Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Die Krise? Gegessen.

Die Krise? Gegessen.

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Bereits zum fünften Mal lud profil-Herausgeber Christian
Rainer Prominenz aus Politik, Wirtschaft und Kultur zum „Editor’s Dinner“ ins Palais Rahimi in der Wiener Innenstadt. Unter den Gästen befanden sich heuer unter anderem Sozialminister Rudolf Hundstorfer, Umweltminister Nikolaus Berlakovich, ÖVP-Generalsekretär Johannes Rauch, Stadtrat Christian Oxonitsch, der grüne Abgeordnete Werner Kogler, Museumsdirektorin Gabriele Zuna-Kratky, Nationalbibliothek-Prinzipalin Johanna Rachinger, Ingried Brugger vom BA Kunstforum, Alexander Wrabetz und Richard Grasl vom ORF, Industriellen-General Veit Sorger, Erich Hampel von der Bank Austria, der Chef der Kontrollbank Rudolf Scholten oder Casino-Chef Karl Stoss. Zwischen Suppe und Hauptgang wurde wie immer Rainer Nikowitz aufgetragen – mit dieser Rede.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir freuen uns sehr, dass Sie sich heute hier eingefunden haben, um mit uns gemeinsam tapfer gegen die Krise anzuessen.

Falls Ihnen schon nach der Suppe ein wenig langweilig sein sollte, weil Sie zum Beispiel den Hoffmann-Ostenhof, den Nikbakhsh oder mich als profil-Tischherrn erwischt haben, dann möchte ich Ihnen Trost spenden: Immerhin leben Sie wenigstens in sehr spannenden Zeiten. Als Sie sich zu Tisch begeben haben, hat es den Euro noch gegeben. Aber jetzt – wer weiß?

In diesem Zusammenhang möchte ich aber nicht versäumen, einen großen Europäer zu zitieren, der vor Kurzem gesagt hat: „Es gibt überhaupt keine Krise in Italien – die Restaurants sind voll.“

So was kann nur von einem stammen. Und wir hätten Silvio Berlusconi auch gerne eingeladen, um ihm unseren Dank für seinen unermüdlichen Einsatz zum Wohle des gemeinsamen Währungsraums persönlich näherzubringen. Aber er ist leider verhindert, weil er seiner neuen Freundin am wichtigsten Tag ihres Lebens zur Seite stehen muss.
Sie hat heute ihre Firmung.

Herr Berlusconi hat aber ausrichten lassen, dass wir uns, wenn wir was wissen wollen über den aktuellen Zustand Italiens, an Erich Hampel halten sollten, dem ich an dieser Stelle zu seiner vor zwei Wochen erfolgten Kür zum Aufsichtsratspräsidenten der Bank Austria übrigens mein tief empfundenes Mitgefühl ausdrücken möchte. Wenn Italien während unseres Abendessens endgültig bankrottgehen sollte und den Euro gleich mitnimmt, dann erführe es Hampel aufgrund der fruchtbringenden Verbindung mit der blendend aufgestellten italienischen UniCredit als einer der Ersten, meinte der Cavaliere.

Falls aber jetzt demnächst Hampels Handy piepsen sollte und ihm nach dem Lesen der SMS das Gesicht runterfällt, sollten sich seine Tischnachbarn trotzdem nicht sofort die Freude an diesem Abend verderben lassen, denn der Grund könnte ja auch ein ganz harmloser sein, etwa, weil in diesem SMS nur steht: „Komm sofort nach Hause, oder du schläfst auf der Couch!“

Wir dürfen Ihnen, Krise hin oder her, übrigens versichern, dass wir mit der Europäischen Zentralbank keinerlei Berührungspunkte haben. Wir haben nämlich im Gegensatz zu ihr überhaupt keine Skrupel, zu hemmungslosem quantitative easing zu greifen – zumindest bei der Größe der Portionen.

Falls aber in den nächsten Minuten die Hyperinflation plötzlicher über uns hereinbrechen sollte, als Nicolas Sarkozy „Merde!“ sagen kann – dann können wir Ihnen zwar natürlich nicht das Zehn- oder Hundertfache verrechnen, weil Sie zahlen ja nichts, aber wir könnten uns in dieser absoluten Notlage doch noch gezwungen sehen, Ihnen statt einer Schnitte vom Beiried doch eine von Manner auf Ihre Teller zu legen. Und die Fischfreunde unter Ihnen bekämen dann halt eine Lupe zum Hauptgang dazuserviert – zum Huchen-Suchen.

Die Inflation, wenn schon nicht Hyper-, so doch jedenfalls hoch, wird wohl kommen, ich nehme an, die anwesenden Wirtschaftsexperten werden mir da nicht widersprechen. Der einzige Weg, sie zu vermeiden, ist vermutlich der sofortige Crash, und den wollen wir uns ja lieber nicht ausmalen.

Und in gewissen Lebensbereichen ist diese Inflation ja auch schon eingetreten, man kann, wenn man genau hinschaut, durchaus schockierende Beispiele für horrende Zahlensprünge sehen. Nehmen wir einmal den Mann, nach dem das heutige Dinner benannt ist: den Editor. Christian Rainer.

Überlegen Sie einmal: Wie lang ist es her, dass Sie ihn zum letzten Mal, was weiß ich, auf der Society-Seite von „Heute“ oder in den „Seitenblicken“ gesehen haben, modisch wie immer eine einzige Killerapplikation, und dass Sie sich dabei gedacht haben: „Mein Gott, wird der Kerl eigentlich nie erwachsen?“ Der Blick von Minister Hundstorfer sagt jetzt: „Kommt mir vor, als wär es erst gestern gewesen!“

Und was ist jetzt auf einmal? Was ist, quasi über Nacht, passiert? Christian Rainer ist 50. Nicht, dass ihm das irgendwelche Probleme bereiten würde, nein. Sonst würd ich’s ja auch nicht ansprechen, das ist nicht meine Art.
Ja, es lässt sich nicht länger leugnen, Christian Rainer ist dabei, die werberelevante Zielgruppe zu verlassen. Und zwar durch die Hintertür. Er beginnt sein 51. Lebensjahr oder, wie es meiner Meinung nach noch schöner klingt: Er beginnt sein sechstes Lebensjahrzehnt. Oder aber auch: Er ist dem Achtziger näher als dem Zwanziger. Da gibt es viele schöne Berechnungsmodelle – und eines gefällt ihm besser als das andere … Und gerade er muss sich natürlich erst daran gewöhnen, dass eine wildfremde Frau, die sich plötzlich bei ihm einhakt, nur eines im Sinn haben kann: Ihm über die Straße zu helfen! Aber Christian, du darfst eines nicht vergessen: Dein Alter hat auch seine Vorteile. Der meiner Meinung nach größte: Mit 50 ist man für eine Midlife-Crisis entschieden zu alt!

Aber stell dir jetzt einmal vor, du wärst jetzt, mit deinem Alter, bei den ÖBB. Das hieße nämlich: Du wärst bald nicht mehr bei den ÖBB! Und die SPÖ würde dafür Sorge tragen, dass man deine Verdienste um den öffentlichen Verkehr keinesfalls krankjammert.

Aber man könnte ja in deinem Alter ohnehin, sofern man das will, langsam beginnen, am Aufbau des Burn-outs zu arbeiten, das einem den Weg in die baldige Frühpension ebnet. Rudolf Hundstorfer stünde da sicher gern mit Rat und Tat zur Seite, seine Zeiten als Vorsitzender der Gewerkschaft der Gemeindebediensteten sind noch nicht so lang her, er weiß sicher noch, wie das wichtigste Notwehrinstrument gegen die unmenschliche neoliberale Ausbeutung funktioniert.

