Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Die neun Verschworenen

Die neun Verschworenen

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In der brandneuen 6-Sterne-Alpen-Erlebnis-Wellness-Therme St. Hippolyt am Autobahnzubringer war die Stimmung am Überkochen.

Sicherlich leistete das besonders ausgeprägte Blubbern des Whirlpools, das dem altasiatischen Gesundheitskonzept des „Qi Bong“ folgte und mit dem sich St. Hippolyt von den benachbarten Thermen Schwarzloch und Oed in der Gegend doch deutlich unterschied – was sich wiederum in den um 47 Prozent höheren, aber von Landeshauptfrau Gabi Burgstaller nichtsdestotrotz sehr gerne gewährten Subventionen pro Eintrittskarte niederschlug –, hiezu einen nicht zu unterschätzenden Beitrag. Noch bedeutsamer waren aber zweifellos die Warmwasser-Insassen. Es handelte sich bei jenen um keine Geringeren als die neun absolut wichtigsten Menschen Österreichs – und sie waren heute ausgesprochen prächtiger Laune.

Franz Voves hatte ja eigentlich vorgeschlagen, die Landeshauptleutekonferenz diesmal am Ostportal des Koralmtunnels abzuhalten. Der teuerste Ausblick Österreichs hätte der Zusammenkunft der weitblickendsten Politiker des Landes sicherlich besonderen Glanz verliehen, gab es doch nicht jedes Jahr ein Bundesbudget zu feiern, das den Ländern keinen wie auch immer gearteten Sparwillen abverlangte. Wobei: eigentlich schon.

Nun, wie auch immer. Jedenfalls hatte dann Burgstaller befunden, eine voll suprige neue Therme, auf die die Welt dringend gewartet hatte und die darüber hinaus dazu angetan war, die Strukturschwäche des hinteren Surmtals zu beheben und die Landflucht um mindestens 0,7 Prozent einzudämmen, sei doch auch ein Ort, an dem sich Erreichtes trefflich begehen und noch zu Erreichendes hervorragend in ultimative Forderungen gießen ließe.

„Wirrrtschaft!“, rief der für seine Verhältnisse geradezu enthusiasmierte Herbert Sausgruber zum wiederholten Male aus – und er meinte damit nicht jene, deren weltweite Krise aufgrund des umsichtigen Verbratens des Geldes anderer Leute völlig folgenlos an den neun Kleinodien des österreichischen Föderalismus, der, wie ja die wenigsten wussten, Moses einst von Gott persönlich als elftes Gebot in die Steintafeln diktiert worden war, vorüberzog.

Nein, der fidele Herbert, den man ja sonst selbst im Landhauskeller höchstens einmal schmunzeln sah – und auch das nur, wenn der Finanzminister gerade wieder einmal eine Blut-, Schweiß- und Tränen-Rede gehalten hatte –, wollte bloß eine neue Runde Caipirinhas ordern, so wohl fühlte er sich. Und wer wollte es ihm verdenken?

Der Pröll-Erwin hatte Voves’ Wunsch nach einem zärtlichen Blick auf den Koralmtunnel zu Beginn der Sitzung in seiner unnachahmlichen Art noch einmal thematisiert: „Zehn Milliarden für a Loch im Berg, des kana braucht! Res­pekt! Aber falls ihr euch das do no überlegts, dann gebts einfach mir die zehn Milliarden! I investier sie in Irland – und mach euch im Handumdrehen fünfe draus!“

Das folgende Gelächter war lang anhaltend und parteiübergreifend. Hans Niessl klatschte mit der flachen Hand wiederholt auf das Wasser, wie sein Bruder im Reformgeiste, Nikita Chruschtschow, einst mit dem Schuh aufs Pult der UN, Günther Platter hatte sich im Finanzausgleichsüberschwang offensichtlich seiner Badehose entledigt und schwang sie wie ein Lasso über seinem Kopf. Und Michael Häupl grölte: „Geh, Erwin! Was san scho zehn Milliarden? Grad amoi fünf Jahr ka Pensionsreform für die Landesbeamten.“ Daraufhin bestand kurz die Gefahr, dass die Feierstimmung kippen könnte. Der Wiener hatte allzu leichtfertig einen ernsten Punkt angesprochen.

Jedem von ihnen war klar: Für all das, was sie ganz dringend nicht tun wollten, würden sie wesentlich mehr brauchen als mickrige zehn Milliarden. Aber andererseits war heute nicht der Tag, an dem man solch düsteren Gedanken nachhängen sollte. Und als der Pühringer-Joe mit seinem satten Landeslehrer-Bariton „We Are the Champions“ anstimmte, war der leichte Anflug zentralistischer Depression auch schon wieder verflogen.

Gerhard Dörfler brachte einen Toast auf sämtliche 24-jährigen Studenten Österreichs aus, deren großherziger Verzicht auf die Familienbeihilfe es ihm ermöglichte, weiterhin den Ankauf von Kärntner Anzügen zu subventionieren.

Erwin Pröll ersuchte die Kollegen, ihn bei der Forderung zu unterstützen, im Sinne einer wirklich zukunftsweisenden Bildungsreform nach den Lehrern auch noch die Universitätsprofessoren in den Landesdienst zu bekommen. Er kenne da nämlich eine Fußpflegerin aus einer seit Generationen sicherlich bei keiner Wahl einen Fehler begehenden Familie, die sich beispielsweise als Quantenphysikerin ganz hervorragend machen würde. Oder auch als Sinologin. Und solche Fälle kenne sicher jeder seiner Kollegen zur Genüge.

So verging die Arbeitszeit wie im Flug. Als sich die neun am Abend wieder trennten, stand kurz die Frage im Raum, wer denn jetzt die Rechnung zu begleichen habe. Aber nur kurz.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort