mammutaufgabe geworden zu sein.

46-216594021

„Superman“ kommt zweifellos zugute, dass seine Titelfigur sich seit jeher als erstaunlich anschlussfähig an Gegenwartsdiskurse erweist – auch hier sind die Parallelen zu aktuellen politischen Entwicklungen und realen Playern mit Händen zu greifen. Insofern ist es betrüblich, dass die tonalen Bestandteile dieses Werks nicht durchgängig zueinanderfinden wollen. Mit der popironischen Handschrift, mit der Gunn einst „Guardians of the Galaxy” zum Kassenschlager machte und „The Suicide Squad” neu belebte, ist diesem Stoff nämlich nur in beschränktem Maße beizukommen.

46-216593742

Dem Mythos Superman ist das Pathos zu tief eingeschrieben, als dass sich die Erzählung allein mit Zeitgeist-Flavour und ein paar flotten Pointen aktualisieren ließe. Selbst wenn der tieraffine Trademark-Humor des Troma-Trash-Schülers Gunn – etwa in Form des Superhundes Krypto oder der Affen, die in Trollfarmen mit Schaum vorm Mund auf Tastaturen einhacken – hie und da für komische Momente sorgt, bleibt das Spannungsverhältnis zwischen Aufrichtigkeit und Albernheit letztlich ungelöst.
Zu dem Zickzackkurs zwischen diesen Polen gesellt sich jener visuelle Overload, der in dieser Sorte von Kino längst zur erdrückenden Gewohnheit geworden ist. Die zunächst noch verspielt-farbenfrohe Ästhetik versinkt nach und nach im CGI-Sumpf des matschigen Genre-Normstandards. Schweren Auges erreicht man so den finalen Akt, der es dann noch fertigbringt, sowohl kalkuliert generisch als auch unübersichtlich zerfahren zu sein – ein Paradoxon, das symptomatisch für das gegenwärtige Blockbusterkino ist.
Überfrachtet darf man auch das Arsenal an Nebenfiguren und -schauplätzen nennen. Rasch wird deutlich, dass Gunn hier nicht nur als Zeremonienmeister agiert, sondern auch als neuer Architekt des gesamten DC-Universe – jenes Marvel-Rivalen, der letzthin eher ziellos dahintrieb. Statt sich jedoch in fortsetzungsfreundlichen Andeutungen zu verzetteln, hätte dieser „Superman“ vor allem eines verdient: mehr Raum für seine Hauptfigur. Für ihre inneren Konflikte, für ihre Moral im Widerstand gegen die Welt, ja, für ihre Menschlichkeit. Das wäre wirklich Punk-Rock gewesen.