Leitartikel: Christian Rainer

Christian Rainer Ausländer ist nicht Ausländer

Ausländer ist nicht Ausländer

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Das wichtigste innenpolitische Thema des kommenden Jahrzehnts und wohl darüber hinaus heißt „Ausländer“. Was Österreich bisher gesehen hat – seit Jörg Haider den Aufstieg der Freiheitlichen damit zündete –, war nur ein Vorgriff auf alles, was noch kommt oder was bereits in kleinen Dosierungen explodiert. Die Wien-Wahl im Herbst dürfte der FPÖ zwischen 25 und 30 Prozent bringen; Heinz-Christian Strache wird dabei ausschließlich mit dem Thema Zuwanderung Wähler generieren. Und dann werden die Töne der beiden (anderen) Großparteien noch tönender werden, ihre Maßnahmen noch weniger maßvoll – der zweifelhaften These folgend, mit dieser Übersteuerung könnten die Xenophobie und damit die FPÖ aufgehalten werden.

Was ist schiefgelaufen, und was wäre zu tun? Drei Punkte, warum die Voraussetzungen für eine Bewältigung der Aufgabe eigentlich nicht so schlecht wären. Erstens: Der Ausländeranteil in Österreich ist über die vergangenen 20 Jahre extrem gewachsen. Daher ist das vorliegende Problem kein virtuelles, sondern hat ­reale Ursachen und kann daher real gelöst werden.

Zweitens: An diesem Zuwachs ist die Politik nicht schuld, vielmehr sind Geschichte und Geografie kausal: die Implosion des Vielvölkerstaats Jugoslawien in mehreren Kriegen, der Fall des Eisernen Vorhangs und die langen Grenzen der Republik mit den verarmten und undemokratischen Staaten, die bis 1989 hinter diesen Grenzen gelegen hatten.

Drittens: Angesichts der schnellen Entwicklung darf man die Zustände in Österreich als nachgerade harmonisch bezeichnen. Es brennen keine Asylantenheime. Die Ausländerfeindlichkeit ist bisher vor allem ein klimatisches und politisches ­Phänomen, wenn auch ein ekel­erregendes.

Aus diesen Erkenntnissen ergibt sich eine zentrale Handlungsanweisung an die österreichische Politik – sprich die derzeitige Regierung –, um wieder Herr der Lage zu werden: ausnahmsweise die Wahrheit sagen. Zum Beispiel eben jene Tatsache, dass Österreich eine massive Zuwanderung zu verbuchen hatte oder dass die Integration in Wohneinheiten und Schulen nicht gut funktioniert, dass sie vielleicht aufgrund des massiven Andrangs auch nicht funktionieren konnte, dass die Zuwanderung aber inzwischen genauso massiv abgenommen hat.

Zu diesen Wahrheiten gehört auch, dass Ausländer nicht Ausländer sind. Die hunderten Leserbriefe, Mails, Postings an profil als Folge unserer Wahl von Arigona Zogaj zum „Menschen des Jahres“ sind vielfach Dokumente von Vorurteilen und Fehlurteilen. Ein zentraler Vorhalt: Die Asylanten im Allgemeinen, fleischgeworden als Arigona Zogaj, seien verantwortlich für den Auto- und den Wohnungseinbruch, den jeder Einzelne angeblich selbst erlebt hat.

Frage: Wann hat die Innenministerin zuletzt darauf hingewiesen, dass die einschlägige Ausländerkriminalität fast ausschließlich von osteuropäischen Banden begangen wird, die Österreich ebenso schnell verlassen, wie sie eingereist sind? Asylanten? Flüchtlinge? Saisoniers? Immigranten? Mitnichten.

Maria Fekter hat das niemals gesagt, vermutlich weil sie die Wichtigkeit dieser Differenzierung nicht erkennt oder aber im Glauben, nur Weicheier würden beim Ausländerthema differenzieren, oder gar, weil sie das Versagen ihrer Polizeibehörden bei der Bandenkriminalität nicht ansprechen will. Stattdessen baut sie Asylanten­lager, als wäre sie in Legoland.

Ein weiterer vielfach dokumentierter Vorwurf: Ausländer seien Schmarotzer. Wann und wie oft hat ein Regierungsmitglied vorgerechnet, dass die Abgaben der Ausländer in Österreich weit höher sind als die erhaltenen Transferleistungen, der Vorwurf des Schmarotzens also haltlos ist? Nicht erinnerlich. Auch hier überwiegt wohl die Angst der Politiker, sie könnten wegen dieser Rechnung von der „Krone“ als „Gutmenschen“ denunziert werden.

Schließlich: Ein Gutteil der xenophoben Anwürfe wird mit vorgeblich persönlichen Erfahrungen im Umgang mit Ausländern unterfüttert. Frage: Wann wird der Kardinalerzbischof von Wien den Lesern seiner „Krone“-Kolumne erklären, dass entsprechende Vorwürfe in den „Krone“-Leserbriefspalten nur wenige Seiten weiter ein falsches Bild der Wirklichkeit abgeben, sei es durch die Auswahl der Briefe, sei es durch die verzerrte Wahrnehmung der Autoren? Eure Eminenz, wir warten.

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