Kolumne

Populistische Medienstrategie: Die FPÖ rüstet nach

Ein neues Studio von FPÖ-TV, inhaltliche Eskalationen offline und online: Wie die FPÖ vor der Wahl medial einen Gang hochschaltet.

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Rechtspopulist:innen nutzen gerne diesen Trick: Mit feindseliger Rhetorik und verschwörungsaffinen Behauptungen führen sie eine Eskalation herbei – und dann inszenieren sie sich als Opfer dieser eskalierten Situation, die sie selbst provoziert haben. Zwei Beispiele dafür:

Am 19. September geben FPÖ-Chef Herbert Kickl und AfD-Chefin Alice Weidel in Wien eine Pressekonferenz – und gleich zu Beginn adressiert Kickl direkt die anwesenden Journalist:innen, seine Fans können die Szene im Livestream beobachten: „Ich bin schon gespannt auf die Berichterstattung dann von dieser Pressekonferenz, was ich da morgen oder heute noch zu lesen und zu sehen bekomme. Ich habe da ja schon einige Erfahrungen gemacht. Ich möchte Sie einfach dazu einladen, dass Sie uns alle positiv überraschen (…).“ Hier wird zwischen den Zeilen natürlich der Vorwurf eingebracht, Medien würden im Anschluss übertrieben negativ berichten.

Dass die Freiheitlichen konstant an der Vergrößerung ihrer medialen Parallelrealität arbeiten, lässt sich schon länger beobachten. Aktuell wird es aber umso ernster: Die Partei legt nach.

Aber genau solche negative Berichterstattung provoziert Kickl selbst, denn er liefert in dieser Pressekonferenz einige Provokationen: Er bezeichnet die „grüne Wende“ als „Ökokommunismus“, er behauptet, es gäbe einen „tiefen Staat“, der gegen die FPÖ arbeiten würde – das ist eine Rhetorik, die wir ähnlich von Donald Trump kennen, der über Jahre hinweg (sogar als US-Präsident) die Verschwörungserzählung verbreitete, es gäbe einen „deep state“, also einen tiefen Staat, der gegen ihn arbeite. Die FPÖ provoziert regelrecht kritische Berichterstattung und inszeniert sich dann als Opfer – es ist eine rechtspopulistische Self Fulfilling Prophecy.

Zweites Beispiel aus Deutschland: Die AfD schürt gerne Misstrauen vor der Briefwahl, zur Bundestagswahl 2021 verbreitet sie zum Beispiel Flyer mit dem Satz: „Steck ihn selber rein!“ (Gemeint ist hier der Stimmzettel, wobei hier wahrscheinlich jemand auch einen derben Sprachwitz machen wollte.) Die AfD Leipzig postet ein Bild, auf dem steht: „Schluß mit Betrug! Wählen nur in der Wahlkabine!“ Dazu passend gibt es dann Wahlen, bei denen AfD-Wähler:innen seltener die Briefwahl benutzen. In Nordhausen (Thüringen) scheiterte der AfD-Kandidat jüngst bei der Oberbürgermeisterwahl, auch hier nahmen wenig AfD-Fans die Briefwahl in Anspruch. Prompt suggerieren Accounts aus dem AfD-Umfeld, dass die Briefwahl missbraucht werden könnte. Und rechte Online-Kanäle sprechen gar von „#Wahlbetrug“. Auch das: eine sich selbsterfüllende Prophezeiung. Denn es ist ja kein Wunder, dass ausgerechnet Fans der AfD selten die Briefwahl nutzen, wenn ihre eigene Partei die Briefwahl schlechtredet.

Die FPÖ provoziert regelrecht kritische Berichterstattung und inszeniert sich dann als Opfer – es ist eine rechtspopulistische Self Fulfilling Prophecy.

Solche Rhetorik nährt Misstrauen – in demokratische Einrichtungen oder kritische Medien. Es ist auch ein Trick, um nicht substanziell darauf eingehen müssen, wenn die Partei eine Wahl verliert oder kritische Berichte nach einer Pressekonferenz folgen, man hat ja im Vorfeld die Fans gewarnt.

Eine wichtige Rolle spielen hier Social Media: Dieses Spiel funktioniert auch deshalb, weil ein Teil der blauen Wähler:innenschaft wenig oder vorrangig mit negativen Gefühlen etablierte Medien konsumiert. Das schlägt sich sogar in Umfragedaten nieder, zeigt etwa eine Befragung des Austrian Corona Panel Projects 2022. Im Schnitt weisen FPÖ-Wähler:innen beispielsweise eine um 22 Prozent höhere Wahrscheinlichkeit auf, Telegram als Medium zu nutzen, und eine 31 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, ORF-Nachrichten zu konsumieren.

Dass die Freiheitlichen konstant an der Vergrößerung ihrer medialen Parallelrealität arbeiten, lässt sich schon länger beobachten. Aktuell wird es aber umso ernster: Die Partei legt nach. Seit rund elf Jahren gibt es den YouTube-Kanal „FPÖ-TV“, mit dem die Partei frühzeitig ihre eigenen Videobotschaften verbreitete. Jetzt haben sie technisch nachgerüstet, die Moderatorin erzählt am 21. September: „Heute können wir das Geheimnis lüften: Wir haben ein FPÖ-TV-Studio gebaut – und aus diesem Studio heraus werden wir Sie in Zukunft mit spannenden Interviews, Diskussionsrunden und Analysen versorgen.“ Mein Eindruck ist: Rechtzeitig vor der Nationalratswahl macht sich die FPÖ medial bereit – wird angetrieben von starken Umfragedaten. Sie intensiviert ihre eigenen Online-Kanäle, wagt auch umso mehr rhetorische Eskalation (siehe Video der FPÖ-Jugend, welches inhaltlich gut zum Weltbild der rechtsextremen identitären Bewegung passt). Wie kann man auf solche politischen Provokationen reagieren?

Meines Erachtens sind zwei Reaktionsmöglichkeiten sinnvoll: einordnen und nicht verlinken. Ich bin der Überzeugung, dass es eine entlarvende Wirkung hat, wenn man die Mechanismen populistischer Diskussionsführung wiederholt erklärt. Natürlich sind komplett überzeugte FPÖ-Fans an einigen Einordnungen nicht interessiert, aber es gibt auch jene, die nicht hundertprozentig überzeugt sind, die man tatsächlich warnen und sensibilisieren kann. Und zweitens: Ich teile keine Beiträge von FPÖ-Social-Media-Kanälen. Sie müssen nämlich damit rechnen, dass die Algorithmen dieser Plattformen das als Signal bewerten, dass solche Beiträge sehenswert sind und umso mehr Leuten das einblenden. Beide Zugänge mögen kein Wundermittel gegen Rechtsaußen-Provokationen sein, aber ich habe doch den Eindruck: Lieber hätten Parteien wie FPÖ und AfD dass eben niemand ihre Methoden erklärt und dass wir alle brav bei ihrem Medienspiel mitspielen.

Ingrid   Brodnig

Ingrid Brodnig

ist Kolumnistin des Nachrichtenmagazin profil. Ihr Schwerpunkt ist die Digitalisierung und wie sich diese auf uns alle auswirkt.