"Beinhart abgestempelt": Erst sang er Serbisch, jetzt ist er auch auf Deutsch zu hören: MC Yankoo, 37

381 Millionen Klicks: Der Wiener Rapper MC Yankoo

Warum gilt Österreichs größter YouTube-Star im eigenen Land dennoch fast nichts?

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Ihre Lippen sind pink, ihre Haare blond, dazu schmettern die Trompeten. Milica Todorović singt gemeinsam mit dem Wiener MC Yankoo auf Serbisch von einem Feuerteufel und ihrem Goldschatz. "Moje Zlato", veröffentlicht im Sommer 2014, war lange das meistgeklickte Musikvideo aus Österreich. Derzeit hält es bei über 131 Millionen Aufrufen. Erst vor ein paar Tagen wurde es von Andreas Gabaliers "Hulapalu" überholt.

Fast wäre "Moje Zlato" nicht erschienen. Vor fünf Jahren war Milica Todorović in Wien, der gemeinsame Booker hat sie in ein Wiener Studio gebracht. "Sie meinte, das wolle sie nicht singen, das sei der größte Schwachsinn", erinnert sich MC Yankoo. "Nach der Aufnahme hat sie mich noch einmal angerufen, sie fand es weiterhin nicht gut und meinte, ich habe sie überrollt." Erst das Demo habe sie überzeugt. In dem geradlinigen Partysong rollen die Ziehharmonika-Phrasen, zum synkopischen Beat sollen die Leute ihre Hände in die Luft werfen, als hätten sie niemals Sorgen gehabt. Für einige Momente klappt das. Beliebt ist "Moje Zlato" vor allem am Balkan, aber nicht nur dort. Als Jugoslawien ab 1991 zerfiel und Krieg ausbrach, zerstreute sich seine Bevölkerung über den Erdball, viele kamen in Wien an. Da wie dort waren Leute erstaunt und glücklich, als MC Yankoo jüngst erstmals einen Song auf Deutsch veröffentlicht hat.

MC Yankoos Geschichte ist auch eine Lektion in Sachen Integration und Ausgrenzung

"Die Leute dachten, er ist Balkaner und fertig", sagt er im profil-Gespräch im Wiener Café Rochus, zu dem er mit seinem Manager erscheint. "Dabei habe ich immer gesagt, ich lebe in Wien." Geboren wurde Aleksandr Janković tatsächlich in Wien, vor 37 Jahren, auch wenn Wikipedia etwas anderes behauptet; er wächst im 17. Bezirk auf, am Schulhof wird Deutsch gesprochen, als Lingua franca, das ist einfacher für alle. Weil es seinem Vater wichtig ist, absolviert Janković eine Schulstufe in Serbien, nahe der Stadt Niš. MC Yankoo ist kein sehr politischer Mensch, einige Fragen blockt er höflich ab. Aber seine Geschichte ist auch eine Lektion in Sachen Integration und Ausgrenzung. Das richtige Stichwort genügt. "Man wird beinhart abgestempelt als Jugo", antwortet MC Yankoo auf die Frage, wie es ihm damit geht, dass im hiesigen Musikgeschäft so selten über ihn geredet wird. Sein YouTube-Kanal lässt mit 380 Millionen Klicks alle anderen österreichischen Musiker weit hinter sich. "Einfach nur disrespect", sei es daher, dass er noch nie zu den Amadeus Awards eingeladen wurde. Den großen Radiostationen passt seine Musik nicht ins Sendeschema. "In Deutschland sind sie offener", sagt er, "aber hier werde ich nicht akzeptiert."

Das könnte sich bald ändern. Rap, Reggaeton und R&B dominieren die Popgegenwart, über die Hälfte der konsumierten Musik in den USA kam 2018 aus den genannten Genres; Rock und klassischer Pop seien "nicht mehr Pop", schreibt die "New York Times". Die Radiosender kommen an diesem Trend nicht vorbei, wenn sie weiterhin Werbegelder verdienen wollen. Und MC Yankoo bedient diese Genres punktgenau mit zwei neuen Songs. "Den Reggaeton-Rhythmus gab es in der Balkan-Szene schon immer, das war für mich nichts Neues", sagt er. Auch der Erfolg von RAF Camora hat ihn motiviert. Auf "Fake" macht sich Janković über die Bling-Kultur im HipHop lustig, er rappt auf Deutsch, das Zeug von Gucci und Louis Vuitton ist gefälscht, die dicken Autos für das Video sind gemietet. Seine Fans finden das toll. Im Herbst soll es ein Album geben. Dabei wurde dieses Format vor zehn Jahren schon totgesagt. Heute wird damit wieder Geld gemacht. Die Songs von Mero, Capital Bra oder Billie Eilish sind kurz, dafür zahlreich.

