Elfriede Hammerl

Elfriede Hammerl Schräger Blick

Schräger Blick

Drucken

Schriftgröße

Im profil vom 2. April 2012 haben die Kollegen Bauer und Treichler die Einkommensunterschiede zwischen Männern und Frauen in den Bereich der Mythen verwiesen. Ich habe ihre Coverstory aufmerksam gelesen und daraus die Erkenntnis gewonnen, dass eine Frau, wenn sie exakt in der gleichen Position ist wie ein Mann und exakt das Gleiche tut, eh nur um acht Prozent weniger verdient als der Mann. Beziehungsweise, dass Frauen mit männlicher Erwerbsbiografie einkommensmäßig nur marginal schlechter aussteigen als Männer.

Allerdings hab ich das vorher schon gewusst. Einkommensunterschiede, das ist bekannt, haben eine Reihe von Gründen, die meisten von ihnen sind nicht unmittelbar, aber mittelbar auf das Geschlecht zurückzuführen. Berücksichtigt man nur die unmittelbaren, kommt man auf acht bis elf Prozent Differenz, berücksichtigt man auch die mittelbaren, auf ungefähr 25 Prozent. Frauen verdienen schlechter, weil sie in schlechter bezahlten Branchen tätig sind, häufig Teilzeit arbeiten und schwerer in Führungspositionen kommen. Das alles ist nicht genetisch bedingt.

Zum Beispiel ist es kein Naturgesetz, dass Berufe, in denen überwiegend Frauen tätig sind, schlechter entlohnt werden müssen. Warum ist unserer Gesellschaft technisches Know-how so viel mehr wert als soziale Kompetenz? War­um gibt es für Arbeiten im Freien und bei Kälte mehr Kohle als für Arbeiten in feuchter Hitze und unter chemischen Dämpfen – anders gesagt, warum verdient der Gabelstaplerfahrer (männliche Domäne) mehr als die Arbeiterin in einer chemischen Reinigung (weibliche Domäne)? Warum ist der Muskeleinsatz eines Maurers teurer als der einer ­Altenpflegerin? (Einstiegslohn eines Maurers, laut Kollektivvertrag: 2026,44 Euro pro Monat, Einstiegsgehalt einer Altenpflegerin: 1800,90 Euro.)

Wer argumentiert, dass die Altenpflegerin halt lieber auf dem Bau hackeln sollte, erklärt damit die Altenpflege zum überflüssigen Hobby – was sie definitiv nicht ist. Frauen leisten in den so genannten Frauenberufen wichtige und notwendige Arbeit. Sie dafür schlechter zu bezahlen bedeutet eine Geringschätzung ihrer Leistung. Das nennt man Diskriminierung. Seit Langem wird in der Einkommensdebatte ja nicht gleicher Lohn für gleiche Leistung verlangt, sondern ­gleicher Lohn für gleichwertige Leistung. An der ungleichen Bewertung von Leistung liegt es, dass Frauen einkommensmäßig oft schlechter aussteigen als Männer. Wie tief verankert dieser schräge Blick auf den Wert von Frauen- und Männerarbeit ist, zeigte sich beispielsweise, als öffentlich überlegt wurde, wie mehr Männer dazu gebracht werden könnten, sich in der Kindergarten- und Volksschulpädagogik zu engagieren. Das Erste, was PolitikerInnen dazu einfiel, war die Forderung nach attraktiveren Gehältern, man könne Männern nicht zumuten, um den derzeit üblichen Bettel zu arbeiten.
Dass Frauen öfter in Teilzeit gehen als Männer, ist ebenfalls keine bizarre Marotte, sondern hat was mit der Rollenverteilung in den Familien zu tun sowie damit, dass es an Betreuungseinrichtungen für Kleinkinder und an Ganztagsschulen mangelt.

Das Frauenvolksbegehren hat seinerzeit einen gesetzlichen Anspruch auf Teilzeitarbeit gefordert, allerdings für Eltern und mit einem garantierten Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit. In der Praxis sehen wir mehr oder weniger lange Phasen eingeschränkter Erwerbsarbeit ausschließlich von Frauen, die in dieser Zeit Aufstiegschancen verpassen, um Vergünstigungen (wie Fortbildungsseminare) umfallen und unter Umständen nicht mehr in einen adäquaten Vollzeitjob zurückfinden.

Die Idee, dass Mütter und Väter sich Familien- und Erwerbsarbeit einigermaßen gerecht aufteilen, ist tatsächlich nicht leicht zu realisieren, und viele Frauen mögen es nach wie vor für normal halten, dass halt sie beruflich zurückstecken, wenn es der Familie nützt. Aber der Effekt ist: Sie haben am Ende weniger Geld auf dem Konto. Das wirkt sich vor allem dann fatal aus, wenn ihre Ehe in die Brüche geht.

In Sachen Bildung haben Frauen und Mädchen enorm aufgeholt. Leider bewahrt sie das nicht vor schlechteren Gehältern. Die Arbeiterkammerexpertin Sybille Pirklbauer errechnete einen Einkommensunterschied von durchschnittlich 27,4 Prozent zwischen Akademikern und Akademikerinnen. Auch hier schlagen das Vereinbarkeitsdilemma sowie schlechtere Aufstiegschancen von Frauen zu.

Akademikerinnen würden häufig in nicht adäquaten Positionen eingesetzt, so Pirklbauer. Selber schuld, wenn sie es zulassen? Das würde nur gelten, wenn es Alternativen gäbe. Ist aber nicht so, frau muss oft nehmen, was sie kriegt. Und Gehaltsforderungen, die von Männern als angemessen akzeptiert werden, gelten bei ihr unter Umständen schon als überzogen.
Wer freilich ausschließlich Einkommensunterschiede sucht, die mit dem Fehlen eines Y-Chromosoms begründet werden können, findet gerade einmal acht Prozent. ­Marginal? Ach. Welcher Arbeitnehmer würde wohl mit einem eleganten Achselzucken darüber hinweggehen, wenn man sein Gehalt um acht Prozent kürzte?

(Dass Ländervergleiche ohne Einbeziehung der jeweiligen Frauenerwerbsquote fragwürdig sind, war übrigens in dieser Kolumne schon vor Längerem zu lesen. So einsichtig sind Feministinnen.)

[email protected]

www.elfriedehammerl.com