Bummerlgsund

Horst Chmela wird 75: Wie aus einem Wienerlied ein Welthit wurde

Horst Chmela. Wie aus einem Wienerlied ein Welthit wurde

Drucken

Schriftgröße

Von Manfred Klimek

Horst Chmela ist keiner, der seine Worte wählt und seine Meinung zügelt. Schon im zweiten Satz zieht er über "die Freunderln und ihre Freunderlwirtschaft“ her, über jene Kamarilla, die ihn, so sagt er, seit Jahren aus Rundfunk und Fernsehen verbannt. Karriere hat er trotzdem gemacht. Es fällt ihm schwer, seinen Stolz zu verbergen.

Ewiger Gassenhauer "Bummerl"
Horst Chmela ist Gitarrist, Sänger und Komponist. Er hat mehr als 20 Alben veröffentlicht, drei Hits geschrieben und sein Leben lang Ehrungen und Auszeichnungen empfangen. Im Zimmer seiner Wohnung in Wien-Floridsdorf hängen drei goldene und zwei Platin-Schallplatten, man liest Dokumente eines bewegten, künstlerischen Lebens. Die Mehrheit der Österreicher kennt Chmela als Komponisten des Liedes "Ana hat immer des Bummerl“. Der Gassenhauer aus dem Jahre 1970 wurde ein regionaler und später, mit über 240 Coverversionen, auch internationaler Erfolg, weil er die melancholische Schwermütigkeit des Wieners in einem Satz zusammenfasst: "Ana muss immer verlier’n.“

Rechtzeitig zu Chmelas 75. Geburtstag am 29. Oktober erscheint nun eine Doppel-CD mit all seinen relevanten Kompositionen; am 31. Oktober tritt der immer noch sehr rhythmische Jubilar im Wiener Gasometer auf - eine Location, die bislang noch keinen Wienerliedsänger gesehen hat. Doch ist Chmela das überhaupt: ein Wienerliedsänger?

"Mit Grinzing kann man mich jagen"
Er verneint. Sänger sei er, Rocksänger und Schlagersänger. Und zu Wien habe er durchaus eine gespaltene Beziehung, er sei gar nicht der typische Wiener, der seine Stadt über alles liebe. Ihm gefalle es, auf dem Kahlenberg zu stehen und über die Weinhänge hinunter auf die Stadt zu schauen. Aber die protzige Beleuchtung der Ringstraßenpalais, die er auch von dort oben erkennen mag, interessiere ihn nicht. Auch sei er selten im Zentrum, viel lieber bleibe er in seinem Haus an der Peripherie in Floridsdorf, einem Stadtteil, den man nicht unbedingt mondän nennen kann. "Mit Grinzing“, so Chmela über den Bezirk, wo seine Lieder auch heute noch gesungen werden, "kann man mich jagen. Das ist nicht meine Welt.“

Horst Chmela wuchs in Ottakring auf. Geboren wurde er als sechstes Kind einer Mutter, die nach dieser letzten Niederkunft von Hitler das Mutterkreuz geschickt bekam. Die Jugend nach dem Krieg verbrachte das Kind auf der Straße: Gangs, Fußball, Raufereien. Weil er gut singen konnte, stellte er sich am Wochenende vor die Kasernen der Amerikaner und trällerte deren Hits: "Sentimental Journey“ und anderes, was er im Radio hörte. Dafür gab es Kaugummi.

Es roch nach Schweiß, Rauch und Kohl
In der 26-Quadratmeter-Wohnung der Familie lebten fünf Menschen, Wasser und Toilette gab es nur auf dem Gang, mit den anderen Hausparteien stritt man noch an der Bassena. Es roch nach Schweiß, Rauch und Kohl. Chmela ist ein Kind jener untergegangenen Subproletarier-Welt, die viele ältere Wiener bis heute prägt - auch in ihrem Wahlverhalten. Wer den Aufstieg miterlebt hat, fürchtet die Konkurrenz neuer Armut.

Härte, Kampfgeist und wenig Verständnis für jene, die es sich in sozialen Netzen bequem machen - das ist Chmelas Lebensprägung. "Jeder, der zwei gesunde Hände hat, kann aus seinem Leben das Beste machen“, sagt er: "Und jene, die alles hinten reingestopft bekommen, verdienen keinen Respekt.“ Man hört den Zorn.

Der Gassenjunge lernte das Schuhmacherhandwerk. Er nähte Modelle Pariser Stils für Damen aus Hietzing und Damen aus dem horizontalen Gewerbe. So erfuhr er früh, dass sich unterschiedliche Welten die gleiche Klinke in die Hand geben. Als jüngster Schuhmachermeister Österreichs hätte er wohl bald seinen eigenen Betrieb eröffnet, doch eines Tages kam ein Tiroler Hotelier in den Laden und bot ihm das Dreifache seines Monatsgehalts, wenn er in seinem Hotel spielen und singen würde. "Was hätten Sie gemacht?“, fragt Chmela.

Platz zwei hinter den Beatles
Es folgte eine sorglose Zeit. Der Entertainer und seine Bandkollegen - die Gruppe nannte sich Sunset Four - hielten schnell einen Plattenvertrag in Händen und landeten mehrere Hits. In den österreichischen Charts standen sie 1968 mit "Mädchen, die weinen“ hinter den Beatles auf Platz zwei.

Trotzdem wurde nichts aus einer internationalen Karriere, denn Chmela schlug alle Angebote in den Wind. Er wollte in Wien bei seiner Frau Ingeborg bleiben, mit der er auch heute noch zusammenlebt. Seine Band suchte verärgert das Weite, Chmela schrieb sich den Frust vom Leib. Ein Lamentieren über das Verlieren. Der daraus entstandene Welthit "Bummerl“ beendete den drohenden finanziellen Engpass. Noch heute kassiert Chmela Tantiemen, "jährlich zwei Dacia“, wie er nicht ohne Groll erzählt: "Einen für mich und einen für den Finanzminister.“

Mit dem Geld vom "Bummerl“ kaufte er ein Lokal, das er "Zum Bummerl“ nannte. Dort kehrte damals jeder ein, der in Wien mitzureden hatte, allesamt sicher keine Verlierer. Honorige Abgeordnete saßen neben Königen des Rotlichtmilieus, und Chmela sang für alle, die etwas zu trinken bestellten. Reich wurde er davon nicht.

"Der ORF wollte mich nicht haben"
Obwohl Horst Chmela inzwischen prominent war und durchaus zum Inventar der österreichischen Unterhaltungsindustrie gehörte, ließ man ihn im Fernsehen meist außen vor. Noch bitterer, dass dies auch nach seinem zweiten großen Hit "Der deppade Bua“ von 1980 so blieb. "Andere Künstler gingen beim ORF ein und aus, nur mich wollten sie nicht haben“, sagt Chmela immer noch erregt: "Die anderen hatten halt die besseren Kontakte, man weiß eh, wie das rennt.“ Auch der dritte Top-Titel "Her mit meine Hennen“ (1991) öffnete ihm keine Studiotür. Das - zugegeben schwer erträgliche - Lied besiegelte Chmelas Schicksal als Ausgesperrter. "Egal“, sagt er, "ich habe es auch ohne die geschafft.“

Horst Chmelas Gesamtwerk bleibt schwer einzuordnen. Meist handelt es sich um simplen, banalen, mitunter auch grenzwertig seichten Schlager, dann wieder folgen Balladen, die einer ganzen Generation von Wienern bekannt sind, Lieder von ausnehmender Schönheit, wie das von Karl Hodina geschriebene "Herrgott aus Sta“, oder "Auffe geht’s langsam“. Chmela wollte sich nie entscheiden wollen, in welche Richtung er gehen sollte. Der Applaus im Heurigen, die Erdung im Volkslied waren ihm zu wenig; seine Anhänglichkeit an Stadt und Familie verbot ihm den Absprung. Das Hadern hört man deutlich, doch wohnt keine Resignation darin. Chmela tröstet sich damit, dass viele Künstler seine Lieder nachgesungen haben, von Sammy Davis, Jr. bis Florian Silbereisen.

Es wäre nicht Horst Chmela, würde er die beiden nicht in einem Atemzug erwähnen.