Neue Alben: Tyler, the Creator und Lana Del Rey

profil unerhört bespricht die neuen Alben von Lana Del Rey und Tyler, the Creator.

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Tyler, the Creator: Flower Boy (Sony Music)

„I’m the loneliest man alive“ rappt Tyler, the Creator auf seinem neuen Album „Flower Boy“. Kein Scherz, kein doppelter Boden. Der kalifornische Avantgarde-Rapper, der seit seinem Erfolgsalbum „Goblin“ (2011) vor allem durch homophobe Sprüche und weniger durch starke Songs aufgefallen ist, zeigt sich 2017 durchwegs von seiner verletzlichen Seite. Tyler Gregory Okonma, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, erzählt dabei überraschend offenherzig von den Unzulänglichkeiten des Alltags. Einsamkeit, Depression, verflossene Liebe, Zukunftsängste. Dass Tyler, the Creator auf „Flower Boy“ seine eigene sexuelle Ausrichtung (liebt der Schwulenhasser vielleicht doch Männer?) thematisiert und hinterfragt, oder alles nur ein gelungener PR-Stunt ist, darf jeder für sich herausfinden. Die 14 neuen Songs zeugen derweil von einer melancholischen Schönheit, die man dem 26-jährigen Rapper aus Los Angeles gar nicht zugetraut hätte. Da macht es nichts, dass Tyler, the Creator noch immer die tiefste und abgründigste Stimme im aktuellen US-HipHop besitzt.

Lana Del Rey: Lust for Life (Universal)

Die Frage, die man sich nach jedem neuen Lana-Del-Rey-Song stellt, ist, seufzt hier die Kunstfigur so schwermütig ins Mikrophon, oder doch die Frau dahinter? Lana Del Rey, geboren 1985 als Elizabeth Woolridge Grant in New York, erobert seit ihrem Überhit „Video Games“ die Herzen ihrer Anhängerschaft mit vordergründiger Rückwärtsgewandtheit. Sogar ihre Bühnenbewegungen scheinen so langsam, dass man leicht den Eindruck bekommt, sie würde in leisen Schritten Richtung Vergangenheit schreiten. Dass hier nicht nur die Musik, sondern vor allem ein All-American-Girl-Kunstwerk für den Erfolg verantwortlich ist, ist kein großes Geheimnis. Musikalisch bewegt sich die stets leicht narkotisiert wirkende Sängerin durch die Untiefen der 1960er-Jahre, grüßt zu Nancy Sinatra und gibt sich auf ihrem vierten Album „Lust for Life“ erstmals auch politisch. Mit einem okkultistischen Ritual wollte die 32-jährige Sängerin im Februar US-Präsident Donald Trump aus dem Amt hexen. Hat leider nicht geklappt; der Versuch wurde aber auf dem neuen Album dokumentiert. Lana Del Rey ist 50 Prozent gute Musik und 50 Prozent Gesamtkunstwerk. Das ist schon ok. Sein Herz sollte man an andere Künstlerinnen verschenken.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.