Der Maschinist

Die schlaue KI wird sich verstecken

Warum nicht überall, wo KI draufsteht, auch KI drinnen ist – und warum das bald egal sein wird.

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KI hier, KI da, selbst die neue Waschmaschine hat schon KI-Basisfunktionen, die in der Werbung hervorgehoben werden. Wahrscheinlich heißt es deshalb Basisfunktionen, damit, wenn dem Hersteller etwas Neues einfällt, er dafür extra Geld verlangen kann. Auch der gerade neu gebaute Sessellift auf dem Nassfeld hat, wie groß berichtet, schon KI. Bald wird auch die Espresso-Maschine KI haben und anzeigen, wie viel Kaffee Sie schon getrunken haben. Wir laufen gerade in einen dichten Nebel von Marketing-Versprechungen, wo es bald nicht mehr möglich sein wird, den Überblick zu haben, geschweige denn den wahren Wert zu erkennen.

Viele der derzeit angepriesenen KI-Funktionalitäten haben mit KI so viel zu tun wie Donald Trump mit Alice Schwarzer. Warum das so ist? Weil viele Funktionalitäten einfach auf Software basieren, ohne aber KI-basiert zu sein. Dass die Waschmaschine weiß, was Sie als Hausfrau oder Hausmann am häufigsten für Programme zum Waschen Ihrer Yogakleidung nutzen, geht mit einfacher, regelbasierter Software. Aber auch die wirklich anspruchsvollen Themen haben meist mehr mit maschinellem Lernen als mit „echter“ künstlicher Intelligenz zu tun.

Der Orkan an KI-News, dem wir täglich ausgesetzt sind, befindet sich derzeit in der Phase „Gipfel der überzogenen Erwartungen“ des von Jackie Fenn entwickelten Hype Cycles. Ja, die Phase heißt wirklich so, und der Hype Cycle hat schon mehrfach bewiesen, dass er sich sehr gut auf neue Technologien anwenden lässt. Um den Spannungsbogen abzukürzen, bedarf es keiner weiteren Beschreibung der nächsten Phase, die als „Tal der Enttäuschung“ bezeichnet wird.

Wenn es dann wirklich in die Breite geht, diese Phase hat den klingenden Namen „Pfad der Erleuchtung“, dann werden wir auch einen ganz anderen Paradigmenwechsel erleben. Niemand wird mehr aufgeregt über KI-Modelle sprechen. Die wirklich guten KI-Modelle werden zwei Eigenschaften haben: Erstens werden sie sich unter einer dicken Schicht verstecken, dem sogenannten Application Layer, und zweitens wird es nicht eine KI sein, sondern eine Vielzahl von KIs, LLMs oder, um noch mehr im Buzzword-Universum zu bleiben, KI-Agenten.

Mit anderen Worten: Der Anwender wird gar nicht mehr mitbekommen, ob, wie und wann in den Tiefen der von ihm genutzten Software die verschiedensten KI – sprich: Foundation Modelle – leise vor sich hin brabbeln. Damit wird auch die aufgeregte Botschaft „KI KI KI KI“ weniger spannend. Für den Nutzer wird dies der Beginn des echten KI-Zeitalters sein, weil er mit Maschinen und Software in natürlicher Sprache interagieren kann wie mit anderen Menschen. Die Modelle selbst, also die wirklich schlauen unter den KIs, werden aber auch Eigenschaften haben, die heute noch nicht so stark ausgeprägt sind. Sie werden genauer – besser gesagt: stabiler – werden und nicht jedes zweite Mal ein etwas anderes Ergebnis liefern. Sie werden auch viel schneller sein, und sie werden transparenter werden (müssen), zumindest was den Dateninput betrifft.

Das betrifft aber viel mehr die Hersteller und viel weniger die Nutzer. Intelligente KI wird sich auch in Software und Maschinen verbergen, die man heute schon kennt, nur dass dort statt einer regelbasierten Software plötzlich eine intelligente KI sitzt. Hier würde es mich nicht wundern, wenn Apple zeigt, wie es geht. Für die technisch Interessierten unter uns zeigt Apple bereits das perfekte Versteck: seinen neuen M4-Chip. Mit seiner Rechenleistung von 38 TOPS (Tera Operations per Second) kann er auch ohne spezielle Grafikkarten sehr gut sehr, sehr schlaue KIs verstecken – äh … ich meine natürlich: integrieren.

Da bekommt der Marketingslogan von Apple für das neue iPad „Ein Monster von einem Chip“ eine ganz neue Bedeutung. Aber keine Sorge, wir werden das Apple-Monster in nächster Zeit nicht zu Gesicht bekommen, nicht weil es sich versteckt, sondern weil es nicht in die EU darf. Denn Apple hat bereits angekündigt, dass es seine neuen KI-Funktionen aufgrund der Anforderungen des Digital Marketing Act (DMA) vorerst nicht in der Europäischen Union einführen wird.

Wenn das Schule macht, ist auch der nagelneue EU AI ACT, der vor allem (oder ausschließlich) von Beamten und Politikern gefeiert wird, ad absurdum geführt, weil wir bei AIs dann ohnehin nichts mehr regeln müssen.

Gerhard Kürner

Gerhard Kürner

ist als Gründer von 506.ai Experte für künstliche Intelligenz. profil entführt er in seiner Kolumne „Der Maschinist“ ein Mal pro Monat in die technologische Zukunft.