Blick in die nahe Zukunft: Was wird Künstliche Intelligenz mit uns machen?
Stanley Kubrick wusste natürlich früh Bescheid. Die gefährliche Autonomie, die der Bordcomputer HAL 9000 in Kubricks Science-Fiction-Klassiker „2001 – Odyssee im Weltraum“ (1968) entwickelt, kostet Menschenleben. Die KI kommuniziert mit sanfter, einlullender Stimme, als wollte sie den einzigen überlebenden Astronauten, der gerade dabei ist, sie abzuschalten, hypnotisieren. HAL 9000 ist ein mit künstlicher Intelligenz ausgestatteter Supercomputer, der darauf programmiert ist, für seine Mission gegebenenfalls auch über Leichen zu gehen. Kubrick hatte das Drehbuch gemeinsam mit dem englischen Sci-Fi-Schriftsteller Arthur C. Clarke verfasst, Bezug nehmend auf Alan Turings Pionierarbeiten über intelligente Computer in den 1940er-Jahren: Wenn eine Maschine Konversationen so führen kann, dass sie von einem Menschen nicht zu unterscheiden ist, besteht sie den Turing-Test.
Denkende Apparate sind längst Alltag. Künstliche Intelligenz (KI) wirkt an nahezu allen elektronischen Routinevorgängen mit, sie sorgt für Filmvorschläge auf Netflix und für zuverlässige Gesichtserkennung zur Entsperrung des Smartphones, sie ist in Suchmaschinen, Hollywoodfilmen und Sprachassistenten ebenso aktiv wie in Kampfdrohnen und Sexspielzeug. KI leistet persönliche Dienste, fungiert, je nach Anspruch, als Rechercheinstrument, Krankenbetreuer, Wunscherfüller und Beziehungspartner.
Dabei findet vor unseren Augen ein Umsturz statt – eine ästhetische Neuordnung (über KI-generierte Filme, virtuelle Werbespots und synthetische Propagandabilder), eine ökonomische Umverteilung (massenhaften Arbeitsplatzverlusten wird das sprunghafte Wachstum von KI-Start-ups gegenüberstehen) und ein weiterer ökologischer Rückschlag (denn KI kostet massiv Ressourcen; enormer Wasserverbrauch fällt etwa bei der nötigen Kühlung der Rechenzentren an). Tech-Giganten wie Google, Amazon, Meta und Apple investieren Milliardenbeträge in KI, Microsoft hat allein in OpenAI über zehn Milliarden Dollar investiert. Künstliche Intelligenz verwandelt unser Leben, im Auftrag einer Milliardenindustrie. Wie aber gestaltet das algorithmische Machine Learning die Welt und unser Verständnis von „Wirklichkeit“ neu? Wo kann es helfen, wo Schaden anrichten?
Das Denken ersparen?
Eine neue profil-Serie setzt bei diesen Fragen an: Wie wird beispielsweise der Bildungsbereich sich verändern, wenn jede Hausaufgabe unter dem Generalverdacht der KI-Intervention stehen muss? Wenn das jeweils passende Ergebnis ohne weiteren Aufwand in Sekunden geliefert werden kann? Was passiert, wenn Studierenden, Schülerinnen und Schülern auf diese Weise das Denken großflächig erspart wird? Und warum sollte man im Journalismus, in der Werbebranche, in Übersetzungsbüros noch Grundlagenarbeit betreiben, wenn die KI diese auf Knopfdruck leisten kann? (Und nein, dieser Text wurde nicht künstlich erzeugt, sondern traditionell erdacht und niedergeschrieben.) Warum sollte man Gebrauchsmusik noch extra komponieren und in teuren Studios produzieren, wenn KI-Popsongs längst in die globalen Charts drängen? Warum sollte man Hunderte Millionen Dollar in Kino-Blockbuster investieren, wenn Videogeneratoren täuschend ähnliche Bilder aus simplen Textbeschreibungen entstehen lassen können?