In Öl und Leder

Wanda und „Amore“: In Öl und Leder

Pop. Wanda sind die Wiener Band der Stunde. Warum eigentlich?

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Ein Caféhinterzimmer in Wien-Leopoldstadt, Resopal in dunkelgerauchten Brauntönen, die Band Wanda bestellt Bier und Spritzer (es ist früher Nachmittag) und versucht, auf einem herumstehenden Transistorradio die Frequenz von Radio Arabella zu finden. Und dann zerstört Marco Michael Wanda, Sänger und Songschreiber der Band, gleich mit dem ersten Satz das schöne Klischee von der räudigen Vorstadtband. Er spricht druckreif, mit klar betonten Silben, er verwendet das Imperfekt, wenn es nötig ist, und ist um keinen philologischen Fachbegriff verlegen. Das ist nicht nur in diesem Ambiente überraschend, sondern vor allem auch im Kontext dieser Band.

Denn Wanda sind, man muss das so deutlich sagen, Rock’n’Roll. Die Bierdose im Anschlag, mit keckem Wiener Slang und grandiosen Posen singen sie von den Mädchen und vom Schnaps, es geht ums Abstürzen und Liegenbleiben, Frauen heißen bei Wanda vor allem „Baby“, es wird geprügelt und gesoffen: „Baby, du weißt ganz genau, dass’ uns auf die Goschen hauen / Weil wir san schwach.“

Noch vor einem Jahr waren Wanda selbst Kennern der Wiener Indie-Szene eher kein Begriff, vor einem halben Jahr veröffentlichten sie ihre erste Single, heute gelten sie als größte Hoffnung auf eine neue, scharfe Zeit im heimischen Musikbetrieb, als eine Art Missing Link zwischen Undergroundkeller und Mainstream-Charts. Marco Wanda irritiert das kaum: „Wie alles hat diese Entwicklung zwei Seiten. Eine technische, die auf dem Wiedererkennungswert unserer Musik basiert. Und eine esoterische: Ich habe das Gefühl, man hat auf uns gewartet, und wir haben auf man gewartet. Ich halte das, auch um unserer Gesundheit willen, für eine Art von Spiel. Es ist sehr interessant zu schauen, wie weit wir damit gehen können. Wo es ansteht, wird es anstehen. Aber momentan fühlt es sich für uns nicht so an, als würde es überhaupt anstehen können.“

Das tut es auch für Außenstehende nicht. Noch vor der Veröffentlichung ihres Debüts „Amore“ setzen Radiosender im ganzen deutschsprachigen Raum ihre Lieder auf die Playlists, stehen Wanda in diversen Download-Charts weit oben. Man kann das nachvollziehen, denn Wandas Songs zielen aufs Große ab, auf knallharten Pop. Sie dauern konsequent zwischen drei und vier Minuten, bieten knackige Refrains, clevere Anspielungen und aus der Hüfte geschwungene Anlehnungen an The Clash, Falco, Adriano Celentano und Wolfgang Ambros – und dazu auch noch so wunderbar lebenskluge Textzeilen wie diese: „Tu mir weh, Luzia, oder irgendwer anders tut’s statt dir.“

Das klingt zu schön, um wahr zu sein. Ist Wanda womöglich so etwas wie Konzeptkunst? Marco Wanda: „Wir neigen nicht dazu, unsere Musik
intellektuell zu überfrachten. Uns interessiert die Konzertsituation und die Man-hört-uns-vor-dem-Schlafengehen-Situation. Der Rest interessiert uns nicht. Wobei, ein Konzept gab’s: Es musste jedem in der Band die
Lederjacke wie angegossen stehen.“

Bei allem Exzess in Auftreten und Inhalten ist Wanda keine Rockband aus dem Popakademie-Lehrbuch, aber auch kein Selbstzerstörungstrip à la Pete Doherty, sondern etwas dazwischen: ein Produkt ernsthaft gelebter Ironie, das auch von Charisma lebt, und von der falschen, aber im Pop durchaus erwünschten Verwechslung von Songtext und Realität. Früher hätte man zu der Figur, die durch diese Wanda-Songs taumelt, vielleicht Strizzi gesagt oder Hanno Pöschl, heute wahrscheinlich: Modernisierungsverlierer. Dieser Typ flirtet mit der Verweigerung, trinkt und raucht, bis es nicht mehr geht – ein klarer Fall, wie es scheint. Dem Autor selbst erscheint es anders: „Ich glaube, dass der Ich-Erzähler dieser Songs sehr oft zu Unrecht mit einer Art von männlichem Macho verwechselt wird. Ich glaube nicht, dass dieser Erzähler überhaupt ein Geschlecht hat. Er benennt auch nicht, wo es schmerzt, er hält es allgemein und wird zu einer Projektionsfläche. Wie ein Schamane, der die Gefühle einer Gruppe aufsaugt und spiegelt.“ Dass dieser Typ seine Lederjacke nur zur Verkleidung trägt, scheint freilich ausgeschlossen. Sie steht ihm schlicht zu gut. Und ja: Darauf hat man wirklich gewartet.

Wanda: Amore (Problembär Records, VÖ: 17.10.)
Release-Show am 17.10. im Wiener Chelsea.

Sebastian Hofer

Sebastian Hofer

schreibt seit 2002 im profil über Gesellschaft und Popkultur, ist seit 2020 Textchef dieses Magazins und zählt zum Kernteam von faktiv.