Kolumne

Kleine Häuslbauer? Große Häuslsammler!

Wie wird unser Sozialstaat fit für die Zukunft? Im Auftrag des Sozialministers haben Expert:innen Antworten auf diese Frage gesucht, darunter Ökonom:innen der Oesterreichischen Nationalbank. Deren Erkenntnisse haben es in sich.

Drucken

Schriftgröße

Die Studie der Oesterreichischen Nationalbank nimmt etwas in den Blick, das zur österreichischen Folklore gehört wie Schnitzel und Skifahren: den armen kleinen Häuslbauer. Das Symbol für Normalität, für die Mitte der Gesellschaft – und das Liebkind der Politik. Von rechts bis links kämpfen die Parteien um seine Stimme. Für ihn macht man Politik.

Das Problem ist nur: Die Nationalbank hat ihn nicht gefunden, diesen „kleinen Häuslbauer“. Der Häuslbauer ist nicht klein, nicht arm und nicht in der Mitte der Gesellschaft. Wer Grund und Boden besitzt, gehört zu den Reicheren, wenn nicht sogar Reichsten. Der direkte Vergleich: Wer mietet, besitzt im Schnitt ein Vermögen von 57.000 Euro. Wer im Eigentum wohnt, hat achtmal so viel, im Schnitt 463.000 Euro.

Der Besitz von Grund und Boden ist der wichtigste Hebel in der Frage der Vermögensverteilung. Nur wer ihn besitzt, kann ihn auch vermieten: Die ärmeren 50 Prozent in Österreich wohnen zur Miete; die reichsten zehn Prozent sind ihre Vermieter. Über den privaten Wohnungsmarkt schieben die Besitzlosen den Besitzenden 250 Millionen Euro aufs Konto – Monat für Monat, Umverteilung von unten nach oben.

Und weil in Österreich die Mieten an steigende Preise gekoppelt sind, sind die Mieteinnahmen gemeinsam mit der Inflation explodiert. Man hätte das politisch mit einem Mietdeckel lösen können. Keinen Cent Steuergeld hätte das gekostet. Stattdessen wurde ein mit Steuergeld dotierter Wohnschirm aufgesetzt: Wer sich die gestiegene Miete nicht mehr leisten kann, kann einen Zuschuss beantragen, der direkt auf das Konto des Vermieters weiterwandert. Also an die reichsten zehn Prozent des Landes – bezahlt von uns allen.

Wie übrigens auch alle öffentlichen Investitionen, die Grund und Boden noch wertvoller machen. Die neue U-Bahn-Station macht eine Wohnung in der Stadt attraktiver. Das Einfamilienhaus braucht einen Kanalzugang. All das wird mit unserem Steuergeld finanziert. Aber vom steigenden Wert der Immobilie hat nur der Besitzende allein etwas. Denn die Steuern auf Grund und Boden sind lachhaft: Für eine Wohnung mit 100 Quadratmetern zahlt man in Wien 50 Euro Grundsteuer. Im Jahr. Die Müllabgabe ist dreimal so hoch. Für ein Einfamilienhaus mit 1500 Quadratmeter Garten werden sogar nur 40 Euro fällig.

Viele staatliche Förderungen sind nur für Besitzende gebaut.

In der Analyse der OeNB liest sich das so: „Weil der ‚kleine Häuslbauer‘ in Österreich fälschlicherweise als ‚die Mitte‘ der Gesellschaft angesehen wird, obwohl er sich in der oberen Mitte befindet, verführt dies in der wirtschaftspolitischen Debatte dazu, von breiten Gemeinsamkeiten in der Mitte auszugehen.“ Diese Mitte ist eine Erfindung – und doch wird laufend für sie Politik gemacht. Noch ein Beispiel: Viele staatliche Förderungen sind nur für Besitzende gebaut. Das Klimaministerium bietet fast 10.000 Euro Einmalförderung für den Umbau zu einem ökologischeren Heizsystem, knapp 60.000 Anträge hat es seit 2022 gegeben. Das heißt: Wir alle zahlen dem Eigenheimbesitzer die neue, bessere Heizung. Auch die Sozialhilfebezieherin mit der Mehrwertsteuer auf ihren Supermarkteinkauf.

Wer mietet, hat hingegen null Mitspracherecht, ob und wie saniert wird. Mehr als die Hälfte der Mieter in Österreich heizen mit Gas und müssen die entsprechend hohen Gaspreise weiter zahlen.

Nun sind klimapolitisch gute Förderinstrumente manchmal verteilungspolitisch schlecht. Aber unsere eigentumsfreundliche Politik ist meistens auch klimafeindlich. Bis hinunter auf die Ebene der Gemeinden, wo eng begrenzt wird, wie wenig Wohnfläche auf einem Gebiet gebaut werden darf. Laut Studie hat das einen doppelt negativen Effekt: Es macht das Wohnen teurer und versiegelt durch die Zersiedelung wertvollen Boden. Die Empfehlungen der Studie weisen in die entgegengesetzte Richtung.

Will sich Politik wirklich an der Mitte orientieren, muss sie die Besitzlosen in den Blick nehmen – und das Privateigentum nicht länger bevorzugen, sondern sich um Mietobergrenzen kümmern, um Mindeststandards für Wohnqualität, um die Ausweitung der Mieter:innenrechte oder die Bekämpfung des Leerstands und einen massiven Ausbau des sozialen Wohnbaus. Finanzieren ließe sich das mit einer höheren Steuer auf Grund und Boden, auf Erbschaften und auf Vermögen. Die Mehrheit der Bevölkerung ist dafür. Fragt man, wie man die Ausgaben des Staates finanzieren soll, liegt der Wunsch nach einer fairen Besteuerung von Vermögen an erster Stelle. Zu Recht: Eine gute Vermögenssteuer würde die Ressourcen freispielen, die wir dringend brauchen, um endlich die Klimakrise anzugehen.

Barbara Blaha

Barbara Blaha

leitet das ökosoziale Momentum Institut.