Kunstsammlerin Heidi Goëss-Horten

Kunst: Der zwiespältige Boom der Privatsammlungen in den Museen

Die teure Sammlung einer Milliardärin, die ausufernde Kollektion eines Galeristen: Österreichs Museen setzen vermehrt auf Kunstschätze von Privatpersonen. Doch wie sinnträchtig sind solche zusammengewürfelten Präsentationen?

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So sieht es aus, wenn kreative Menschen Werbung für eine Kunstausstellung machen: Zu dröhnendem Electro-Beat schieben sich Gemälde von Lucian Freud und Damien Hirst übereinander, zoomt sich die Kamera flott an eine Marilyn-Monroe-Tapete Andy Warhols heran. Immer wieder poppt der Schriftzug "WOW" auf. Am Ende: das Standfoto einer schönen Frau.

Es handelt sich dabei um die Milliardärin Heidi Goëss-Horten, aufgenommen in jungen Jahren. Ihre Kunstsammlung präsentiert das Wiener Leopold Museum ab 16. Februar - Titel: "WOW! The Heidi Horten Collection". Das erste Wort ist tatsächlich in Versalien geschrieben und mit Rufzeichen versehen, damit auch wirklich alle verstehen, wie atemberaubend dieses Projekt sein soll. Ein gutes Jahrhundert Kunstgeschichte umfasst das Konvolut der Witwe von Helmut Horten, einem deutschen Kaufhaus-Tycoon. Ihr Vermögen basiert auf seinem Erbe; einst profitierte er von NS-Arisierungen, was in der Ausstellung selbst verschwiegen wird (siehe Kasten). Wenige Schritte weiter, ebenfalls im MuseumsQuartier, zeigt seit wenigen Tagen das Museum moderner Kunst (mumok) ebenfalls eine Privatkollektion, jene des deutschen Galeristen Alexander Schröder ("Optik Schröder II. Werke aus der Sammlung Alexander Schröder", bis 27. Mai).

Im Ausstellungsprogramm öffentlich finanzierter Kunstinstitutionen spielen private Konvolute derzeit eine gewichtige Rolle. In den vergangenen Jahren zeigte etwa das Belvedere jenes des Ehepaars Anne und Wolfgang Tietze, das mumok die Sammlungen Bogner und Herbert; die Albertina präsentiert seit ihrer Neueröffnung die Dauerleihgabe von Herbert Batliner; auch die Sammlung Essl fand dort Unterschlupf und wird bald im Künstlerhaus zu sehen sein. Im Herbst kann das Publikum der Kunsthalle Krems zudem die Schätze des Schweizers Hubert Looser bestaunen, ein Potpourri aus Werken von Pablo Picasso bis Andy Warhol. Die Klammer für die Kunst, die in solchen Schauen zu sehen ist, bildet zumeist ausschließlich die Tatsache, dass sie von einer bestimmten Person gesammelt wird. Nur in Ausnahmefällen kristallisieren sich tatsächlich Schwerpunkte heraus, wie bei Helmut Zambo, der viele Werke der Art Brut kaufte und dessen Leihgaben ab nächstem Jahr die Landesgalerie Niederösterreich ausstellen wird. Ansonsten gilt: An die Stelle einer kuratorischen These, einer inhaltlichen Argumentation, eines schlüssigen Zugriffs tritt schlichtweg die Sammlerpersönlichkeit, der Rosen gestreut werden und bei der sich das Publikum gefälligst bedanken soll.

Museum als Werbefläche für privaten Kunsthandel?

Freilich kann sich der Leihgeber selbst durchaus als spannende Figur erweisen. So reflektiert die Biografie von Alexander Schröder wesentliche Strömungen der Kunst seit den 1990er-Jahren. "Von Anfang an hatte er eine sehr enge Bindung zu den Künstlerinnen und Künstlern und war ein Promoter, der deren Ideen mitgeprägt hat - gelebte Kunstgeschichte", erklärt mumok-Direktorin Karola Kraus, die auch Kuratorin der Ausstellung ist. Allerdings zeigt sich in diesem Fall eine nicht ganz unproblematische Nebenwirkung; schließlich verkauft Schröder Arbeiten zahlreicher Künstler, die in der Schau vertreten sind, auch in seiner Berliner Galerie Neu, darunter Kai Althoff, Tom Burr, Cerith Wyn Evans, Manfred Pernice und Klara Lidén. Verkommt hier das öffentlich finanzierte Museum zur Werbefläche für den privaten Kunsthandel? Kraus entgegnet, dass Schröder Werke zu einem Zeitpunkt gekauft habe, als sie "unter spekulativen Gesichtspunkten keinerlei Relevanz" gehabt hätten. Nicht zuletzt sei es "sein Verdienst, dass viele Künstler, die er von der ersten Stunde an unterstützte, heute internationale Museumsausstellungen haben und von internationalen Sammlungen angekauft werden". Es gehe also keineswegs "um Gratis-PR oder bemühte Aufwertung". Dieser Nebeneffekt wird allerdings nicht ausbleiben, allen Absichtsbekundungen zum Trotz.

