Aufgedreht

"Too Hot To Handle" auf Netflix: Küssen kostet 6000 Euro

Voyeurismus und Frühlingsgefühle: Warum die Netflix-Reality-Show „Too Hot To Handle“ so erfolgreich ist.

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Räumen wir hier mit einem Vorurteil auf, das sich in der Popkultur hartnäckig hält: Es gibt keine guilty pleasures. Denn warum sollte man sich schlecht fühlen, wenn einem Songs, Bücher, Filme oder TV-Serien, die der anspruchsarmen Unterhaltung dienen, Wohlgefühl vermitteln? Die äußerst erfolgreiche Reality-Show „Too Hot To Handle“, die jetzt mit einem deutschen Ableger auf dem Streamingdienst Netflix gestartet ist, stellt die Frage des peinlichen Vergnügens ohnehin nicht mehr; das lässt die Prämisse der zehnteiligen Show gar nicht zu. Wenn hier zehn junge und – Zitat – hotte Menschen unter vermeintlich falschen Vorzeichen in ein Inselparadies gekarrt werden und ihnen die Teilnahme am fiktiven Dating-Format „Tropical Desire“ vorgegaukelt wird, sind wir Teil eines TV-Experiments.

Im Gegensatz zu ähnlichen Trash-Formaten werden Fummeln, Schmusen und Kopulieren zwar auf alle erdenklichen Arten forciert, aber strikt geahndet (ein Zungenkuss kostet 6000 Euro) – und dezimiert so die Gewinnsumme, um die hier gespielt wird. „Too Hot To Handle“ ist, gescriptet oder nicht, eine Show in der Show; das Meta-Reality-Fernsehen blickt hier mit Argusaugen auf die eigenen Auswüchse zwischen „Perfect Match“ und „Der Bachelor“. Dass es dabei vordergründig um Askese und „tiefgründige Bindungen“ geht, legt nur den Voyeurismus vor den Endgeräten offen. Experiment geglückt.

Jetzt auf Spotify: Die Songs der Woche von Lena Leibetseder und Philip Dulle in der Aufgedreht-Playlist. Jeden Freitag neu.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.