Paul Gallister
Musikproduzent Paul Gallister: „Ich muss ein Lied hören“

Musikproduzent Paul Gallister: „Ich muss ein Lied hören“

Paul Gallister, Produzent der Pop-Größen Wanda, über die Kunst, sich weiterzuentwickeln, Vertrauen als Basis jeder Zusammenarbeit und den Sommerhit „Cordula Grün“.

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Zwei Eiswürfel in das Sodazitron und einen Schuss heißes Wasser in den Espresso. Paul Gallister sitzt nach getaner Arbeit im Studio im Café Einbahn am Wiener Karmelitermarkt und erzählt von seinen aktuellen Projekten. „Ich arbeite gerade mit zwei Bands aus Deutschland zusammen. Aber mehr kann ich noch nicht verraten."

Über seine Arbeit als Produzent von Wanda und Der Nino aus Wien kann Gallister dafür umso mehr erzählen. profil hat mit dem 33-jährigen Musikproduzenten über die Gefahr, sich zu wiederholen, Vertrauen als Grundlage seiner Arbeit und den Sommerhit „Cordula Grün“ gesprochen.

Interview: Stephan Wabl

profil: Was muss für Sie ein guter Produzent können? Paul Gallister: Auf der einen Seite gibt es organisatorische und technische Aufgaben, die ein Produzent übernimmt. Da geht es zum Beispiel um den Ort der Aufnahme, was nehme ich mit wem auf, welche Mikrophone brauche ich dafür. Auf der anderen Seite steht der künstlerische Beitrag, der für mich spannender ist. Denn ich bin niemand, der nur auf „Aufnahme“ drücken möchte. Ich mache keine Projekte, bei denen ich mich nicht einbringen kann. Mir geht es darum, dass ich etwas zu einem Song hinzufügen kann und er dadurch besser wird. Das Ausgangsmaterial muss aber schon gut sein, damit es durch die Zusammenarbeit mit dem Musiker weiter wachsen kann.

Bekomme ich ein Lied nicht mehr aus dem Kopf, dann will ich an dem Song weiterarbeiten.

profil: Was muss ein Song haben, damit er Sie anspricht und Sie daran arbeiten wollen? Gallister: Der Song muss noch lange nicht fertig sein, damit er meine Aufmerksamkeit erregt. Es ist egal, wie der Song zunächst aufgenommen wurde. Das kann eine Demo auf dem Handy sein oder nur mit Gitarre gespielt sein. Wenn ich etwas höre, das ich nach einem Mal hören sofort wiedererkenne, dann ist mein Interesse geweckt. Ein guter Refrain, eine gute Strophe oder eine bestimmte Stimmung genügt oft. Bekomme ich ein Lied nicht mehr aus dem Kopf, dann will ich an dem Song weiterarbeiten.

profil: Wie war das bei den Anfängen von Wanda? Gallister: Marco Wanda, der Sänger, hat mir Demos gezeigt, als es die Band noch nicht gegeben hat. Darauf waren nur sein Gesang und Gitarre. Ich habe die Lieder gehört und mir gedacht, das ist wahrscheinlich das beste, das ich in meinem Leben gehört habe. Abgesehen vielleicht von den Beatles. Ich fand den Gesang toll und die Texte ausgesprochen gut. Ich konnte mir einfach jedes Wort merken. Die Wort-Ton-Beziehung war super, also die Art und Weise, Wörter und Melodien miteinander zu verknüpfen.

profil: Aktuell ist der Song „Cordula Grün“ von Josh. der heimische Sommerhit. Funktioniert dieser Song ähnlich? Gallister: Bei „Cordula Grün“ ist der Refrain entscheidend. Ich hab das Lied selbst auf YouTube gehört und konnte den Refrain sofort nachsingen. Der funktioniert einfach. Außerdem sind die Leute hinter dem Lied alle gute Produzenten und Musiker. Die wissen, was sie tun.

profil: Ö3 hat wesentlich zum Erfolg des Liedes beigetragen. War Wanda da ein Türöffner? Gallister: Das glaube ich schon. Als Wanda vor fünf Jahren angefangen haben, hatte es deutschsprachige Musik mit einer österreichischen Identität sehr schwer. Das hat sich geändert und davon profitiert „Cordula Grün“ sicherlich. Bei Wanda hat es viel länger gedauert, bis sie auf Ö3 liefen, obwohl ihre Songs im Internet schon Millionen Zugriffe hatten.

