Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Buchstäblich KHG

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Als Karl-Heinz mich in einer viel gelesenen SMS fragte, ob ich denn eventuell bereit wäre, seinen packenden Lebenserinnerungen ein paar meiner nichtswürdigen Worte voranzustellen, dachte ich genauso lang nach wie er seit der Volksschule. Sekunden später blinkte die Antwort auf seinem auf Hochglanz polierten Display: „Wenn ich schon nicht dein Trauzeuge sein durfte …“

Zu dem Zeitpunkt, zu dem ich diese mit absoluter Sicherheit wichtigsten Zeilen meines Lebens tippe, steht der Titel des Werks, das ob seiner erzählerischen Wucht einen Tolstoi endgültig in den Orkus des Vergessens stoßen, ob seiner Sprachgewalt eine Umbenennung des Klagenfurter Bachmannpreises in KHG-Privatstiftung unumgänglich machen und ob seines beißenden Witzes Ambrose Bierce gerade einmal noch so originell erscheinen lassen wird wie Ambros Wolfgang, noch nicht endgültig fest.

Aber egal, ob es jetzt „KHG – Alleine gegen die Mafia“, „KHG – der verfolgte Shooting-Star“, „KHG – Ich überlebe die Jagd“, „KHG – Die Vertreibung aus dem Paradies“ oder „KHG – Das Vollgasleben“ heißen wird, es wird auf jeden Fall eine Sensation. Ich persönlich habe übrigens für „KHG – Die alleinige Vertreibung der überlebenden Vollgas-Starmafia aus dem verfolgten Jagdparadies“ plädiert, bin mir aber keineswegs sicher, dass mein lieber Freund meinen Rat auch annehmen wird. Und das könnte ich ihm wirklich nicht übel nehmen, denn er ist mit der Befolgung von Ratschlägen ja beileibe nicht immer gut gefahren.

Erst unlängst hatte ihm beispielsweise Fiona, seine sich noch dunkel an ihn erinnern könnende Gattin, zu einer neuen Anti-Aging-Nachtcreme geraten, die ihm aber leider nicht gut bekam: Seine Nase sah schon nach dreimaliger Anwendung um sicher 18,7 Prozent großporiger aus. Das reicht in KHGs Welt schon einmal für zwei Wochen schlechte Laune.

Es gilt hier nicht nur, die ungeheuren Verdienste der neben dem Charakterdarsteller Paul Löwinger und dem Stimmwunder Thomas Forstner wohl bedeutendsten Pop­ikone Österreichs noch einmal in Erinnerung zu rufen. Obwohl es natürlich nie schaden kann, sich von Zeit zu Zeit in aller ungeschminkten Drastik vor Augen zu führen, was es rund um die Buwog zu verdienen gab. Und diese Zeilen sollen auch nicht nur dazu dienen, ihn, den unter irrtümlich Lobotomierten Vielgeliebten, gegen insistierende Indizien zu verteidigen. Nein.

Es ist vielmehr höchste Zeit, dass sich Österreich auch einmal mit dem Menschen hinter der Fassade des schönen Emporkömmlings, der ausschließlich durch arbeitslose Einkommen reich wurde und trotz seines nun schon Jahre dauernden Kampfs gegen die Mächte der Finsternis nie den flockigen Tiefgang eines Luftkissenboots verloren hat, auseinandersetzt. Denn das tut eigentlich nie jemand. Zumindest nicht freiwillig. Und die in seinem Umfeld, die es unfreiwillig tun sollten, tun es schon deshalb nicht, weil sie sich ausschließlich für sich selbst interessieren. Wobei man sich als wohlmeinender, besorgter Freund da schon fragen muss, warum sie ihn dann überhaupt geheiratet haben.
Und ich als einer, der den Karl-Heinz nun wirklich schon sehr lange kennt, eigentlich seit er das Hochbegabtenstipendium in Princeton abgelehnt hat, um sich mit Walter Meischberger beim Koffertragen und so weiter von Jörg Haider abzuwechseln, muss Ihnen an dieser Stelle sagen: Das ist ausgesprochen schade. Denn der Mensch Karl-Heinz Grasser, diese betörende Mischung aus Nelson Mandela, Warren Buffett und der Jungfrau von Orleans, der Mensch Karl-Heinz Grasser alleine würde nämlich bei quasi jedem schon ausreichen, um zu sagen: Na, servas!

Jeder große Menschenkenner und auch -freund, sei es nun Wolfgang Schüssel oder Elisabeth Sickl oder Charles Manson, würde mir jetzt sicher lauthals zustimmen.

Darum bitte ich Sie: Lesen Sie dieses Buch mit jener vollkommenen Unvoreingenommenheit, die Ihnen laut ins Ohr schreit, dass sein sensibler Autor unschuldig ist. Glauben Sie ihm endlich einmal ohne Ansehen der Person auch die hanebüchensten Ausreden für seltsame Geldflüsse zwischen Hundertschaften von Briefkastenfirmen. Hassen Sie gemeinsam mit ihm seine Schwiegermutter. Zerbrechen Sie sich seinen Kopf, wie sich Capri, Kitzbühel und null Einkommen in weiterer Folge so vertragen werden.

Fühlen Sie nicht nur mit Karl-Heinz Grasser, schlüpfen Sie ganz in seine Haut. Und freuen Sie sich, wenn Sie wieder draußen sind, zum ersten Mal seit Jahren wieder einmal Ihres ­Lebens und vor allem auch darüber, dass Sie mit Ihrer Frau verheiratet sind. Und wenn Sie den Ärmsten der Armen dann vielleicht einmal irgendwo leibhaftig treffen sollten, sei es bei einer Autorenlesung im ausverkauften Ernst-Happel-Stadion oder bei der Verleihung des Literaturnobelpreises oder bei ­einer Autogrammstunde im Balkan-Grill in der Lugner-City: Zeigen Sie ihm, dass Sie ihn lieben. Schenken Sie ihm Ihre Aufmerksamkeit. Und vielleicht auch einen Euro.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort