Ernst Fuchs, 1930-2015.

Rettungsanker: Ernst Fuchs, 1930-2015

Drei Exponenten der Wiener Kunstszene über den vergangene Woche verstorbenen Wiener Malerfürsten.

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Die Distanz, die große Teile des Wiener Kunstbetriebs zu Ernst Fuchs hielten, war jahrzehntelang unübersehbar. Dabei war Fuchs, der am Montag vergangener Woche in Wien 85-jährig starb, Mitbegründer des Phantastischen Realismus. Nach 1945 zählte die Kunstrichtung zur heimischen Avantgarde. Drei Kenner erinnern sich an den Maler.

Oswald Oberhuber, Jahrgang 1931, Künstler

Fuchs und ich waren in unseren Haltungen völlig konträr. Dennoch fand und finde ich es interessant, dass es auch in Österreich eine ganze Reihe von Künstlern gab, die universell arbeiteten. Fuchs zählte dazu. Er beschäftigte sich mit Architektur, Bildhauerei und Malerei, er setzte sich mit dem Gedanken des Gesamtkunstwerks auseinander. Er hat ja auch ein Hotel gebaut. Von außen betrachtet wirken seine Gebäude fantastisch, fast wie Schlösser. In der Malerei hat Fuchs gefühlsbezogen gearbeitet, sogar religiös. Er erinnerte sich an die jüdisch-christliche Urgeschichte und interpretierte diese in seinen Bildern, auf fabulierende Art. Ich kenne seine Arbeiten schon sehr lange, auch aus den frühen Ausstellungen. Als ich 25 war, hat mich dieses Fantastische beeindruckt. In den 1950er- und 1960er-Jahren wurden Fuchs und die Phantastischen Realisten von der öffentlichen Hand immens gefördert. Fuchs bekam alle möglichen Aufträge. Es war damals fast unmöglich, sich als Künstler gegen die Phantasten durchzusetzen. Ihre Kunst hat sich inzwischen überlebt. Heute sieht man kaum etwas davon in Galerien oder Museen, sie ist praktisch verschwunden - was ich als ungerecht empfinde.

Matthias Boeckl, Jahrgang 1962, Ausstellungskurator, Professor an der Universität für angewandte Kunst

Es gab zwischen den abstrakten Künstlern und den Phantastischen Realisten einst einen Lagerkrieg, der mit absoluter Vehemenz betrieben wurde. Diese Konfrontation existiert in ihrer Zuspitzung längst nicht mehr. Meine Generation erkennt viel zu wenig, dass der Phantastische Realismus am Anfang eine Rebellion war - auch wenn diese die Abstrakten für sich gepachtet zu haben glaubten. Sie warfen den Phantasten Kitsch vor, was zumindest für deren frühe Phase ungerecht war. Handwerklich arbeiteten die Phantastischen Realisten schließlich auf einem hohen Level, ebenso inhaltlich. Sie unterbreiteten ihrem Publikum beachtliche Denkangebote: Ein abstraktes Gemälde ließ sich für viele nicht so leicht nachvollziehen - etwas wie Ernst Fuchs’ "Moses vor dem brennenden Dornbusch“ dagegen schon. Damit agierte er auch als ein Brückenbauer für jene Menschen, die über kein großes Kunstwissen verfügten. Auch viele Sammler wurden von ihm zur Kunst gebracht. Das gelang Fuchs durch sein Auftreten als Malergenie. Auch wenn die Phantasten von Teilen des Kunstbetriebs nicht beachtet wurden: Ernst Fuchs hatte deshalb sicher keine schlaflosen Nächte. Die Phantasten hatten stets ihre eigenen Märkte. Heute erodieren freilich die Preise. Bei anderen Künstlern werden die Spätwerke aber ebenfalls dünner, das ist kein Spezifikum des Ernst Fuchs. Hermann Nitsch wiederholt sich auch längst.

Franz Smola, Jahrgang 1963, Kunsthistoriker

Ernst Fuchs war für viele Menschen, die der Kunst fern stehen, eine Art Rettungsanker - und zwar deshalb, weil er es verstand, altmeisterlich zu malen, auch wenn das in der zeitgenössischen Kunst schon lange keine Gütekategorie mehr ist. Er hat sein Wunderkind-Image stets gefördert, seine Selbstinszenierung als Malerfürst war meisterlich. Dass er es verstand, sich derart als Kunstfigur zu stilisieren: Dafür muss man ihm Respekt zollen. Aus soziologischer Sicht ist diese Begabung für das Entertainment, dieses Fürstengehabe anerkennenswert - ebenso, wie er es aus eigener Kraft geschafft hat, aus bitterarmen Verhältnissen aufzusteigen. Mit seinem Spätwerk haben wir als Kunsthistoriker jedoch enorme Probleme, weil es häufig ins Triviale tendiert. In seinen frühen Arbeiten fand er in seiner Motivschöpfung aber originelle Lösungen. Er besetzte eine Nische, gemeinsam mit den anderen Phantastischen Realisten, die ein großes Publikum erreichte. Dieses wurde jedoch später, in den 1970er-Jahren, fast inflationär mit Druckgrafiken bedient. Viele Sammler stiegen mit den Phantasten ein - und stießen dann zu komplexerer Kunst vor. Fuchs konnte Interesse wecken. Als Phänomen war er etwas ganz Besonderes.

Nina   Schedlmayer

Nina Schedlmayer