Serie

Kabale bei Kerzenschein

Lohnendes kurz vorm Laberkoller: Staffel zwei der drachsüchtigen Herrschafts-Scharmützelei „House of the Dragon“.

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Selektives Vergessen kann ein probater Schlüssel zum Genuss sein – wie die eben auf Sky gestartete zweite Staffel des „Game of Thrones“-Spin-offs „House of the Dragon“ beispielhaft beweist. Denn im besten Fall hat man das verkorkste Finale der Original-HBO-Erfolgsserie vor fünf Jahren schon wieder verdrängt, während man noch halbwegs gut in Erinnerung hat, was sich 2022 in der Premierenstaffel dieses im Königshaus der Targaryens (das sind die inzestaffinen Weißblonden) beheimateten Prequels zugetragen hat.

Letzteres ist kein Nachteil, gilt es doch, einer stark verflochtenen Erzählung zu folgen, die nun auch ohne Umschweife wieder in medias res geht. Von den Kreativen um Autor George R. R. Martin ist jedenfalls kein Entgegenkommen in Form einer Erklärungsauffrischung der Ausgangssituation zu erwarten.

Vielmehr wird in Erwartung des am Horizont aufziehenden Bürgerkrieges zwischen den verfeindeten Fraktionen der Schwarzen und der Grünen (keine Pointe) nun noch mehr und heftiger diskutiert, deklamiert und denunziert. Und zwar von Aberdutzenden an Haupt- und Nebenfiguren, die zudem oft recht ähnlich heißen. Ging es um Rhaenyra oder Rhaenys? Oder doch um Rhaena? Zur Unübersichtlichkeit trägt auch das limitierte visuelle Vokabular bei: Der finale Laberkoller scheint hier immer nur eine weitere bierernste Strategiesitzung in einem weiteren, nur spärlich von flackerndem Kerzenschein illuminierten Burggewölbe entfernt.

Doch so sperrig sich das Vorspiel zum „Tanz der Drachen“ genannten Krieg mitunter auch präsentieren mag: Es schöpft aus einer Komponente, die die Mutterserie noch nicht hatte – und erweitert dessen eminente Stärken (Schauspiel, Schauwerte, Shakespeare-informiertes Soap-Spektakel) um eine brisante, unbequem gegenwartsnahe Qualität. Wurde Machtpolitik in „GoT“ weitgehend von machiavellistisch vorausschauenden Ränkeschmieden betrieben, so sind es nun durchwegs impulsgesteuerte Akteure, die aus dem Bauch heraus Verrat begehen, Bündnisse brechen, Vergeltung üben. Und ihre Welt in einer fatalen Gemengelage von Trugschluss und Unvernunft mit jeder überstürzten Handlung dem Abgrund ein Stück näher bringen. Um gewisse globale Entwicklungen hier nicht wiedererkennen zu können, müsste man wahrlich sehr selektiv vergessen können.