Soap&Skin
Am Wahnsinn vorbei

Neues Album von Soap&Skin: Am Wahnsinn vorbei

Das dritte Album der heimischen Pop-Melancholikerin Soap&Skin

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Manchmal ist es in der Kunst auch nicht komplizierter als im Leben. Konzentrier dich, setz dir eine Deadline -und fang mit der Arbeit an. Die Musikerin Soap&Skin wartet stets auf den richtigen Moment, und das kann in ihrem Fall auch mehrere Jahre dauern. Dass es überhaupt neue Soap&Skin-Songs geben soll, wurde ihr selbst erst vor einem Jahr klar; davor brauchte sie Zeit für anderes, zum Nachdenken, fürs Leben. Soap&Skin hatte schlicht kein Bedürfnis nach Soap&Skin.

Heute sitzt Anja Franziska Plaschg, wie die 28-Jährige mit bürgerlichem Namen heißt, im Büro eines Plattenlabels in Wien-Margareten. Ganz in Schwarz gekleidet, das Haar streng nach hinten gekämmt. Bevor das Interview starten kann, gibt es Kaffee und eine selbstgedrehte Zigarette. Kurz durchatmen. Man möge das Aufnahmegerät doch ein wenig näher positionieren, mahnt die Künstlerin, immerhin spreche sie sehr leise.

Anja Plaschg ist keine, die ihre Kunst gerne erklärt. Sie versucht es trotzdem. Der Entstehungsprozess der zwölf neuen Lieder sei für sie mit viel Leid verbunden gewesen. "Bestimmte Vorstellungen meines Leben, Illusionen, die ich hatte, sind einfach so zerbrochen", sagt sie. Sie nahm diese Ernüchterung als Geschenk an, weigerte sich, daran zugrunde zu gehen. Für sie bleibt die Frage, wie man mit diesem Wissen gut leben kann. "Schwierig", sagt sie nur. Dass ihr neues Album gelassener klingen soll als ihre bisherigen Arbeiten, findet sie zwar absurd, bei genauerer Betrachtung ergebe der Befund aber durchaus Sinn.

Vor über zehn Jahren wurde aus Anja Plaschg, aufgewachsen auf einem steirischen Bauernhof, schlagartig die gefeierte Schmerzensfrau Soap&Skin. Mit schwermütigem Electro-TripHop und sanften Klavierstücken, einer markanten Stimme, die zwischen gehauchtem Gesang und kehligem Geschrei wechselte.

Dank ihrer intimen, oft auch dramatisch-pathetischen Songminiaturen wurde sie jäh zum Popwunderkind mit Kunstanspruch hochstilisiert. Da war sie gerade 17. Seit ihrem Debütalbum "Lovetune for Vaccuum" (2009) geistert Soap&Skin durch die internationale Musikszene. Sie komponiert für Theater, Filme und Fernsehserien; mit Ruth Beckermann hat sie vor drei Jahren die filmische Bachmann/Celan-Hommage "Die Geträumten" realisiert - aus der Filmarbeit entstand auch der aktuelle Song "Creep", in dem Bachmann zitiert wird.

Die Kunst dient Anja Plaschg als Selbstschutz. Auf "From Gas to Solid /you are my friend", ihrem dritten Album, stellt sie nun "eine Verbindung zur realen Welt her". Seit ihrem letzten Album ("Narrow") sind sechseinhalb Jahre vergangen. Sie habe sich im aktuellen Arbeitsprozess in ein organisches Soundgefühl verliebt; von den digitalen Beats, der elektronischen Musik, ihrer Arbeit am Laptop hat sie sich entfernt. Heute setzt sie auf analoge Percussion, die Saiten der Instrumente, auf Berührungen, das Atmen und die von Menschen erschaffenen Musikapparate. Gesampelt werden die Aufnahmen trotzdem noch, auch wenn andere Musiker im Spiel sind. Für den neuen, analogeren Klang benutzte sie zusätzlich field recordings, kleine Soundschnipsel, die sie seit gut einem Jahrzehnt sammelt. Auf dem neuen Album verschmelzt sie all dies zu einer hochemotionalen Musik.

Neben den zwei Seiten des Albums, in denen die Welt greifbar ("From Gas to Solid") und ein Brückenschlag versucht werden soll ("you are my friend"), haben vor allem die Themen Selbstachtung und Liebe entscheidende Rollen gespielt. Sie habe, sagt Plaschg, ihre eigene Weiblichkeit lange abgelehnt. "Ich habe oft behauptet, dass ich gerne ein Mann wäre." Auch ihre eigene Mutterschaft habe sich auf ihre Musik ausgewirkt. Das Album dient ihr zudem als Schutz. "Es ist ein guter Ort für mich", meint Plaschg im Gespräch - "und das ist hoffentlich auch für andere so."

Zerbrochene Illusionen. Die Musikerin Anja Plaschg alias Soap&Skin

Schutzsuchend ist sie auch in ihrer Arbeitsweise - die Künstlerin lebt zurückgezogen in ihrer Wiener Wohnung am Stadtrand. Das sei einer ausgeprägten Kontrollsucht geschuldet; die Produktionsweise im Wohnzimmerstudio sei zwar schrullig, sie habe ihre Technik aber stetig weiterentwickelt. Auch über Gastproduzenten habe sie nachgedacht, das Problem sei aber, dass bestimmte Star-Producer einen fast automatisch überschatten würden. Als Vertrauensperson dient ihr heute vor allem ihre Schwester. Es gebe noch ein paar enge Freunde, die hin und wieder in neues Material reinhören würden. "Richtig abhängig bin ich von der Meinung anderer aber nicht", sagt sie, "auch wenn ich mit Kritik kein Problem habe."

Kam der internationale Durchbruch vor neun Jahren vielleicht zu früh? Ihr schnüre es noch immer den Hals zu, wenn sie an die Zeit zurückdenke. Zu viel Schlimmes sei damals passiert, was ihr heute durchaus tragisch erscheine. Der ungezügelte Medienhype von damals, das Leben als Pophoffnungsträgerin hat sich stark in das Bewusstsein der Künstlerin eingebrannt. "Es ist schon unglaublich", sagt sie mit einem Lächeln, "dass ich nicht vollkommen verrückt geworden bin."

Soap&Skin: "From Gas to Solid / you are my friend" (Play It Again Sam)

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.