Elfriede Hammerl: Frauenkörper

Im Staatsbesitz. Verliehen. Reglementiert. Unterworfen.

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In Polen: Verschärfung der Abtreibungsbestimmungen. Nicht dass sie bisher liberal gewesen wären, aber jetzt sollen Frauen auch dann unerbittlich zum Austragen einer Schwangerschaft und zum Gebären gezwungen werden, wenn der Fötus schwer geschädigt und vorhersehbar nicht überlebensfähig ist. Polens Frauen gehen dagegen wütend auf die Straße, sie demonstrieren und streiken. Dass sie Erfolg haben werden, ist nicht gesagt. Dem polnischen Staat zur Seite steht eine dort fundamentalistische katholische Kirche, der das Leben einer Schwangeren weniger wert ist als das eines Ungeborenen. (Noch 2004 sprach Papst Johannes Paul II. die italienische Kinderärztin Gianna Molla heilig, weil sie lieber an einem Gebärmuttertumor starb, als ihre Schwangerschaft abbrechen und sich behandeln zu lassen.)

Die Proteste seien ein schweres Verbrechen, behauptet der stellvertretende Ministerpräsident Kaczyński, die demonstrierenden Frauen hätten dem "Polentum den Krieg erklärt", ihre "Attacke" könne "Polen zerstören".
 

Das "Polentum". Nichts Neues. Frauenkörper sollen den fiktiven Nationalkörper am Leben erhalten, indem sie für ihn empfangen und gebären, das ist ihre Funktion. Ob sie sich dabei zugleich dem angeblichen Willen eines Gottes unterwerfen oder nur einer nationalistischen, rassistischen Heilslehre, spielt letzten Endes keine Rolle. Was bleibt, sind Unterordnung und Enteignung-ihre Körper gehören in dieser Logik nicht ihnen, sondern einer höheren Instanz, auf deren Installierung sie keinen Einfluss haben.

Auch der Nationalsozialismus wollte die Frauen bekanntlich zu Gebärmaschinen machen, um die genetische Dominanz einer von ihm willkürlich definierten "Rasse" durchzusetzen. Das nationalsozialistische Abtreibungsverbot und die anschließende Vernichtung von Kindern, die nicht den erwünschten Standards entsprachen, passten durchaus perfekt zur Rolle von Frauen als nicht entscheidungsbefugte Lieferantinnen von Menschenmaterial.

Auch in Polen geht es darum, die Machtlosigkeit von Frauen zu postulieren; staatliche Hilfe beim Umgang mit schwerstbehinderten respektive todgeweihten Kindern ist hingegen kein Thema für diejenigen, die den Befehl zum Gebären geben.

Die Instrumentalisierung und Ausbeutung der weiblichen Fruchtbarkeit hat viele Seiten. Während Polinnen ihre Schwangerschaft in den Dienst eines dubiosen Polentums stellen sollen, werden in anderen Teilen der Welt unterprivilegierte Frauen als Leihmütter für Privilegierte in die Pflicht genommen. Wer Leihmutterschaft als rührenden Akt schwesterlicher Solidarität romantisiert, verschließt seine Augen vor der Realität. Die Fruchtbarkeitsmedizin ist inzwischen ein riesiges Geschäftsfeld, auf dem hohe Preise gezahlt und gewaltige Gewinne erzielt werden. Diejenigen, die bei diesem Handel das größte Risiko eingehen, steigen dabei am schlechtesten aus, physisch, psychisch und materiell: die "Leihmütter" genannten Frauen, die ein Kind für andere austragen und zur Welt bringen. Für ein vergleichsweise bescheidenes Entgelt-das ihnen meist erst bei Abnahme der gewünschten Ware Kind durch die Auftraggeber zusteht-gehen sie gesundheitliche Risiken ein und begeben sich für die Dauer der Schwangerschaft in einen Zustand der Rechtlosigkeit. Sie werden reglementiert, kontrolliert, medizinisch manipuliert und zum Brutkasten degradiert. Am Ende macht man sie verantwortlich für die Qualität des Handelsguts, das in ihrer vermieteten Gebärmutter entsteht. Manche Auftraggeber sind mittlerweile auch dazu übergegangen, mehrere Leihmütter gleichzeitig in Betrieb zu nehmen und Schwangerschaften, die sich nicht in dem von ihnen erwünschten Sinn entwickeln, abbrechen zu lassen oder die solcherart entstandenen Kinder zur Adoption freizugeben.

In Österreich und in den meisten EU-Ländern ist die Leihmutterschaft verboten, in wenigen ist sie aus "altruistischen Motiven" erlaubt, was illegale Geldflüsse aber nicht ausschließt. Wenn Geburtsurkunden demnächst wie geplant innerhalb der EU ohne Rückfragen anerkannt werden müssen, bietet sich EU-BürgerInnen damit die Möglichkeit, in Sachen Leihmutterschaft problemlos in andere Länder (zum Beispiel nach Griechenland) auszuweichen. Dazu arbeitet die Haager Konferenz für Internationales Privatrecht an einer "Regularisierung" der Leihmutterschaft, weil geregelt werden müsse, was nicht verhindert werden könne. Bessere Rahmenbedingungen würden jedoch nichts an der grundsätzlichen Fragwürdigkeit eines Geschäftszweiges ändern, der Frauen als Betriebsmittel benützt und aus Kindern fabrizierbare und käufliche Produkte macht. Sehr beunruhigend. 


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