Doppelbödiger Kriminalplot. Joaquin Phoenix und Emma Stone in "Irrational Man".

Woody Allens „Irrational Man“: keine Schuld ohne Sühne

Woody Allens „Irrational Man“: keine Schuld ohne Sühne

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Schuld und Sühne sind alte Bekannte im Schaffen des New Yorker Filmemachers Woody Allen. Sei es die Historiensatire „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“ (1975), in der Allen damit hadert, Napoleon zu erschießen, oder Martin Landau als gefeierter Arzt in „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ (1990), der seine Geliebte von einem Auftragsmörder aus dem Weg räumen lässt, seien es die Irrungen und Wirrungen in „Match Point“ (2005), einem seiner letzten großen Kritikererfolge. Diesmal ist es der abgehalfterte Philosophieprofessor Abe Lucas (Joaquin Phoenix), der als Neuankömmling in einer Kleinstadt-Uni nicht nur das Leben einer unglücklichen Professorin (Parker Posey) und einer Studentin (Emma Stone) auf den Kopf zu stellen vermag, sondern auch den Entschluss fasst, seinem Leben mittels eines ethisch, wie er meint, gerechtfertigten Mordes einen neuen Sinn zu geben. Eine Geschichte, wie Allen sie in großer Auswahl in petto zu haben scheint.

Für Woody Allen ist ein neuer Film nur eine lose Idee aus der untersten Schreibtischschublade.

Das Problem neuer Woody-Allen-Filme ist, dass sie meist schon im Kino landen, wenn die Idee erst beim Produzenten liegen sollte. Der 79-jährige Regiestar, der seit Dekaden unaufhaltsam jedes Jahr einen neuen Film veröffentlicht, scheint dann gedanklich jeweils längst bei seinem nächsten Filmprojekt zu sein. Einen überdurchschnittlich guten Film, zuletzt das Oscar-prämierte Abstiegsmelodram „Blue Jasmine“ (2013), bringt Allen nur alle paar Jahre zusammen. Für ihn ist ein neuer Film eben nur eine lose Idee aus der untersten Schreibtischschublade; ein unaufgeregter Plot, zwei hübsche Protagonisten, ein Tête-à-Tête und ein witziger Twist am Schluss. Mehr benötigt der Altmeister nicht, um seine Fans Jahr für Jahr bei Laune zu halten.

Fazit

Nach der enttäuschenden Mysterykomödie „Magic In The Moonlight“ (2014) ist Allen ein durchaus amüsanter Film gelungen. Der ewige Skeptiker untergräbt dabei philosophische Theorien zu moralischem Handeln mit einem doppelbödigen Kriminalplot. Das Problem dabei ist, dass Allen in seiner Komödien-Thriller-Fantasie keinem dieser Genres gerecht wird. „Irrational Man“ ist weder besonders witzig, noch besonders spannend; auch wenn in der Allen’schen Erzählweise, in den Dialogen und Charakteren (vor allem im Dreigespann Phoenix, Stone und Posey), hie und da noch die geniale Ader des Regisseurs aufzublitzen scheint. Zumindest die Wendung am Schluss, so viel darf hier verraten werden, ist in „Irrational Man“ wirklich gut. Für Woody Allen, der bereits an einem neuen Film mit Jesse Eisenberg und Kristen Stewart arbeitet, bleibt immerhin die Hoffnung, dass sein geplantes Serienprojekt mit dem Amazon-Streamingdienst den Altmeister noch einmal aus der Schaffenslethargie reißen wird.

Philip Dulle

Philip Dulle

1983 in Kärnten geboren. Studium der Politikwissenschaft in Wien. Seit 2009 Redakteur bei profil. Hat ein Herz für Podcasts, Popkultur und Basketball.