Rainer Nikowitz: Ausweitung der Kampfzone

Seit die grüne Weltuntergangssekte in der Regierung war – und Sigrid Maurer wie erwartet Innenministerin –, blieb die FPÖ gleich ganz im Bunker.

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Norbert nahm den Helm ab, schloss die Augen und strich sich seufzend mit der flachen Hand über die gramzerfurchte Stirn. Es hatte wieder einen von ihnen erwischt. Er schämte sich seiner Tränen nicht.

Wochenlang hatte es zuletzt keine Verluste gegeben, aber trotz aller Vorsichtsmaßnahmen, trotz des Einsatzes des gesamten gemeinsamen, im jahrzehntelangen Selbstverteidigungskampf gegen die Jagdgesellschaft erworbenen Know-hows, waren sie natürlich nicht völlig zu vermeiden. Tatsächlich grenzte es an ein Wunder, dass der heutige Gefallene insgesamt erst der Dritte war, seit die Anarchie ins Innenministerium eingezogen und danach losgebrochen war, was zwingend losbrechen hatte müssen: der Bürgerkrieg. Der Clash of Cultures bei jedem Schnitzelwirten, um jeden freien Sitz in der Straßenbahn, vor jeder roten Ampel. Dazu paramilitärische Horden von linken Soziologiestudenten, die Männer mit korrekter Kleidung und ebensolchen Seitenscheiteln durch die Straßen trieben – wenn diese nicht schon zuvor von Frauen, die durch Miniröcke vortäuschten, richtige zu sein, aber dann den schwarzen Gürtel hatten, zur Strecke gebracht worden waren. Die Gratiszeitungen waren voll mit grässlichen Storys. Und das war vorher nie so gewesen! Überall herrschte Chaos, anständige Bürger trauten sich nicht mehr auf die Straße.

Norbert auch nicht.

Und, obwohl er natürlich wie immer eine große Lippe riskierte: Herbert in Wirklichkeit ja auch nicht. Und Norbert wusste von einem Konfidenten, den er im Stab seines selbstbewussten stellvertretenden Kommandeurs platziert hatte, dass Herbert sogar fürchtete, die Gesetzlosen könnten in den blauen Bunker vordringen. Also trug er aus Sicherheitsgründen ein Kettenhemd. Auch nachts. Da kamen dann noch andere Gründe dazu. Aber Norbert war ja nichts Menschliches fremd. Wobei das Komische daran war: Herbert an sich ja schon …

Es war eben ein Dschungel da draußen. Der, vor dem sie immer gewarnt hatten. Der, den nur ein blauer Innenminister verhindern hätte können.

Der Wuschnigg Bertram also. Nicht, dass Norbert den jetzt gefallenen Kärntner Abwehrkämpfer, der in der Division Möllbrücke aufgrund seiner im Zivilberuf als Holzknecht erworbenen Kenntnisse von Wald und Wiese sicherlich einer der hervorragendsten Fährtenleser gewesen war, persönlich gekannt hatte. Aber er fühlte sich ihm gerade so verbunden! Umso mehr, da er schon vorausahnte, dass die Gegenseite auch in diesem tragischen Fall wieder einmal jedwedes Ehrgefühl vermissen lassen und sicherlich höhnisch anmerken würde, dass der gute Mann möglicherweise auch in Friedenszeiten beim Absacker nach dem nächtlichen Heimkommen den Obstler mit dem in einem leider täuschend ähnlichen Gebinde aufbewahrten Rohrreiniger verwechseln hätte können. Und dabei würde sie selbstverständlich böswillig die Tatsache außer Acht lassen, dass der Wuschnigg Bertram ohne eine Innenministerin Sigrid Maurer sicher nicht dermaßen rauschig gewesen wäre, weil er sich ja dann nicht so viel Mut für den gefährlichen Heimweg vom Wirten antrinken hätte müssen.

Aber leider hatte man ihnen schon die beiden anderen Opfer der bürgerkriegsähnlichen Zustände abgestritten. Die Regierung ließ ja nichts unversucht, jeglichen Beweis für das, was da draußen abging, zu diskreditieren und alles abzustreiten. Traurig, dass dabei auch der natürlich blitzartig grün umgefärbte Sicherheitsapparat mitmachte. Und zwar tatkräftig. Oder war es etwa kein Akt völlig willkürlicher Polizeigewalt gewesen, dass der Steinhofer Karl aus der Division Flachgau vom Balkon gefallen war? Weil das Megafon der brutalen Bullen zu laut eingestellt gewesen war – und der Karl wie viele sensible Sicherheitsverfechter immer schon ein bisschen schreckhaft? Dabei hatte der Karl seinerseits ja nur in einem Akt vorauseilender Selbstverteidigung auf einen Busch geschossen, von dem er sich vorstellte, er sei der Van der Bellen. Man musste sich doch wappnen, in Zeiten wie diesen! Wozu also so ein völlig überschießender Megafon-Einsatz?

Na ja, und was sagten sie wohl über den Kalinic René von der Division Donaustadt, beim dem es zwei Zeugen gab, die gesehen hatten, dass seine letzte Mahlzeit ein Döner gewesen war? Herzinfarkt! Keine Gerichtsmedizin, kein nichts. Alles vertuscht! Beinahe unnötig, zu erwähnen, dass Herbert seither einen Vorkoster hatte.

Es war eben ein Dschungel da draußen. Der, vor dem sie immer gewarnt hatten. Der, den nur ein blauer Innenminister verhindern hätte können. Irgendwann, da war sich Norbert sicher, würde es wieder einen geben. Aber dann war es wahrscheinlich schon zu spät. Das Einzige, das er mit Sicherheit wusste, war, dass die Welt sicher nicht wegen dieses Klimablödsinns untergehen würde. Das war aber leider auch schon alles. Denn sonst gab es ja Gründe noch und nöcher!!

Norbert setzte den Helm wieder auf und atmete scharf durch. Dann stand er auf und ging zum nächsten Interview. Skype natürlich. Weil so leicht kriegten sie ihn sicher nicht.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort