Elfriede Hammerl: Mama in der Falle

Das F-Wort und was Corona dahinter zutage fördert.

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Wir wissen es: Corona hat viele Frauen an ihr Limit gebracht. Mit heraushängender Zunge hetzen sie zwischen einer Vielzahl von Pflichten hin und her. Ich beschwöre dieses Bild, weil es den Abstieg deutlich macht, der ihnen von Corona aufgezwungen wurde. Früher wenigstens mit einem Rest von schickem Styling unterwegs, heute flatternde Zunge statt eines Schals. Gewissermaßen. Jedenfalls: Homeoffice, Homeschooling, tägliches Kochen und viel mehr Haushalt, seit sich Berufsleben und Freizeit fast nur noch zu Hause abspielen – das kann eine schon an den Rand ihrer Kräfte bringen. Nicht dass er, falls vorhanden, sich aus allem raushält. Aber für ihn kommt sein Homeoffice meist vor ihrem, und vor den Kindern auch, schließlich verdient er damit ja mehr als sie. 

Feminismus ade? In der Krise zeigt sich deutlich, dass sich hinter dem F-Wort die alten Zuständigkeiten gehalten haben. Die unbezahlte Arbeit bleibt zum Großteil an den Frauen hängen, Männer konzentrieren sich auf die bezahlte. Nicht so schlimm, solange der Mann die Früchte seiner Erwerbsarbeit anständig zwischen sich und der Frau teilt. Gar nicht lustig, wenn er es nicht tut, zum Beispiel im Trennungsfall. Und nicht lustig für die Frau, wenn sie ihre Erwerbsarbeit nicht als lästiges Übel sieht, sondern als sinnstiftenden Faktor in ihrem Leben. 

Ehe Corona die Alten aus dem Verkehr zog, war berufliches Engagement von Müttern auf der Basis von Arbeitsteilung noch besser möglich, allerdings wurde dabei die unbezahlte Arbeit häufig nicht mit dem Kindesvater geteilt, sondern mit einer der Kindesgroßmütter. Jetzt gehört die Oma zur Risikogruppe, und die Schulen sind auf Notbetrieb umgestellt. Mama sitzt in der Falle.

Auch dann, wenn sich die Falle wieder ein Stück öffnet, bleibt sie existent, solange beruflicher Erfolg an einen oft menschenfressenden Zeitaufwand gekoppelt ist und solange Kinder nicht sich selbst versorgende Organismen sind, die durch gelegentliches Gießen am Gedeihen gehalten werden.

Der Zeitaufwand ließe sich ändern, Stichwort Arbeitszeitverkürzung. Sie wäre keine Patentlösung für alles, aber ein Schritt in Richtung einer familienfreundlicheren Work-Life-Balance. Womit wir wieder bei den Kindern sind, die wir ja nicht nur großziehen, sondern zu glücklichen Menschen machen wollen. Das war nicht immer so. Früher sind die Kinder der Armen irgendwie groß geworden oder auch nicht, die Kinder der Reichen wurden in Sprachen, den schönen Künsten und feinem Benehmen unterrichtet, aber nicht von ihren Müttern, sondern von Personal. Dass Kinder Liebe und Verständnis brauchen, war nicht unbedingt ein Grundsatz bei der Kinderaufzucht. Wenn die Kinder Glück hatten, bekamen sie trotzdem Wärme und Zuwendung, manchmal von Anverwandten, manchmal von der Kinderfrau. Wenn sie Pech hatten, wurden ihnen Furcht und Gottesfurcht eingebläut. 

Heute gilt es als erklärtes Ziel, sie emotional und intellektuell mit dem Rüstzeug für ein erfülltes Leben auszustatten. Anders gesagt: Das, wozu früher im glücklichsten Fall mehrere Bedienstete nötig waren, soll heute von der berufstätigen Mutter geleistet werden, nur besser. Mit mehr Wärme. Mit Geduld. Und vor allem nebenbei. 

Dass sie mehr oder weniger im Alleingang für das Kindeswohl verantwortlich gemacht werden, dieses Gefühl hatten Mütter, vor allem alleinerziehende, schon vor Corona recht häufig. In der Krise, unter verschärften Bedingungen, zeigt sich, dass es keine Einbildung ist.

Ist denn wirklich so gar nichts von der Idee einer gerechteren Gesellschaft – mit einem gleichen Zugang zu Wissen, Wohlstand und öffentlichem Einfluss für Frauen wie für Männer – in unserer Gesellschaft angekommen? Oh doch. Mit der Idee hat man sich durchaus angefreundet. Man steht ihr wohlwollend gegenüber. An den Strukturen hat dieses Wohlwollen aber nichts nachhaltig verändert.

Wer sich grundsätzlich zu mehr Gerechtigkeit bekennt, giert deswegen noch nicht danach, auf seine Privilegien zu verzichten. Nach wie vor sind Männer strukturell privilegiert und haben (verständlicherweise) nicht den Drang, dagegen vorzugehen. Von der alten feministischen Forderung „Die Hälfte der Welt den Frauen, die Hälfte des Haushalts den Männern“ sind wir weit entfernt, und Corona hat diese Entfernung vergrößert. So schaut’s aus.

Apropos Kindeswohl: Irmgard Griss hat ihre gleichnamige Kommission zusammengestellt. Sie besteht, von ihr abgesehen, aus drei Experten und einer Expertin. Sieht aus, als wären Frauen zwar für das alltägliche Kindeswohl zuständig, für Schicksalsentscheidungen hingegen Männer. Gruß ans Patriarchat!

Frau Dr. Griss ist eine kluge Frau und hat ihre Wahl sicher nach sorgfältigem Überlegen getroffen. Tatsächlich sind die von ihr bestellten Kommissionsmitglieder Fachleute von beeindruckendem Rang und entsprechender Expertise. Trotzdem ist schwer vorstellbar, dass eine Geschlechterparität in der Kommission wegen eines Mangels an hochkompetenten Expertinnen gescheitert sein soll.

Ach ja, Internationaler Frauentag ist auch. Könnte frau glatt übersehen.