Das Wichtigste ist, dass sich die Band weiterentwickeln will.

profil: Kann man so einen Sommerhit planen? Gallister: Planbar ist das sicher nicht. Aber man kann seine Arbeit so gut wie möglich machen und dann schauen, wohin die Reise geht. Ich habe zum Beispiel im Frühling den Song „Hitzewelle“ mit dem Indie-Artist „Der traurige Gärnter“ produziert. In dem Lied geht es zwar nicht um den Sommer, aber bei diesem Titel hat es sich angeboten, ihn rechtzeitig zur heißen Jahreszeit rauszubringen. Das Lied wird derzeit auch auf FM4 regelmäßig gespielt.

profil: Für Wanda haben Sie alle drei Alben produziert. Wie sehr muss man aufpassen, um sich nicht zu wiederholen? Gallister: Das Wichtigste ist, dass sich die Band weiterentwickeln will. Denn wenn man das macht, was man beim letzten Album gemacht hat, werden einerseits die Neider sagen, dass es eh wieder das Selbe ist. Aber auch die Leute, die einem Erfolg wünschen, werden sagen, dass es nichts Neues ist. Ich halte es für gut, wenn man immer versucht, etwas ganz Neues zu machen. Das trauen sich eher wenige. Aber ich glaube, auf einem neuen Album etwas zu machen, das weit weg entfernt von den alten Sachen ist, zahlt sich immer aus. Und live ist Abwechslung immer gut. Aber natürlich muss man die Fans auch dort abholen, wo man sie mit den früheren Arbeiten verabschiedet hat.

profil: Wie war das konkret bei Wanda? Gallister: Da waren schon die Ideen beim dritten Album ganz anders als bei den Vorgängern. Also war auch keine große Überredungskunst nötig, um zu sagen: Probieren wir was Anderes. Auf dem dritten Album sind einige Lieder - 0043 oder Schottenring – die hätten wir früher nicht gemacht. Da kommen völlig abgefahrene Instrumente zum Einsatz. Gleichzeitig hört man Marco – dem Sänger – immer noch gerne zu. Auch deshalb, weil er etwas sagen will. Und solange er etwas zu sagen hat, will man ihm auch zuhören. Das ist auch so beim Nino aus Wien.

Der Nino aus Wien hat sicherlich nicht genau gewusst, was bei diesem Versuch rauskommt. Aber er hat mir vertraut.

profil: Im Unterschied zu Wanda sind Sie beim Nino aus Wien erst später als Produzent dazugekommen. Ist es da schwieriger, sich einzubringen? Gallister: Nein, denn der Nino ist offen für alle Ideen. Das Album, das wir gemeinsam gemacht haben und im Oktober erscheint, ist sein zehntes in zehn Jahren. Trotzdem kann man mit ihm immer alles probieren. Er hat auch einen unglaublichen Output und ist offen für die Zusammenarbeit. Manchmal kommt er bei mir vorbei und spielt mir in meiner Küche neue Lieder vor. Ich höre mir das an und mache Anmerkungen zu Akkorden oder Ähnlichem. Das mache ich bei allen Projekten und Bands.

Aber vor allem kann ich beim Nino auch sagen, dass ich diesen oder jenen Song gerne in einem anderen Gewand ausprobieren möchte. Auf dem neuen Album gibt es einen Song, der heißt „Wach“. Dieser Song war ursprünglich nur mit Gitarre und 5 Minuten 30 Sekunden lang. Das ist nur mit Gitarre nicht so leicht durchzuhalten. Ich habe Nino dann vorgeschlagen, die Band Franui einzuladen, die Musik zu spielen und Nino soll ein bisschen später mit Gesang und Gitarre einsteigen. Franui ist ein Ensemble zwischen Volksmusik, Jazz und Klassik. Ich habe die Musik dann für sie aufgeschrieben, die Musiker haben einmal geprobt und es dann aufgenommen. Und diese Live-Version ist jetzt auf dem Album. Der Nino hat sicherlich nicht genau gewusst, was bei diesem Versuch rauskommt. Aber er hat mir vertraut und sich darauf eingelassen. Das ist schön und wichtig. Denn der Musiker oder die Band muss mir vertrauen, damit wir gemeinsam die Songs weiterentwickeln können.

profil: Sehen Sie auch einen gewissen Bogen von Der Nino aus Wien bis zu dem aktuellen Hit „Cordula Grün“? Denn als Nino mit seiner Musik vor zehn Jahren begonnen hat, war Musik aus Österreich nicht sehr beliebt. Gallister: Musikalisch ist das schon unterschiedlich. Aber es ist in den letzten zehn bis 15 Jahren schon einiges passiert, das es jungen deutschsprachigen Bands leichter gemacht hat, Aufmerksamkeit zu bekommen. Dazu haben auch Bands wie Bilderbuch oder Ja, Panik! viel beigetragen, weil sie außerdem in Deutschland populär sind. Man darf aber nicht vergessen, dass eine Band wie Ja, Panik! in Österreich lange ignoriert wurde. Ihre Lieder wurden maximal auf FM4 gespielt. Dabei wäre ein Song wie „Libertatia“ aus dem Jahr 2014 heute auch ein Sound, der auf Ö3 gespielt werden könnte. Damals war das undenkbar.

Zur Person Paul Gallister (33) hat Komposition an der Universität für Musik und darstellende Kunst studiert. Er hat alle drei Wanda-Alben und die letzten zwei sowie das kommende Album von Der Nino aus Wien produziert. Als Komponist für Filmmusik hat er unter anderem den Score für „Angriff der Lederhosenzombies“ und „Die Mitte der Welt“ geschrieben.