Mavi Phoenix: Think big

Mavi Phoenix ist Österreichs Popstar der Stunde. Doch die junge Linzer Musikerin will noch mehr.

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Die Popstarwerdung der Mavi Phoenix beginnt irgendwo auf der Autobahn zwischen Linz und Wien. Alle paar Wochen spielte ihr der Papa bei den stundenlangen Pendlerfahrten all die guten Songs vor, die der Musikerin auch heute noch als Referenzrahmen dienen: die kalifornischen Wüstenrocker Queens of the Stone Age, HipHop à la N.E.R.D. und teilweise ziemlich harte Gitarrenklänge. Zu Hause bei der Mutter in Linz lief dann das poppige Gegengewicht zwischen David Bowie und Madonna.

Das war früher. Heute trifft man Mavi Phoenix dort, wo man junge Menschen im Frühsommer oft antrifft. Ort des Interviews: der Schanigarten eines beliebten Studentenlokals in Wien-Alsergrund, gleich neben der pittoresken Votivkirche und nur ein paar Hundert Meter von der Hauptuniversität entfernt. Im Uni-Hörsaal (Studienrichtung Politikwissenschaft) hat sich Marlene Nader, wie die 22-jährige Musikerin mit bürgerlichem Namen heißt, seit einem guten Jahr nicht mehr blicken lassen. "Inskribiert bin ich aber immerhin noch", sagt sie lachend. Das freue zumindest ihre Mutter.

Seit Ende des vergangenen Jahres lebt Mavi Phoenix (ihr Künstlername ist eine Reminiszenz an den jung verstorbenen Schauspieler River Phoenix) als Pendlerin: zwischen New York, Los Angeles und Kapstadt, dann wieder Wien, Linz oder Berlin. "Wenn man international agieren möchte, fliegt man ständig herum", kommentiert sie ihren übervollen Terminkalender. Viele Leute, die sie unterwegs trifft, wüssten gar nicht, dass sie ihren Lebensmittelpunkt immer noch in Österreich hat. Dazu kommt, dass sie heuer ihre erste große Festivaltournee spielt: die "Primavera"-Festivals in Barcelona und Porto, Auftritte beim deutschen Zwillingsfestival "Rock am Ring" und "Rock im Park" sowie das legendäre "Roskilde"-Festival in Dänemark. Ende Juli folgt noch das "Popfest" auf dem Wiener Karlsplatz.

Die Musik von Mavi Phoenix ist ein süchtig machender Mix aus Elektropop, R&B und Rap. Vor allem das Minialbum "Young Prophet" (2017) und die drei aktuellen Songs "Yellow", "Bite" und "Trends" zeigen die Wandlungsfähigkeit der Künstlerin. Für sie ist jeder Song ein in sich geschlossenes Universum. Zuerst hat sie nur eine Melodie, die Skizze eines Beats im Kopf, die Texte kommen dann wie von selbst.

"Alles Freestyle", sagt sie zu ihrer Arbeitsweise. Einen Sinn müssten die Texte zudem nicht immer ergeben. Viel wichtiger sei es ihr, dass der Flow stimme. "Mir geht es um das Gefühl, um den Raum zwischen den Zeilen."

Wichtigstes Zusatzelement: der Do-it-yourself-Charakter der Songs, die allerdings eher nach internationaler Großproduktion klingen. Für Mavi Phoenix ist das kein Widerspruch. "Wir können es ja gar nicht anders", meint sie über ihre Zusammenarbeit mit dem Linzer Produzenten Alex The Flipper, der sie auch bei ihren Liveauftritten begleitet. Natürlich könnte man in ein teures Studio gehen, um mit einem namhaften Produzenten zu arbeiten, aber die Zeit sei dafür noch nicht reif, meint sie. Der Charme von Mavi Phoenix bestehe eben darin, dass die Musik den nötigen Hauch Eigenbau und Heimstudio besitze.

Als sie Teenager war, gab es in ihrem Linzer Umfeld kaum jemanden, der sich besonders für Popmusik interessierte oder gar selbst welche machen wollte. Ihre eigenen Gitarrenstunden ließ sie meist ausfallen. Das bereue sie noch heute, meint sie. Viel lieber lag sie mit ihrem MP3-Player auf dem Bett und hörte stundenlang Musik. Dann schenkte der Vater ihr ein ausrangiertes MacBook. "Ich war zehn oder elf Jahre alt, als ich meine ersten Loops und Beats zu bauen begann." Ihren ersten Auftritt hatte sie im Linzer Posthof - als einzige Solokünstlerin bei einem Bandcontest. Das war vor fünf Jahren. Zur Unterstützung hatte sie ihre ganze Schulklasse eingeladen. "Es war wie ,Kiddy Contest'", sagt sie über ihre Live-Feuerprobe.

Vor allem bei Männern, die es nicht gewohnt sind, dass ein kleines Mädel so deutlich sagt, was sie will, kommt meine Art oft nicht gut an.

In Eigenregie entstand ein erstes Minialbum ("My Fault"). Ein Jahr lang interessierte sich niemand für die sechs Songs. Dann nahm der ORF-Jugendsender FM4 ihren Song "Green Queen" in sein Programm auf. Ein Hörer lauschte besonders aufmerksam: Maurice Ernst, Sänger und Kopf der österreichischen Discopop-Dekonstrukteure Bilderbuch, rief sie mitten in ihren Maturavorbereitungen an, um ihr einen Rap-Part bei einem Konzert anzubieten. "Ich war total im Stress", erinnert sie sich an den unerwarteten Karriereschub. Bald ging sie mit Bilderbuch auf Tournee. Heute teilt sie mit der Band nicht nur das Herkunftsland (Oberösterreich), sondern auch Management und Philosophie.

Bereits in der Schule fantasierte die Tagträumerin vom internationalen Durchbruch. "Dass ich unbedingt einen Grammy gewinnen will, hat damals in Linz natürlich für Verwunderung gesorgt, aber es ist wichtig für mich, groß zu denken", gesteht Phoenix. Ihr Selbstbewusstsein stieß jedoch nicht immer auf Gegenliebe: "Vor allem bei Männern, die es nicht gewohnt sind, dass ein kleines Mädel so deutlich sagt, was sie will, kommt meine Art oft nicht gut an." Im internationalen Musikund Festivalbusiness hingegen sei man heute aufgeschlossener, auch wenn es immer wieder Kollegen gebe, die ihr anfangs nicht viel zutrauen.

Ein Debütalbum ist übrigens nicht geplant. Mavi Phoenix gibt lieber jedem Song die Chance, für sich selbst zu glänzen. Derzeit veröffentlicht sie im Monatstakt ein neues Stück - online, ohne den Zwischenschritt eines Tonträgers. Ein Album müsste richtig einschlagen, "sonst hast du am Ende zwölf Songs, die niemand gehört hat." Seit in Österreich die Cloud-Rap-Bewegung um Yung Hurn und Crack Ignaz populär wurde, war auch für den Superstar in spe die Versuchung groß, auf den heimischen HipHop-Zug aufzuspringen. Deutsche Texte mit schlurfenden Beats? Lieber nicht. "Ich wollte in keiner Nische gefangen sein", sagt sie. "Auch wenn es anfangs vielleicht leichter gewesen wäre, mit dem österreichischen Schmäh aufzutreten."

Einen zweiten Karriereplan hat Phoenix nicht. Sie braucht auch keinen. "Ich weiß, dass ich Musik machen kann und dass es funktioniert." Heute steht hinter dem eisernen Popstarwillen eine kleine Firma - samt Businessplan und eigenem Plattenlabel (LLT Records). Sollte es wirklich von einem Tag auf den anderen nicht mehr funktionieren, könne sie immer noch als Produzentin tätig werden. "Oder ich baue einfach ein paar Beats für andere Künstler."

Jeder Termin ist für Mavi Phoenix nur das Vorspiel zum nächsten Flug. Das ständige Sitzen im Flugzeug zehre schon an den Kräften, meint sie noch. Es gebe aber kein entspannenderes Gefühl als den Landeanflug Richtung Wien. "Dann fällt der ganze Stress endlich ab."

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.