Im ehemaligen Jugoslawien gibt es allerdings weder Spotify noch Apple Music oder Amazon Music. YouTube aber gibt es. Und YouTube kann irritierend sein. Wer es öffnet, ohne sich anzumelden, hat freie Sicht auf die Plattform. Russische Kinderserien finden sich hier, Fußball und Sport, türkische Krimis, Schnäppchenjäger, Zweiter Weltkrieg, House-Mixes mit blonden Bikini-Models, die auf türkise Wellen starren. Nur nutzen wenige Menschen You-Tube so. Die meisten sind stets eingeloggt, fast zwei Milliarden monatlich. Ihre Vorlieben kennt YouTube genau und befeuert diese wieder und wieder mit Videos, die dem entsprechen, was man bereits kennt. Das Phänomen ist nicht ganz neu, es nennt sich Filterblase und beschreibt, wie die Algorithmen großer Internet-Konzerne vorgeben, was wir sehen wollen.

MC Yankoo nützt diese Blase wie kein Zweiter in Österreich. Keine andere Band, keine Musikerin und kein Gabalier kommen auch nur in die Nähe seiner Gesamtzahlen. Er betreibt sein eigenes Label, dreht seine Videos selbst und postet unaufhörlich auf Instagram. Es gab ein Zeitfenster, in dem man sich so relativ leicht einen Namen machen konnte. Aber Facebook sei mittlerweile tot, meint Janković. Und YouTube bringt vergleichsweise wenig Geld. Und weil man auf die großen Playlists der Streaming-Plattformen viel leichter kommt, wenn man bei einem großen Label unterschrieben hat -"das geht so", sagt MC Yankoo und schnippt mit dem Finger -, hat er sich überlegt, eines der vielen Angebote anzunehmen. Aber was sie bieten, sei lächerlich.

Diese Meinung teilen viele Musiker. Sie bauen ihre Teams selbst auf, organisieren Touren, veröffentlichen auf eigenem Label -und nur wenige gehen noch mit den alten Platzhirschen Partnerschaften ein. RAF Camora, Seiler und Speer, Dame, Parov Stelar, Mavi Phoenix, Bilderbuch und eben auch MC Yankoo machen ihr Ding unter Voraussetzungen, die sie sich selbst geschaffen haben.

Ich sag dir offen, die Jungs finden das geil, fertig. Du hast Frauen im Video, damit die Jungs das anschauen.

Am strengen Willen zur Unabhängigkeit ist wohl MC Yankoos erster Vertrag schuld. Der war eine Katastrophe, meint er. Namen will er nicht nennen, als Lehrling bei einem sehr erfolgreichen österreichischen Produzenten-Team wurde ihm damals die Studiozeit verrechnet. Es gab Auftritte, für die er kein Geld sah, ein Chef eines Clubs meinte hinterher, es sei schlecht gewesen, er solle sich schleichen, daneben standen zwei Securities. Auch mit Latin-House hat er es vor Jahren versucht, er wollte unbedingt entdeckt werden. Die Tour durch Italien war miserabel: "Du wachst am nächsten Tag auf, der Club gestern war voll, und du hast nicht einmal genug Geld in der Tasche, um Essen zu kaufen."

MC Yankoo hat eine elfjährige Tochter. Ihr musste er früher oft erklären, warum er in seinen Videos mit anderen Frauen flirtet und feiert. Das Video von "Loca" musste erst entschärft werden, es überlässt dennoch nichts der Fantasie: Eine Frau bietet sich der Meeresbrandung an, einmal perlt Wasser in der Sonne über ihren Busen, die Kamera starrt mindestens so oft auf ihr Becken wie in ihr Gesicht. Nicht alle Yankoo-Videos sind so offen sexistisch, die Rollen allerdings klar verteilt. Auf die Frage, ob er manche Clips heute nicht mehr drehen würde, antwortet Janković: "Ich sag dir offen, die Jungs finden das geil, fertig. Du hast Frauen im Video, damit die Jungs das anschauen."

Wer einmal in Belgrad an der Save fortgegangen ist oder orthodoxes Neujahr in einer Disco gefeiert hat, weiß, dass dieses Frauenbild der Realität nicht völlig enthoben ist. Die Ausschnitte sind tiefer, die Haare glatter, die Fingernägel länger. Zwar wurde über Clubkultur in den letzten Jahren viel geschrieben, die Balkanszene ist dennoch ein weißer Fleck in den Köpfen vieler Menschen, auch solcher, die sich gerne aufgeschlossen und tolerant geben. Hinter dem Gürtel, in den Randbezirken und den Discos in den Industriezonen österreichischer Städte werden VIP-Bereiche gebucht, Wodka in Flaschen bestellt, und manchmal hängt sogar das Konterfei des kroatisch-serbischen Elektropiniers Nikola Tesla hinter der Bühne. An solchen Orten ist MC Yankoo groß geworden. Er ist drauf und dran, über sie hinauszuwachsen.

Österreichischer Pop in YouTube-Klick-Millionen (Die Superhits in Klammer sind nicht auf dem jeweils eigenen YouTube-Kanal erschienen, wurden aber mit eingerechnet.)

MC Yankoo: 381 Dame: 251 RAF Camora: 240 Andreas Gabalier: 236 ("Hulapalu") Parov Stelar: 228 Seiler und Speer: 112 Klangkarussell: 104 ("Sonnentanz") Conchita Wurst: 61 ("Rise Like A Phoenix") Pizzera & Jaus: 49 Bilderbuch: 43 Christina Stürmer: 42 Wanda: 32 ("Bologna") Josh.: 23