Der matte Glanz der Formel 1: Brad Pitt rast im Sommerkinospektakel „F1“ im Kreis
Die Motoren röhren, das Publikum tobt, ein Helikopter knattert, und im Soundtrack hämmert Led-Zeppelin-Drummer John Bonham nervöse Komplementärrhythmen in sein Schlagzeug („Whole Lotta Love“), während Brad Pitt, soeben aus dem Tiefschlaf geweckt, knappe fünf Minuten Zeit hat, sich mit Eiswasser und Klimmzügen auf Touren zu bringen, in den Sportanzug zu springen, einen im Gehen ihm zugereichten Espresso hinunterzustürzen und sich hinters Lenkrad zu klemmen, um seine Etappe im laufenden 24-Stunden-Rennen (natürlich bravourös) zu fahren. Die Sequenz, mit der „F1“ eröffnet, verspricht mehr Adrenalin, als der Rest des Films einzulösen vermag; und auch die „ganze Menge Liebe“, die der Einstiegs-Song verheißt, bleibt der Film schuldig.
Ein chronisch erfolgloser Rennstall, geleitet von einem finanziell unter Druck stehenden Formel-1-Veteranen (Javier Bardem), sucht Anschluss an die Weltklasse. Der gefundene zweite Pilot (Pitt), der dem jungen Team mit Erfahrung, Talent und strategischem Denken zur Seite stehen soll, ist zunächst eine Lachnummer: Was will der heruntergekommene alte Sack denn noch im Rennzirkus? Doch schon bald wird – wenig überraschend – klar, dass der Senior Tricks kennt, die niemand sonst parat hat, und über mehr Coolness verfügt, als sein entnervter junger Teamkollege (Damson Idris) ihm zuzugestehen bereit wäre.
Keine Risiken bitte!
Auf den selbstironischen Charme des Schauspielers Brad Pitt, 61, ist „F1“ natürlich zugeschnitten, und die Formelhaftigkeit ist nicht nur des Filmtitels wegen Programm: Risiken sind hier untersagt, so schallt es einem auch aus Hans Zimmers grundlos dauererregter Filmmusik entgegen, das alles kostet ohnehin schon viel zu viel. Ein Sommer-Blockbuster ist kein Laborexperiment, bitte jetzt keine eigenen Ideen.
Denn „F1“ versteht sich als Hohelied auf den längst ermatteten Glanz des Formel-1-Zirkus, geboren aus dem Inneren der Industrie, entstanden in Kooperation mit der Sportabteilung der Fédération Internationale de l’Automobile (FIA). Eine Branche feiert sich bedingungslos selbst: Als Koproduzent tritt der siebenfache Formel-1-Weltmeister Lewis Hamilton auf, und auch der Wiener Motorsportinvestor Toto Wolff hat – wohl schon seiner Funktion als executive producer wegen – seinen Gastauftritt. Man hat bei alldem offenbar nicht nur keine Kosten gescheut, sondern das Geld gleich mit vollen Händen zum Fenster hinausgeworfen. Der Apple-Konzern hat in die Produktion „F1“ gerüchteweise bis zu 300 Millionen Dollar gebuttert.
Tiefenentspannt und wohl auch ein wenig desinteressiert spielt Pitt Hollywoods angejahrtes Western-Motiv vom abgeklärten Outlaw durch, der – weil er einfach der Beste ist – dazu überredet wird, sich noch einmal zurück in den Sattel zu begeben (oder eben: in die Bolidenkabine zu zwängen). Ein Jahrzehnte altes Trauma verfolgt den Mega-Driver naturgemäß.
Raserei mit Gaming-Anstrich
Regisseur Joseph Kosinski, der unlängst auch den fliegenden Tom Cruise in „Top Gun: Maverick“ (2022, auch dies schon auf einem Drehbuch Ehren Krugers basierend) dynamisierte, ist ein Routinier der cheap thrills, er weiß, wie man der Autoraserei aus Fahrersicht einen Gaming-Anstrich verpasst – und zugleich an die Crash-Wettrennen im guten alten „Ben Hur“ zurückdenken lässt. Leider wird der Film, so sehr er auch die Sinne kitzelt, an keiner Stelle wirklich spannend. Der Marketing-Behauptung, dass in „F1“ so gut wie keine Special-Effects zur Anwendung gekommen seien, sollte man jedenfalls misstrauen.
Die Laufzeit des Films verhält sich zudem umgekehrt proportional zu seinem Ideenaufkommen: Kosinski wendet zweieinhalb Stunden auf, um ein Story-Klischee ans andere zu hängen; jede erzählerische Kurve, die in „F1“ genommen wird, kommt so absehbar wie die nächste Schikane am Rundkurs einer geschlossenen Rennstrecke. Einzig das strategische Rennfahren des Helden, in dem unorthodoxe, fast unlogische Manöver zum Sieg verhelfen können, wirft immerhin ein paar wissenswerte Momente ab.
Die der Erzählung noch eingepflanzte Trivialromanze des Helden mit der von der Irin Kerry Condon dargestellten Auto-Technikchefin bleibt wie alles andere auch ohne Tiefe, eine bloße Kinofloskel, blanke Oberfläche. „I'm gonna give you my love“, heißt es eingangs in dem Led-Zeppelin-Track – und: „Wanna whole lotta love“. Tja. Die Zeiten, als das Wünschen noch geholfen hat, liegen hinter uns.