Elfriede Hammerl: Prinzen heiraten

Elfriede Hammerl: Prinzen heiraten

Drucken

Schriftgröße

Ich verstehe durchaus, dass Mädchen, ja sogar erwachsene Frauen, Prinzen heiraten wollen. Ich meine jetzt: echte, nicht irgendwelche unbekannte Durchschnittstypen, die aus mehr oder weniger Verblendung zu Märchengestalten verklärt werden, sondern richtige, kochfeste, mit einem zertifizierten Stammbaum, der sie als privilegiert seit Generationen ausweist, und einem soliden Königreich im Rücken. Ja, so einen wie Prinz Harry, so was meine ich.

Ist doch sicher kein schlechtes Leben als Prinzessin oder Herzogin von Vauxhall-Bentley oder Rolls-over-Royce! Bedient werden, bewundert werden, jeden Tag toll gestylt sein, keine Geldsorgen haben – jedenfalls keine der Sorte Wo-nehme-ich-Zaster-für-die-nächste-Stromrechnung-her oder Eine-neue-Waschmaschine-wird-sich-leider-nicht-ausgehen – und prächtig wohnen; dafür kann man schon da und dort wohltätig lächeln, ohne unter Arbeitsüberlastung zusammenzubrechen!

Jedenfalls scheint mir das komfortabler, als jeden Morgen um sechs im vollen Bus zur Arbeit zu fahren, am Wochenende die Fenster zu putzen, Raten fürs Wohnungseigentum abzustottern und um den Job bangen zu müssen.

Kommen Sie mir bloß nicht mit goldenem Käfig und der gnadenlosen Öffentlichkeit, die ihre Augen auf das arme Geschöpf richtet, und damit, wie wahnsinnig anstrengend es ist, bei Festakten stillzustehen und nachher ein Band durchzuschneiden! In den Chefetagen sind sie auch nicht barmherzig, die Nachbarschaft beobachtet einen gleichfalls kritisch, und darüber, wie anstrengend eine Schicht im Krankenhaus ist, brauchen wir wohl nicht lange zu diskutieren.

In den Chefetagen sind sie auch nicht barmherzig.

Also: alles relativ. In Relation spricht nichts vehement gegen ein Dasein als Prinzgemahlin, daher Verständnis, wenn sich eine einen Royal krallt, schon gar, wenn er fesch ist und sympathisch wirkt. (Hätten wir die Chance dazu gehabt, statt uns ein Arbeitsleben lang zu plagen, hätten wir sie vielleicht auch ergriffen.)

Nur: Kann man bitte aufhören, in diesem Zusammenhang die Vokabeln feministisch und emanzipiert zu verwenden? Prinzgemahlin zu sein und als selbstständige Frau gelten zu wollen, das geht nicht zusammen. Self-made schaut anders aus. Ms Markle, nunmehr Herzogin von Sussex, mag als berufstätige Person selbsterhaltungsfähig gewesen sein, ihre jetzige Existenz jedoch ist an ihre Zugehörigkeit zur Familie Windsor gebunden, kam durch Heirat zustande und eignet sich nicht dafür, unsere Töchter und Enkelinnen zu einem Studium der Medizin oder der Ingenieurswissenschaften zu ermuntern, mit dem Ziel, ein unabhängiges und selbstbestimmtes Leben zu führen.

Nicht grundlos hat Ms Markle ihren Blog im Internet sofort aufgegeben und keinerlei weitere Rollenangebote als Schauspielerin angenommen, sobald sie offiziell als Prinz Harrys Braut galt. Ihre künftige Rolle ist die der Ehefrau. Und auch wenn sie gelegentlich ein paar nützliche Sager in Sachen Gleichstellung von sich geben sollte, ist sie als Role Model für ein unabhängiges Frauenleben fehlbesetzt.

Andererseits wäre es fatal, ihre Karriere als Empfehlung der Versorgungsehe zu sehen. Dazu sind Prinzen u. ä., schon gar fesche und sympathische, einfach zu selten. Schon deswegen sollten unsere Töchter und Enkelinnen ihr Augenmerk lieber auf eine sie interessierende Berufsausbildung legen als auf die internationale Partyszene, in der frau vielleicht einen Prinzen ergattert, vielleicht aber auch nur Blessuren an Leib und Seele.

Womit wir beim nächsten Punkt wären: Kann man bitte auch aufhören, uns einreden zu wollen, eine Monarchie sei modern und volksnah, wenn ein Prinz ein Starlet heiratet? Das Volk, dem sich Europas Monarchen beziehungsweise ihre männlichen Nachkommen angenähert haben, ist eine Mischung aus Jetset und Glücksrittern (weiblich wie männlich) des Showbiz. Das hat nichts mit einer Absage an aristokratische Dünkelhaftigkeit zu tun.

Prinzen heutzutage heiraten bürgerliche Mädchen oder Frauen nicht, weil sie die Privilegien ihres Standes infrage stellen, sondern weil sie keine Lust haben, den früher üblichen Preis dafür zu zahlen und sich mit einer sie langweilenden und vielleicht unattraktiven Standesgenossin zu paaren. Außerdem hat Geld Schwächen des Stammbaumes immer schon aufgewogen. Prinz William mag seiner Frau Kate herzlich zugetan sein – die Tatsache, dass sie aus einem millionenschweren Haus kommt, hat zumindest die Zuneigung der übrigen Familie zu ihr erheblich befördert, und zunächst überhaupt bewirkt, dass die beiden einander (in der teuren schottischen Privatuniversität St. Andrews) begegnet sind.

Wenn Prinzen Starlets und Partygirls heiraten, dann ist das insofern modern, als sie sich damit den Bewertungskriterien einer breiten Öffentlichkeit anschließen, die inhaltsarme Selbstdarstellung mehr bewundert als ernsthafte Qualifikationen. Mit Aufgeschlossenheit für eine Politik der Chancengleichheit oder der Geschlechtergerechtigkeit sollte das nicht verwechselt werden. Bitte keine Rührungstränen.