Dichter bei der Arbeit. Sven Regener mit Element of Crime
Sven Regener: „Man muss nur das Zauberwort finden”

Sven Regener: "Man muss nur das Zauberwort finden"

Sven Regener: „Man muss nur das Zauberwort finden”

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profil: 30 Jahre Element of Crime. Befindet sich die Band auf einer Gratwanderung zwischen Stillstand und Fortschritt? Sven Regener: Nein, warum sollte sie das tun? Das bringt doch nichts, von solchen Gratwanderungen kommt doch nur Kummer und Schmerz, genauso wie von der Wahl zwischen Scylla und Charybdis, dem Dasein zwischen Baum und Borke und dem Tanz auf des Messers Schneide.

profil: Inwiefern beschäftigt sich Element of Crime mit dem Thema der Wiederholung? Regener: Auf jeden Fall üben wir ganz gerne mal, das nennen die Franzosen "Repetition", also Wiederholung, und da haben sie verdammt recht. Und wir spielen Songs, die wir mögen, wieder und wieder. Das hat viel mit Lebensfreude zu tun!

profil: Sollen Rock’n’Roll-Bands die Finger von Experimenten lassen? Regener: Experimente sind gut. Gerade auch, wenn sie zu Resultaten führen.

Musik hat immer etwas Magisches, das geht nicht verloren.

profil: In Ihrem jüngsten Roman „Magical Mystery oder: Die Rückkehr des Karl Schmidt“ begleiten Sie einen Haufen abgehalfteter Techno-Musiker auf Tournee. Wie viel Magie ist bei Ihnen selbst noch dabei? Regener: Ich finde nicht, dass die Leute in „Magical Mystery” abgehalftert sind. Musik hat ansonsten immer etwas Magisches, das geht nicht verloren.

profil: Wie hat sich der Live-Sound in 30 Jahren Tourneeleben verändert? Regener: Das kann ich nicht beschreiben, dafür bin ich zu nah dran. Und dann gilt ja auch noch, was Grillparzer sagte: Beschriebene Musik ist wie ein erzähltes Mittagessen.

profil: Viele Ihrer Fans begleiten Sie seit frühen Tagen. Hat sich das Publikum seit den 1980er-Jahren verändern? Regener: Früher waren wir eher die Jüngsten, heute sind wir eher die Ältesten im Saal.

profil: Haben Sie noch nicht daran gedacht, mit ihren frühen, englischsprachigen Platten auf Tour zu gehen? Regener: Wir spielen die englischen Songs noch immer gerne. Aber nicht ganze Platten, das wäre ein bisschen aufgesetzt, finde ich.

profil: Auf Ihrem aktuellen Album „Lieblingsfarben und Tiere“ rücken Sie die kleinen Schönheiten und Banalitäten des Alltags in den Mittelpunkt. Sind Element of Crime hoffnungslose Romantiker? Regener: Hoffnungsvolle Romantiker finde ich besser. Aber irgendwie schon, denke ich. Man muss nur das Zauberwort finden.

profil: Wie politisch muss Rock’n’Roll sein? Regener: Grad so viel wie nötig.

Kneipen sperren zu, weil die Leute nicht mehr kommen. Es gehen Dinge zuende, es fangen neue Dinge an.

profil: Herr Regener, Sie leben seit den Achtzigern in Berlin. In Ihrem Bezirk Prenzlauer Berg hat vor kurzem eine Kneipe namens Rumbalotte zugesperrt. Der ehemalige Eigentümer, Bert Papenfuß, sagt, die Gentrifizierung hat dem Viertel das kulturelle Blut ausgesaugt. Ist Ihnen das egal? Regener: Kneipen sperren zu, weil die Leute nicht mehr kommen. Es gehen Dinge zuende, es fangen neue Dinge an. Seit den frühen Achtzigern, als ich nach Berlin kam, hat sich dort fast alles verändert. Manche dieser Veränderungen findet man gut, andere findet man schlecht. Ich weiß allerdings nichts über das kulturelle Blut eines Viertels, das sind Bilder, mit denen ich nichts anfangen kann.

profil: Ihre Tour führt Sie jetzt erstmals auch nach Kärnten. War das vorher nicht möglich, oder haben Sie Ihren Abenteuerdrang zurückgefunden? Regener: Wir waren in Kärnten vor vielen Jahren schon einmal zu einem Festival eingeladen, aber das hatte kurz bevor wir dran waren dann pleitegemacht. Es ist ein kleines, etwas abgelegenes Land, da führen nicht viele Tourneen hin. Umso schöner, dass das jetzt mal klappt, was vor allem der Tapferkeit unserer Veranstalterin, Regine Steinmetz, zu verdanken ist, die jetzt in einem Befreiungsschlag einfach mal die Wörtherseehalle in Klagenfurt gebucht hat.

profil: 30 Jahre Element of Crime. Was kommt noch – und was bleibt? Regener: Die Eule der Minerva beginnt erst in der Dämmerung ihren Flug. Und dafür ist es noch ein bisschen zu früh!

Element of Crime auf Österreich-Tournee

13.11.15 Kulturbuehne Ambach, Goetzis 16.11.15 Orpheum, Graz 17.11.15 Orpheum, Graz 18.11.15 Music Hall, Innsbruck 19.11.15 Posthof, Linz 20.11.15 Republic, Salzburg 21.11.15 Wörthersee Halle 4, Klagenfurt

Zur Person:

Sven Regener, geboren 1961 in Bremen, seit 1985 Sänger, Gitarrist und Trompeter der Band Element of Crime. Mit seinen Romanen „Herr Lehmann“, „Neue Vahr Süd“ und „Der kleine Bruder“ reüssierte er als Schriftsteller. Im September 2013 ist sein aktueller Roman „Magical Mystery der Die Rückkehr des Karl Schmidt“ erschienen.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.