Kolumne

Leihmutterschaft ist kein harmloser Freundschaftsdienst

Familienglück, wie immer es aussehen soll, darf nicht mit frauenverachtenden Mitteln erzwungen werden.

Drucken

Schriftgröße

In Italien plant die Regierung Meloni eine Kriminalisierung der seit 2004 verbotenen Leihmutterschaft über die Landesgrenzen hinaus. Einem neuen Gesetz zufolge, das Leihmutterschaft zu einem „internationalen Verbrechen“ erklärt, sollen sich italienische Staatsangehörige auch dann strafbar machen, wenn sie sich ihren Kinderwunsch in Ländern erfüllen, in denen Leihmutterschaft erlaubt ist.

Das kann man schlecht finden, weil es von der postfaschistischen Partei kommt und ziemlich sicher etwas mit sehr konservativen, völkischen Vorstellungen von Familie zu tun hat.

Allerdings kann man die Leihmutterschaft auch aus gar nicht völkischen oder sonst wie fragwürdigen Motiven ablehnen, sondern mit guten und einsehbaren Gründen. Leihmutterschaft ist nämlich mitnichten ein Ich-borge-euch-mal-schnell-meine-Gebärmutter-Freundschaftsdienst unter Menschen, die einander im Fall eines Uterus-Bedarfs aushelfen, so, wie man einander mit Salz aushilft, wenn gerade welches gebraucht wird, oder so, wie man eventuell seine Wohnung zur Verfügung stellt, wenn man sie eine Zeit lang nicht benützt. Oder so, wie man sein Auto – äh, nein. Das Auto lassen wir lieber aus dem Spiel.

Ihre Körper sollen tadellose Kinder hervorbringen, und wenn die Ware Kind schadhaft ausfällt, bleiben sie darauf sitzen. 

Jedenfalls ist Leihmutterschaft keine gute Tat wie das Blumengießen auf dem Nachbarbalkon zur Urlaubszeit oder das Gassigehen mit dem Hund der Freundin, die gerade einen Gipshaxen hat,sondern ein hochriskanter medizinischer Eingriff in die Gesundheit der Frau, die sich als Leihmutter zur Verfügung stellt. Deshalb macht sie das üblicherweise auch nicht aus purer Nächstenliebe, sondern aus wirtschaftlicher Not, für Menschen, deren privilegierte finanzielle Situation es ihnen erlaubt, die materielle Notlage der Leihmutter für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Leihmutterschaft ist ein Handel zwischen sehr ungleichen Handelspartner:innen. Die Leihmutter setzt dabei ihren Körper ein und riskiert ihre Gesundheit, wenn nicht gar ihr Leben. Denn Schwangerschaft und Entbindung sind schon unter ganz gewöhnlichen und herkömmlichen Umständen nicht ungefährlich. Die Leihmutter ist jedoch nicht einfach schwanger, sondern wird mit medizinischen Methoden schwanger gemacht. Sie bekommt Hormone, sehr oft in gefährlich hohen Dosen, und die Embryonen, die sie austragen soll, werden in Narkose implantiert. Die Kundschaft der Leihmutter setzt Geld ein und riskiert gar nichts. Leihmutterschaft ist auch mitnichten ein hipper Job, mit dem frau auf die Schnelle (neun Monate vergehen ja so rasch!) ordentlich Kohle bunkern kann, denn abgesehen davon, dass neun Monate Schwangerschaft unter Bewachung, in dürftig ausgestatteten Quartieren, mit null Privatleben (das ist der Standard) kein Traumberuf sind, verdienen die Leihmütter an dem Deal eher bescheiden. In Indien zwischen 5000 und 10.000 Euro pro Baby, wobei sie kein Geld sehen, wenn es zu einer Fehlgeburt kommt. Wer wirklich Kohle bunkert, das sind die Vermittlungsagenturen und die Fruchtbarkeitskliniken. Und wer jetzt sagt, dass 5000 Euro für „diese Frauen“ doch eh viel Geld seien, soll sich dieses Argument bitte an seinen postkolonialen Hut stecken.

Leihmutterschaft ist, kurz gesagt, Ausbeutung und reduziert Frauen auf Material zur Kindesherstellung, auf Gefäße, in denen Embryonen heranreifen. So werden sie eingesetzt, so werden sie behandelt. Ihre Körper sollen wunschgemäß tadellose Kinder hervorbringen, und wenn die Ware Kind schadhaft ausfällt, bleiben sie darauf sitzen. Ihre Seele ist nicht gefragt, eine Bindung an die Leibesfrucht unerwünscht. Was das mit ihnen und mit den von ihnen ausgetragenen Kindern macht, steht nicht zur Debatte.

Aber: Leihmutterschaft erscheint vielen ungewollt kinderlosen Paaren, heterosexuell oder gleichgeschlechtlich, einfach als Möglichkeit, sich den Wunsch nach einer Familie noch zu erfüllen. Wie das halt so ist: Die eigenen Interessen stehen im Vordergrund. Deswegen beschwören diese Gruppen eine Gesellschaft, in der sich Frauen nicht aus Not, sondern aus Altruismus als Leihmütter zur Verfügung stellen.

Abgesehen davon, dass die Realität anders ausschaut, stellt sich jedoch grundsätzlich die Frage: Ist es moralisch vertretbar, den Körper einer anderen Person in Anspruch zu nehmen und ihn gesundheitlich zu gefährden, um sich den Wunsch nach einem „perfekten“ Leben zu erfüllen? Gibt es eine gesellschaftliche Verpflichtung, dieser Vorstellung von Perfektion Vorrang einzuräumen, wenn nötig zulasten von Frauen, die sich wieder einmal in Selbstlosigkeit üben sollen? Was wiegt schwerer: die Sehnsucht nach einem Kind oder der Schutz von Frauen vor Nutzbarmachung und Repression?

Natürlich muss man sich Melonis Regierung jetzt nicht als Kampfgeschwader für Frauenrechte vorstellen. Wäre der Fratelli d’Italia das physische Wohl von Frauen wirklich so wichtig, wie sie tut, müsste sie auch die Eizellspende verbieten. Entgegen landläufigen Vorstellungen ist sie nämlich nicht so harmlos wie die Samenspende, sondern ebenfalls mit einer gesundheitsgefährdenden hormonellen Stimulation der Spenderin verbunden. Aber der Zugriff auf Eizellspenden ist heterosexuellen Paaren in Italien durchaus erlaubt. Gleichgeschlechtlichen Paaren und Singles hingegen ist er verwehrt, sie dürfen auch keine Samenspende in Anspruch nehmen und schon gar nicht adoptieren. Die Richtung ist klar, und Meloni macht kein Geheimnis daraus. Sie sei der Überzeugung, so sagte sie, dass „ein Kind nur das Beste verdient: eine Mutter und einen Vater“.

Die Bekämpfung der Leihmutterschaft lediglich als homophoben Bosheitsakt gegenüber queeren Paaren zu sehen, wäre trotzdem falsch. Sie ist gerechtfertigt. Denn Familienglück, wie immer es aussehen soll, darf nicht mit frauenverachtenden Mitteln erzwungen werden.