Nestbeschmutzer?
In der Öffentlichkeit ist dem Tiroler Fotografen früh die Rolle des Nestbeschmutzers zugeteilt worden, die er bis heute nicht losgeworden ist, die er allem Anschein nach fröhlich auslebt.
Seine Ausstellungen wurden in Tirol verboten, Plakate zu einer seiner Diashows heimlich abgehängt; die Zillertaler Schürzenjäger strengten erfolglos eine Verleumdungsklage an, weil er die Fans der Band ungeschönt vor sein Objektiv gerückt hatte. Ein Bauer schlug vor, den Fotografen mit der Schaufel zu erschlagen. „Drecksau“ wurde Hechenblaikner angeknurrt, Schläge wurden ihm oft angedroht, Drohbriefe bekommt er regelmäßig zugestellt.
Dabei wird Hechenblaikner seit Dekaden böswillig missverstanden, seine Liebe zu Land und Leuten mit Hass und Verachtung verwechselt. Der Überbringer der schlechten Botschaft wird bestraft, das war schon bei den alten Griechen so. Sehr frei nach Thomas Bernhard: Hechenblaikners Hassliebe zu Tirol ist letztlich der Schlüssel zu allem, was er fotografiert. Er käme jedoch nie auf die Idee, gegenüber den „Bergdoktor“-Wallfahrern beim Bauernhof Hinterschnabel Gezeter und Gemaule anzustimmen.
Er stellt Menschen nicht an den Pranger. Hechenblaikner betreibt, wie er sagt, „fotografische Kultursoziologie“. Moralisches Zeigefingerwackeln ist ihm fremd. „Der Hintergedanke war immer: Schaffe ein Dokument, das über Bilder eine Beweiskette liefert. Damit keiner mehr sagen kann: Das ist alles nicht so gewesen, das war alles halb so schlimm.“ Kurze Nachdenkpause: „Der pathologische Zweig im Tourismus ist zweifelsfrei eine gewisse Priorität in meinem fotografischen Werk.“ Billigen Spott und höhnisches Gelächter lässt er dabei links liegen. Hechenblaikner schaut hin, wo andere wegschauen.
Tirol als Drogenumschlagplatz
„Tourismus in Tirol ist vielfach zur obszönen Tourismusmasche degeneriert“, sagt er. „Ein exzessiv überzogener Wirtschaftszweig, der genau eine perfide Absicht verfolgt: Umsatzbeschleunigung. Als zusätzlicher Brandbeschleuniger wirken die Sturzbäche von Alkohol. Der völlige gastronomische Verfall, gerahmt von regelmäßigen Schlägereien.“ Alkohol sei, sagt Hechenblaikner, eine Droge. „Insofern ist Tirol einer der größten legalen Drogenumschlagplätze Europas.“
Später an diesem kühlen Sommertag steht er am Speicherteich Hartkaiser, 1520 Meter Seehöhe, Wasserfläche von über 16.000 Quadratmeter, ums Eck von der Bergstation der Hartkaiserbahn, Gemeindegebiet von Ellmau am Wilden Kaiser. Wilder Kerl vor dem Panorama des Wilden Kaisers.
Hechenblaikner ist von sympathischer Sturschädeligkeit, ein so freundlicher wie heiterer Hochdruckredner, dessen Sätze von Lachsalven durchdonnert sind. Bei aller äußeren Ruhe, die dieser Mann ausstrahlt, spürt man, wie es in ihm brodelt.
Er läuft immer dann zu Hochform auf, wenn er in erdigem Tirolerisch Szenen seiner ungezählten Scharmützel mit heimischen Orts- und Bergbahnen-Kaiser nachspielt: „Ich kenn di!“, schraubt Hechenblaikner seine Stimme in einen dröhnenden Bass hinauf. „Ich weiß, wer du bist! Du bist gegen uns, und ich bin gegen di!“ Polterndes Lachen.
Leicht möglich, dass nun wieder einige gegen Hechenblaikner sein werden. Der Grund dafür ist die Installation „Schnee von morgen“, die kommendes Wochenende eröffnet und den Speicherteich Hartkaiser bis Ende November bespielen werden wird. Hechenblaikner hat als Thema den Klimawandel gewählt.
Weißes Gold
Man muss kein Experte sein, um zu bemerken, dass die Natur dem Tourismus allmählich ihren Beistand aufkündigt. Temperaturanstieg, Schneerückgang, Verkürzung der Ski-Saison. Damit die ökonomische Basis der Tourismusorte nicht zunehmend bedroht ist, hat man damit begonnen, Speicherteiche für den Betrieb der Schneekanonen zu bauen.
Die grünen Sommerwiesen – von martialisch wirkenden Schneekanonengeschützen verunziert. Die bergigen Hügellandschaften – von 156 Speicherteichen zerfurcht, aus deren Wasservorräten Kunstschnee produziert wird, die in ganz Tirol einen reibungslosen Winter garantieren sollen. Scheinbar idyllische Bergseen? Reine Augenauswischerei.
22.000 Schneekanonen sind in Tirol, dem wohl größten Wintertourismusgebiet der Alpen, im Einsatz, jedes Jahr werden über acht Milliarden Euro Umsatz mit den Gästen gemacht, 50 Millionen Übernachtungen pro Jahr gezählt. Manch einer spricht hier vom „weißen Gold“. Schnee ist ein seltenes Gut geworden in einem Landstrich, der jeden Winter in einer Mischung aus Volksfest, Saufgelage, Funktionskleidung und Abenteuerlust unter Kunstweiß versinkt.
„Werfe ich ein Glas auf eine Wiese, ist es gut möglich, dass das Gefäß den Wurf unbeschadet übersteht“, sagt Hechenblaikner am Speicherteich ins Froschgequake hinein. „Schmettere ich dagegen eine Glasflasche auf Beton, geht sie mit großer Wahrscheinlichkeit in Brüche. Ein Sturz auf Naturschnee hat geringere Verletzungen zur Folge als ein Fahrfehler auf hartem Kunstschnee. Kunstschnee ist gefrorenes Wasser. Eine Art Freizeitbeton.“
Aus der Ferne wirken die 220 bunten Skier aus Altstoff-Sammelstellen, die bei „Schnee von morgen“ zu drei Viertel ihrer Länge senkrecht aus dem Speicherteich ragen, wie malerische Ausrufezeichen, die sich sanft im Wind wiegen.
Hechenblaikner streut gebogene Skispitzen als Widerhaken in die Landschaft. Er enttarnt die Bergseeidylle als Schimäre des Schneenotstands. Hechenblaikner möchte, dass man der Gegend, in der er lebt, seine beharrliche Arbeit gegen die Unkultur eines zügellosen Fremdenverkehrs irgendwann ansieht.