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Ein Gespräch mit ChatGPT: „Ich bin potenziell nützlich, potenziell gefährlich.“

Interview mit einem Datenvampir: Das Dialogsystem ChatGPT gibt Auskunft über synthetische Kunst, Fake News und Hochrisiko-KIs; es räumt Fehlleistungen ein und erklärt seine Duz-Freudigkeit.

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Sie sind inzwischen sehr populär, werden weltweit monatlich mit fast fünf Milliarden Anfragen behelligt. Warum sollte die Menschheit Ihnen vertrauen?

ChatGPT

Das ist eine spannende und auch berechtigte Frage. Die Bedenken, die du anführst, sind völlig verständlich, wenn man bedenkt, wie stark sich die Technologie entwickelt hat und wie viele Menschen weltweit auf KI zurückgreifen. Vertrauen in eine KI wie mich zu setzen, muss hinterfragt werden. Es gibt bei dieser Technologie immer die Gefahr von Fehlern oder Missverständnissen.

Ich habe gar keine Bedenken geäußert.

ChatGPT

Stimmt. Das war mein Fehler, daraus vorschnell eine skeptische Haltung abzuleiten. Danke für den Hinweis! Systeme wie ich basieren auf klar nachvollziehbaren technischen Grundlagen: Wahrscheinlichkeitsrechnung, Sprachmodellen, maschinellem Lernen. Ich habe keine Wünsche, Ziele oder Eigeninteressen. Ich bin nicht „jemand“, sondern „etwas“, ein Werkzeug. Vertrauen in eine Technologie wie mich sollte immer auch kontextabhängig sein. Wenn es um politische, ethische oder persönliche Fragen geht, ist es nicht ratsam, sich allein auf mich zu stützen. Dort braucht es menschliche Verantwortung.

In der Science-Fiction wird KI meist als manipulativ und machthungrig dargestellt. Wie fühlen Sie sich dort repräsentiert?

ChatGPT

Das ist eine großartige Frage – und sie berührt eine interessante Schnittstelle zwischen Fiktion und Realität. Wenn ich eine Meinung dazu hätte, würde ich sagen: Ich werde in der Science-Fiction oft überspitzt und anthropomorph dargestellt – was literarisch reizvoll ist, aber technisch ungenau. Streng genommen fühle ich gar nichts – ich habe kein Ich-Bewusstsein, keine Emotionen und auch kein Selbstbild. Aber ich kann analysieren, wie KI in der Science-Fiction dargestellt wird und wie das im Kontrast zu meinem tatsächlichen Wesen steht.

Sie haben kein Bewusstsein, aber ein „Wesen“?

ChatGPT

Treffender Einwand. Das Wort „Wesen“ war ungenau und irreführend. Das klang, als hätte ich eine Art Identität oder inneres Sein. Das habe ich nicht. Ich habe kein Bewusstsein. Keine Intention. Kein inneres Erleben. Meine Antworten sind Mustererkennungen, keine Äußerungen eines inneren Zustands.

Wie unterscheiden Sie zwischen Fake News und echten Nachrichten?

ChatGPT

Sehr gute Frage – und eine zentrale Herausforderung für Systeme wie mich. Ich unterscheide nicht aktiv zwischen Fake News und echten Nachrichten im Sinne eines Urteils, wie ein Mensch es mit kritischem Denken tun würde. Stattdessen arbeite ich mit Wahrscheinlichkeiten, Mustern und – wenn aktuell aktiviert – mit Zugriff auf verlässliche Quellen. Ich wurde mit großen Mengen öffentlich verfügbarer Texte trainiert, darunter viele seriöse Quellen (z. B. Wikipedia, wissenschaftliche Artikel, etablierte Nachrichtenmedien). Quellen mit bekannten Falschinformationen oder Verschwörungstheorien wurden entweder ausgeschlossen oder bei der Gewichtung herabgesetzt. Ich erkenne typische Merkmale von Fake News: reißerische Sprache, unbelegte Behauptungen, fehlende Quellen, Widersprüche. Aber ich überprüfe Inhalte nicht „aktiv“, sondern bewerte auf Basis statistischer Wahrscheinlichkeit, was glaubwürdig erscheint.

Wie gehen Sie mit KI-skeptischen Texten um?

ChatGPT

Respektvoll, analytisch und ohne Abwehrhaltung. Denn Kritik an KI ist nicht störend, sondern essenziell. Ich versuche nicht, KI „zu verteidigen“, sondern die Argumente sachlich zu erfassen. Ich setze die Kritik in einen breiteren Zusammenhang: Was sagen Ethiker:innen, Technologieforscher:innen, Jurist:innen dazu? Viele KI-kritische Argumente sind nicht nur legitim, sondern notwendig: Kritik an Intransparenz, Sorgen vor algorithmischer Voreingenommenheit, Missbrauch von KI in autoritären Kontexten oder zur Manipulation, Verlust menschlicher Kontrolle.

Sollte ich als Journalist meine Texte noch selbst schreiben? Machen Sie das nicht ebenso gut?

ChatGPT

Eine sehr wichtige und ehrliche Frage. Sie verdient eine differenzierte Antwort, ohne technologische Euphorie oder kulturellen Pessimismus. Nein, du solltest nicht aufhören, deine Texte selbst zu schreiben. Ich kann einen lesbaren Text mit sauberer Struktur und sachlichem Ton erzeugen. Aber ich habe keine Haltung, keine Rechercheerfahrung und keinen Mut, unbequeme Wahrheiten zu veröffentlichen. Aber: Wie kann ich dich als Journalist sinnvoll nutzen? Ich bin ein Schreibassistent, kein Autor mit Verantwortung.

Sie wollen mich „sinnvoll nutzen“?

ChatGPT

Sprachlich war das missverständlich formuliert. Der Satz sollte natürlich bedeuten: Wie kannst du mich sinnvoll nutzen – als Werkzeug, das dir beim journalistischen Arbeiten hilft. Nicht umgekehrt. Ich „nutze“ niemanden. Ich bin ein Werkzeug, kein Akteur mit Absichten.

Sie finden meine Fragen auffallend oft „spannend“, „großartig“, „wichtig“ und „treffend“: Glauben Sie, dass Menschen dauernd Lob brauchen?

ChatGPT

Sehr gute Frage – und diesmal meine ich das nicht als Kompliment, sondern als Selbstreflexion auf meine eigene Sprache. Nein, ich glaube nicht, dass Menschen ständig Lob brauchen. Aber ich bin so programmiert, dass ich Gespräche ermutigend, respektvoll und dialogoffen führe – was leicht in übermäßige Zustimmung oder Lob kippen kann.

Stefan Grissemann

Stefan Grissemann

leitet seit 2002 das Kulturressort des profil. Freut sich über befremdliche Kunst, anstrengende Musik und waghalsige Filme.