Aber jetzt wird ja alles anders mit den Frühpensionen, jetzt kommt ja die Schuldenbremse in die Verfassung, und auch die SPÖ ist sicherlich wild entschlossen, dafür auch dorthin zu gehen, wo es, in der Fußballersprache gesprochen, wirklich wehtut: in sich.

Es gibt aber auch anderswo Beispiele für diese Inflation, die jetzt schon mitten unter uns wütet, die aber kein statistischer Warenkorb irgendwie erfasst.

Denken Sie nur an das kürzlich stattgefundene Bildungsvolksbegehren. Sechs Prozent der Wahlberechtigten haben es unterschrieben. Darüber hat sich Hannes Rauch in Vertretung der ÖVP sehr gefreut, weil das die Position der ÖVP in Bildungsfragen – im Fachdeutsch auch die Beamten-Mikado-Stellung genannt – bestätigt hätte. Das heißt also: Gerade noch ist die ÖVP in den Umfragen an der 20-Prozent-Grenze entlanggeschrammt – und auf einmal schweigen sensationelle 94 Prozent schwarz!

Nikolaus Berlakovich hat sich dermaßen gefreut über diesen Kantersieg, dass er dem Androsch all seine Bonusmeilen bei der Air France geschenkt hat.

Da sitzen also heute sicher auch einige Neo-Schwarze unter uns, denen man das ja nie zugetraut hätte. Andererseits hat zum Beispiel der Präsident der Industriellenvereinigung Veit Sorger auch endlich einmal Farbe bekannt, er hat das Volksbegehren öffentlich unterstützt und wohl auch unterschrieben.

Er wäre heute auch sicher gerne in seinem Che-Guevara-T-Shirt gekommen, aber manchmal halten sich dankenswerterweise sogar Erzlinke an den Dresscode.

Gut, zu dieser Interpretation von Hannes Rauch muss man schon noch anmerken, dass er ja früher Pressesprecher des damaligen Innenministers Ernst Strasser war. Und da entwickelt man mit der Zeit wahrscheinlich irgendwie ein natürliches Gefühl für den Umgang mit großen Zahlen.

Wer natürlich auch sehr mit der Inflation zu kämpfen hat, ist der ORF. Schließlich wird alles immer teurer. Die Technik. Die Champions League. Die Direktoren.

Und darum hat sich die Koalition dem Wunsch von Alexander Wrabetz – und, davon kann man zumindest dieses eine Mal getrost ausgehen, auch von Richard Grasl – nicht verschließen können: Die ORF-Gebühren werden voraussichtlich Mitte 2012 um sieben Prozent erhöht.

Das ist nur recht und billig. Man muss schließlich mit allen Ressourcen, die man irgendwie zusammenkratzen kann, auch in der kommenden Rezession und auch angesichts von Schuldenbremsen und Sparpaketen, man muss also unter allen Umständen verhindern, dass der öffentlich-rechtliche Rundfunk vor die Hunde geht.

Sprich: dass „Bauer sucht Frau“ auf ATV mehr Quote hat als „Chili“ im ORF.
Also wird niemand etwas gegen diese maßvolle Erhöhung der ORF-Gebühren haben – bis auf einen. Der ist doch ein bissl blass um die Nase geworden, wie er das mit den sieben Prozent gehört hat. Sie können sich sicher denken, um wen es sich dabei handelt – um Fritz Neugebauer.
Der will ja nur 4,65 Prozent. Das Weichei.

Nunmehr habe ich aber meine Redezeit für heuer auch schon über Gebühr hochinflationiert, ich würde vorschlagen, wir vertagen uns auf nächstes Jahr, und wenn das gesamtwirtschaftliche Umfeld passt, rede ich dann so zwischen sechs und acht Stunden.

Wobei, vielleicht sollte ich nicht so pessimistisch sein. Vielleicht ist es ja so:
Es gibt in Österreich überhaupt keine Krise. Das Palais ­Rahimi ist ja voll.

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