Das Museum als Durchlauferhitzer für den Kunstmarkt: Davon ist häufig die Rede, wenn es um das Zusammenspiel zwischen öffentlichen Häusern und privaten Leihgebern geht. Museale Präsenz wertet jedes Kunstwerk auf. Die Sammlung Goëss-Hortens betrifft dieses Phänomen wohl eher peripher, prunkt sie doch schon jetzt mit allem, was teuer ist. Im Katalog folgt ein großer Name auf den anderen, von Egon Schiele und Gustav Klimt über Pablo Picasso, Emil Nolde und Cy Twombly bis zu Andy Warhol, Damien Hirst und Sylvie Fleury reicht das Bouquet. Agnes Husslein, Kuratorin der Schau, sagt: "Um einen ersten Einblick in diese hochkarätige Sammlung zu geben, haben wir Glanzlichter ausgewählt - es soll für die Besucher der Ausstellung einerseits ein Eindruck entstehen, welche Bandbreite die Sammlung abdeckt -also von der klassischen Moderne über den Expressionismus, die Arte Povera bis zu Pop Art und zeitgenössischen Positionen - und andererseits, welche Schwerpunkte die Sammlerin gesetzt hat, etwa mit einer 'Mini-Retrospektive' von Georg Baselitz." Der Direktor des Leopold Museums, Hans-Peter Wipplinger, betont: "Die Sammlung spiegelt einen Gang durch die Kunstgeschichte. Jedes einzelne Werk besitzt in seiner Qualität museales Niveau."

Die Historie à la Goëss-Horten ist fast gänzlich frei von Frauen: Unter den 73 vertretenen Kunstschaffenden finden sich exakt vier weibliche. Darüber hinaus zeichnet sich das Konvolut, das hier präsentiert wird, vor allem durch eines aus: seinen merkantilen Konformismus. Kaum ein Künstler, der nicht längst die höheren Marktweihen erfahren hätte.

Kuratorin mit Kontrollfunktion

Das ist wenig verwunderlich: Bereits in den 1990er-Jahren beriet Husslein Sammlerin Goëss-Horten; damals leitete sie die Dépendance des Auktionshauses Sotheby's für Österreich und Osteuropa. Von 2007 bis 2016 war sie Chefin des Wiener Belvedere. Auch in dieser Zeit blieb man einander freundschaftlich verbunden. Dass Husslein heute als Vorstandsmitglied des Leopold Museums eigentlich Kontrollfunktion ausüben sollte und dennoch selbst für das Haus als Kuratorin auf den Plan tritt, stört dort offenbar niemanden. Dank toller PR und einer glamourösen Sammlerfigur - bisher war Goëss-Horten eher für ihre prominente "Forbes List"-Platzierung und ihre enormen Luxusyachten bekannt - werden Besucherstürme wohl nicht ausbleiben. "Ich glaube, dass die Ausstellung ein großes Publikum erreichen wird. Auch die internationale Presse interessiert sich dafür", sagt Museumsdirektor Wipplinger.

Zweifelsohne: Private Kunstsammlungen haben für öffentliche Museen eminente Bedeutung. Während die Budgets für Kunstankäufe sinken, steigen die Preise für Kunst. Die meisten Museen der Moderne basieren auf den Schätzen von Privatpersonen, wie auch die mumok-Direktorin betont. Kraus sagt: "Die erfolgreiche Bilanz des sammlungsstrategischen Konzepts meiner Antrittsausstellung, des 'Museums der Wünsche' sowie die zahlreichen Schenkungen der letzten Jahre waren vor allem dank privater Förderer möglich." Dies sei "eine unabdingbare Voraussetzung für die Erfüllung unserer Kernkompetenz des Sammelns, die mit den sehr beschränkten öffentlichen Mitteln allein nicht zu leisten wäre". Auch Sammler Alexander Schröder werde dem mumok "kapitale Werke von international beachteten Künstlern schenken".

Wozu es führt, wenn nur noch das private Engagement zählt, kann man in den USA beobachten. Dort ordnet man Museumssammlungen häufig nach ihren "Donors", den Spendern. Das erweist sich nicht immer als sinnträchtig. Im Los Angeles County Museum of Art (LACMA) etwa, das aus mehreren Gebäuden besteht, verstreuen sich Werke der klassischen Moderne auf etliche voneinander getrennte Präsentationen. Hier wartet eine geschenkte Kollektion mit zahlreichen Kandinskys auf; weitere finden sich gleich nebenan, schließlich waren sie einst Eigentum eines anderen Sammlers. Exponate des US- Popkünstlers Claes Oldenburg werden an drei Orten in zwei Gebäuden gezeigt. Im "Ahmanson Building" sieht man Marcel Duchamps Kleinskulptur "With Hidden Noise"; für seine "Boite-en-Valise" muss man allerdings rüber in den "Resnick Pavilion". Und so geht das Chaos weiter. Kunstmarkt sticht Kunstgeschichte. Aber: Spender oder Leihgeber wollen eben in der Regel mit eigenen Hausflügeln und Räumlichkeiten bedacht werden. Welchem Stifter würde man es verdenken, dass er sich ein wenig Anerkennung erwartet?

Im Leopold Museum betont man derzeit gern die Großzügigkeit der Leihgeberin Heidi Goëss-Horten. Schließlich finanziert sie Abendöffnungszeiten und Kunstvermittlungsprogramme. Direktor Wipplinger: "Für uns ist es großartig , weil wir neben all den Leihgaben große monetäre Unterstützung für die Kunstvermittlung erfahren. Schon jetzt haben sich zahlreiche Schulklassen angemeldet, da eine finanzielle Barriere wegfällt." Auch die Pressesprecherin betont, welches "Geschenk" die Sammlerin damit der Öffentlichkeit mache. Dankbarkeit allerorten.

Und auch der Titel der Schau -"WOW!" - legt die einzig mögliche Haltung nahe: die Bauchlage. Das Publikum möge bitte in die Knie gehen! Aber nicht nur vor der Kunst - auch vor der Sammlerin.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer