Georg Hoffmann-Ostenhof: König von Israel

Warum die israelischen Juden Trump lieben und die amerikanischen ihn ablehnen.

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Da freute sich Donald Trump. Er sei „der König von Israel“ oder gar „die zweite Wiederkehr Gottes“, pries ihn Allyn Root, ein für Verschwörungstheorien bekannter Radiomoderator. Der amerikanische Präsident verbreitete das Lob am vergangenen Mittwoch ausführlich in drei Tweets und bedankte sich für die „sehr netten Worte“. Die trösteten ihn offenbar.

Kurz zuvor hatte er die beiden jungen demokratischen Abgeordneten Ilhan Omar und Rashida Tlaib, denen wegen ihrer scharfen Kritik an der israelischen Politik die Einreise in den Judenstaat verwehrt worden war, des Antisemitismus geziehen. Aber statt, wie er offenbar erwartet hatte, dafür Zustimmung zu ernten, wurde er allgemein gebasht. Nicht nur von Liberalen und Linken, selbst rechte jüdische Organisationen, die sonst fest hinter Trumps Israel-Politik stehen, gingen auf Distanz. Und beschuldigen ihn selbst des Antisemitismus.

Was war passiert? Eine Partei, die Politikerinnen wie Omar und Tlaib in ihren Reihen dulde und verteidige, sei nicht wählbar, sagte Trump: „Ich glaube, dass Juden, die Demokraten wählen, entweder ignorant oder illoyal sind.“

Da klingelt etwas. „Der Vorwurf der Illoyalität gegenüber dem Staat wurde durch Jahrhunderte verwendet, um Juden zu marginalisieren, und zu verfolgen“, stellt die Anti-Defamation-League, eine US-jüdische Organisation, fest.

Nur, dass Trump diesmal die Treue nicht zum eigenen, sondern zu einem anderen Staat, zu Israel, einfordert. Und das ist auch nicht neu. Schon einmal hatte er bei einem Treffen mit jüdischen Republikanern diesen klargemacht: „Bibi Netanjahu ist euer Premierminister!“

Ein absurdes Szenario: Er selbst als König von Israel, der Chef der israelischen Rechtsregierung als Premierminister der amerikanischen Juden. Und wer von diesen Israel kritisiert, sei entweder ein Dummkopf oder ein Verräter.

Offenbar sieht der amerikanische Präsident in den Juden eine spezielle Gruppe, die anders behandelt werden muss als die übrigen Amerikaner, einen monolithischen Block, der nur ein einziges gemeinsames Interesse hat. Und dieses hätte in Jerusalem seinen Fluchtpunkt. Ist diese Sicht nicht schon in sich antisemitisch?

Nur Amerikaner ohne Bekenntnis sind liberaler und progressiver als die US-Juden.

Bloß, die Juden sind weit davon entfernt, monolithisch zu sein, sie sind so vielfältig, haben so unterschiedliche Interessen, Ansichten und Vorlieben wie andere auch. Vor allem zwischen den amerikanischen und israelischen tut sich gerade eine immer tiefer werdende Kluft auf.

Nehmen wir nur die Einstellung zu Donald Trump: In Israel wird der amerikanische Präsident zwar nicht als Messias oder König gefeiert, aber in keinem Land der Welt ist er so beliebt wie da. Im Kontrast dazu: Die amerikanischen Juden verabscheuen ihn in ihrer überwältigenden Mehrheit – trotz dessen prononcierter Pro-Israel-Haltung.

Nur Bürger ohne religiöses Bekenntnis sind in Amerika liberaler und progressiver als die Juden. Und diese votieren seit Jahrzehnten mit Mehrheiten – bis zu 80 Prozent – für die Demokraten, was Trumps Illoyalitäts-Sager zu einer Pauschalbeschimpfung der amerikanischen Juden macht. Die Israeli hingegen wählen seit Langem weit rechts stehende Regierungen ins Amt.

Noch immer ist die Bindung der US-Juden an Israel stark. Aber der Anteil jener, die Israel als wichtigen Teil ihrer jüdischen Identität sehen, wird von Jahr zu Jahr geringer. Gerade die jüngere Generation entferne sich emotional zunehmend von Israel, stellt eine empirische Untersuchung des American Jewish Comitee fest. Und deren Kritik an der Politik Netanjahus, vor allem jene gegenüber den Palästinensern, wachse. Viele der jungen US-Juden teilen offenbar die Israel-Kritik von Omar und Tlaib.

Nein, der Versuch Trumps, sich mit seiner demonstrativen Liebe zu Israel und Netanyahu bei den amerikanischen Juden lieb Kind zu machen, ist gescheitert. Auch seine Attacke auf die Demokraten, denen er vorwirft, Judenhass zu fördern, kann nicht verdecken, dass er selbst – trotz seines jüdischen Schwiegersohns und seiner jüdischen Enkel – ein ausgemachter Antisemit ist. Man hat es nicht vergessen: - dass er Neonazis, die 2017 in Charlottesville mit dem Slogan „Juden werden uns nicht ersetzen“ aufmarschierten, und deren Gegendemonstranten auf eine Ebene stellte und „fine people“ auf beiden Seiten sah; - dass er ein Bild von Hillary Clinton retweetete, das sie auf einem Berg von Dollarbündeln zeigte – nahe einem Davidstern und mit der Textzeile „Most Corrupt Candidate Ever!“; - dass er der Verschwörungstheorie anhängt, wonach der jüdisch-stämmige Mäzen George Soros die „Karawanen“ der lateinamerikanischen Flüchtlinge finanziere; - dass er mit seiner xenophoben Politik all jenen gefährlichen, teils mörderischen Rechtsradikalen Aufwind verschaffte, für die nach wie vor „der Jude“ zentrales Feindbild ist; - und dass in seiner Amtszeit die Gewalt gegen jüdische Menschen und Einrichtungen tatsächlich zugenommen hat.

Dan Shapiro, ehemaliger US-Botschafter in Israel, schrieb auf Twitter zu Trumps jüngsten Aussagen: „Es ist widerlich, natürlich. Aber das verdient, verspottet, mehr noch als verurteilt zu werden.“ Jedes Mal, wenn Trump spreche, erhöhe das den Anteil der jüdischen Wähler der Demokraten.

Georg Hoffmann-Ostenhof