Leitartikel

Ist die Arbeit von Politikern nichts wert?

Lohndumping und Selbstgeißelung wirken selbstbeschädigend und befeuern die Populismusspirale. Damit wird man sicher nicht die Besten finden.

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Achtung, dieser Kommentar kann unpopuläre Meinungen enthalten. Denn die gängige Ansicht lautet ungefähr so: Politikerinnen und Politiker verdienen jede Menge Häme und Verachtung, aber möglichst kein Gehalt. Anspruch auf Urlaub haben sie tunlichst kaum, höchstens ein paar Tage sind drinnen (und das selbstredend in Österreich). Dienstreisen sind gefälligst in der Economy-Klasse zu absolvieren, demütiger Fotobeweis inklusive. Für Büromöbel liegt die Maximalgrenze knapp über Bastlerhit Ikea.

Kurz: Politik hat sich permanent untertänigst selbst zu geißeln und es so billig wie möglich zu geben, getreu dem devoten Motto: „Ein bisschen weniger geht immer.“ So oder so ähnlich klingen die weitverbreiteten Vorurteile. Kein Wunder, Politikerbeschimpfung ist hierzulande längst Volkssport.

Keine Frage: Es gibt verflixt gute Gründe dafür, dass das Vertrauen in die Politik auf Tiefstwerten grundelt. Etwa Korruptionsaffären und entlarvende Chatprotokolle. Oder nervige Phantomdiskussionen über Nebenthemen, während Teuerung und Energiekrise belasten. Und geballte Mutlosigkeit, komplexe Probleme anzupacken. Fehlbesetzungen in Ministerämtern. Und und und.

Bloß: Schlechte Bezahlung macht aus schlechten Politikern auch keine besseren.

Kein anderer Berufsstand kasteit sich derart devot selbst wie die Politik.

Insofern ist der ewige Ruf, Politiker sollen so wenig wie möglich verdienen, aus mehreren Gründen falsch, mehr noch: kann potenziell sogar gefährlich sein. Denn eigentlich ist Spitzenpolitik ein kniffeliger und anstrengender Management-Job, der noch dazu ohne Sicherheitsnetz abrupt enden kann. Wer nicht will, dass sich ausschließlich Reiche das Hobby Politik leisten können oder es nur Skrupellose mit

unbändigem Willen zur Bereicherung und Korruption in den eigentlich hehren Dienst an der Demokratie zieht, muss anständige Arbeitsbedingungen und passende Entlohnung bieten. Sonst finden sich nur in Ausnahmefällen die besten Köpfe für den schwierigen Beruf Politik – der zwar Scheinwerferlicht und Aufmerksamkeit bietet, aber Rund-um-die-Uhr-Einsatz unter permanenter öffentlicher Beobachtung erfordert und alle Fehler gnadenlos mit überschießendem Hohn ahndet.

Sonst regiert das Mittelmaß – bestenfalls.

Zu so viel gesundem Selbstbewusstsein wagt sich aber kaum ein Politiker aufzuraffen, im Gegenteil: Alle beeilen sich, im plumpem Wettlauf um die billige Populismus-Schlagzeile eifrig mitzumachen – und sich permanent selbst zu erniedrigen. Auch heuer waren alle flugs zur Stelle: SPÖ-Obmann Andreas Babler verlangte als Erster eine Nulllohnrunde für die Politik, FPÖ-Chef Herbert Kickl folgte auf dem Fuß, das Regierungsduo aus Kanzler Karl Nehammer und Vizekanzler Werner Kogler zog eilfertig nach. Die NEOS geißelten dieses Lohndumping zwar (und zu Recht) als „Scheindebatte“, mehr Einspruch trauten auch die Liberalen sich nicht. Die einzigen lauten Quertöne kamen – ausgerechnet! – von blauen Landesgranden wie Marlene Svazek, die „Symbolpolitik, die den Beruf Politiker als immer wertloser darstellt“, für „wenig zielführend“ hält. Das entlarvt zwar überdeutlich die Scheinheiligkeit der FPÖ, die mit Wettern gegen vermeintliche und echte Politikerprivilegien als Oppositionspartei groß wurde, Futtertröge der Macht aber als Regierungspartei durchaus lecker findet – inhaltlich hat Svazek aber recht.

Denn kein anderer Berufsstand kasteit sich derart devot selbst wie die Politik. Es dominiert das Eigenbashing, der Wert des eigenen Berufs wird ständig nach unten lizitiert: Seit dem Jahr 2009 gab es gleich fünf Nulllohnrunden, garniert mit der demonstrativen Spende eines Ministermonatsgehalts unter Kanzler Sebastian Kurz.

Die finanziellen Folgen dieser Verzichtserklärungen: Politikergehälter haben seit den 1990er-Jahren über ein sattes Fünftel an Wert verloren, während in jeder anderen Branche selbstverständlich seither die Gehälter stiegen. Das Salär von Ministern entlockt Spitzenmanagern mittlerweile nur ein mitleidiges Lächeln, im Vergleich zu den Millionengagen von Sportlern oder Showstars sind Politiker ohnehin fast arme Schlucker.

Ein fast verzweifelter Versuch, die grassierende Politikerverdrossenheit zu bekämpfen – der aber ordentlich schiefgeht. Denn Bonuspunkte sammelt die Politik mit den mutlosen Dauernulllohnrunden nicht, im Gegenteil: Sie beschädigt sich selbst. Wer permanent trommelt, dass die eigene Arbeit ohnehin nichts wert ist, demontiert das noch verbliebene Ansehen weiter. Diese Populismusspirale dreht sich permanent nach unten. Ausgerechnet mit dem Lohndumping befeuert die Politik ihren schlechten Ruf weiter, den sie eigentlich damit bekämpfen will. Denn was ist das Ziel? Dass Politiker überhaupt zum Nulltarif arbeiten?

Klar, ein sorgsamer Umgang mit Steuergeld ist notwendig, genaues Augenmaß, dass die politische Klasse nicht abhebt, auch. Und: Das Misstrauen gegen Politik sollte ernst genommen werden. Aber: Scheinantworten wie Selbstgeißelung helfen niemand weiter.

Das beste Rezept, Vertrauen zurückzugewinnen, ist politischen Gestaltungswillen zu beweisen. Herausforderungen anzupacken, Konzepte vorzulegen, Probleme zu lösen, beherzt Reformen zu wagen, von der Gesundheit bis zum Lehrermangel. Ja, das ist anstrengend und kompliziert. Platt eine Nulllohnrunde anzukündigen, ist viel bequemer – aber eben kontraproduktiv und mutlos.

Eva   Linsinger

Eva Linsinger

Innenpolitik-Ressortleitung, stellvertretende Chefredakteurin