profil-Kolumnist Franz Schellhorn

Franz Schellhorn: Nur ja kein ausländisches Zeugs!

Österreichs Bevölkerung liebt die Zölle und hasst den Freihandel. Weil ihr nicht bewusst ist, dass darauf der Massenwohlstand in diesem Land gründet.

Drucken

Schriftgröße

Der Freihandel hat hierzulande keinen leichten Stand. Wir Österreicher freuen uns zwar, wenn wir im Ausland heimische Produkte vorfinden, und es erfüllt uns auch mit ein wenig Stolz, dass „wir“ mengenmäßig mittlerweile doppelt so viel Käse exportieren wie die Käsehochburg Schweiz. Nur mit den Importen haben wir es halt nicht so. Vor allem, wenn es sich dabei um Nahrungsmittel handelt. Während nämlich „unsere“ Bauern ausschließlich handgestreichelte, profitbefreite Bio-Waren allerhöchster Güte ausliefern, steht alles „Ausländische“ für billigst produzierte agrarindustrielle Gammelware.

Was wiederum dazu führt, dass die Österreicher alle Abkommen zum Abbau von Zöllen aus Prinzip ablehnen.

Jedenfalls dann, wenn die Bevölkerung medientauglich gegen die Abkommen aufgebracht wird, was ja auch meistens der Fall ist. Nach den Abkommen mit den USA (TTIP) und Kanada (CETA) ist jetzt der nach 20 Jahren (!) endlich ausverhandelte Vertrag zwischen der EU und dem südamerikanischen Staatenbund Mercosur an der Reihe. Österreich leistet plötzlich erbitterten Widerstand gegen das Handelsabkommen mit Brasilien, Argentinien, Uruguay und Paraguay. Bauernvertreter und Umweltschützer warnen vor verheerenden Konsequenzen, was auch sofort eine breite politische Front bestehend aus ÖVP, FPÖ und SPÖ mobilisierte, die das Abkommen nicht ratifizieren will.

Dafür gibt es ja auch gute Gründe. Allerdings nahezu ausschließlich aus Sicht der Südamerikaner: Während Europa Hightech-Produkte wie Automobile oder Maschinen nach kurzen Übergangsphasen weitgehend uneingeschränkt und zollfrei nach Südamerika liefern darf, lässt es die Einfuhr landwirtschaftlicher Produkte nur teilweise zu. Erfolgreich lobbyiert haben Bauernvertreter vor allem gegen die Einfuhr von südamerikanischem Rindfleisch, dem wichtigsten Exportgut der Mercosur-Staaten. Derzeit werden rund 200.000 Tonnen pro Jahr von dort in die EU geliefert, die europäischen Kunden müssen darauf allerdings 40 Prozent Zoll bezahlen. Künftig sollen die ersten 99.000 Tonnen mit 7,5 Prozent Zoll und jedes darüber hinausgehende Kilogramm Rindfleisch wie bisher mit 40 Prozent Zoll belegt werden.

Für Europa ist der EU-Mercosur-Vertrag ein Jackpot mit Zusatzzahl

Eigentlich ein phänomenaler Deal für die Europäer, denen ein Absatzmarkt mit 260 Millionen Einwohnern offen stünde und deren Hightech-Ausfuhren sich durch den Wegfall der Zölle deutlich verbilligten. Unterm Strich also eine Art Jackpot mit Zusatzzahl. Aber nein, die drei größten österreichischen Parlamentsparteien lehnen den Vertrag ab, weil sie „unfairen“ Wettbewerb und schwere ökologische Folgeschäden wittern. Letztere deshalb, weil in den südamerikanischen Ländern jährlich unzählige Regenwälder abgeholzt werden, um Weideland zu gewinnen. Aber glaubt wirklich irgendjemand, dass auch nur ein einziger Baum verschont bliebe, wenn die ersten 99.000 Tonnen Rindfleisch weiterhin mit 40 Prozent Zoll belegt werden? Das Gegenteil ist viel wahrscheinlicher, denn mit den hohen Zöllen ist der Kostendruck deutlich höher, weshalb immer größere Flächen gebraucht werden.

Völlig nachvollziehbar ist, warum die heimischen Rinderzüchter das Abkommen nicht so prickelnd finden. Sie können mit ihren kleinteiligen Flächen gegen die südamerikanische Konkurrenz wenig ausrichten, zumal Letztere hervorragende Qualität liefert. Was wohl auch daran liegt, dass die Rinder in den Mercosur-Staaten auf endlosen Weiden grasen, während sie in unseren Breiten schon froh sein müssen, sich in einem Freilaufstall ein wenig die vier Beine vertreten zu können. Ohne Zölle würde der Vorsprung der südamerikanischen Bauern natürlich weiter steigen.

Warum sich ÖVP, FPÖ und SPÖ als Interessenvertreter der Bauern verstehen, ist schwer zu sagen

Warum sich aber ÖVP, FPÖ und SPÖ als Interessenvertreter der Bauern verstehen, ist schwer zu sagen. Wahltaktische Motive können es kaum sein, immerhin wird niemand die Interessen von 160.000 Bauern über jene der 3,9 Millionen Haushalte stellen. Vermutlich liegt es daran, dass die Politiker geschickt marktwirtschaftliche Ressentiments der Bevölkerung bedienen und hoffen, dafür bei der kommenden Wahl belohnt zu werden. Ihnen ist nämlich klar, dass die Bürger dieses Landes nicht wissen, wie vorteilhaft es für kleine Volkswirtschaften wie die österreichische ist, hochpreisige Hightech-Produkte in ferne Länder verkaufen zu können. Und dass es kein Schaden ist, wenn auch Produkte nach Österreich eingeführt werden dürfen.

Dabei sollte auch längst allen klar sein, dass die Panikmache der Handelsgegner ein ums andere Mal ins Leere gelaufen ist. Was ist denn von den Warnungen im Vorfeld des EU-Beitritts eingetroffen? Nichts. Die Produkte der heimischen Landwirtschaft sind besser denn je, einzig die Mini-Betriebsgrößen werden auf Dauer nicht zu halten sein. Und was wurde nicht alles über die verheerenden Folgen von CETA verzapft? Nichts davon ist wahr geworden, Österreich zählt vielmehr zu den größten Gewinnern des Abkommens mit Kanada. Was freilich nichts daran ändert, dass der Freihandel hierzulande einen äußerst schweren Stand hat.