Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Drei Fragen an Josef Cap

Drei Fragen an Josef Cap

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Josef Cap saß in seinem wie immer von keinerlei Akten korrumpierten Büro und tat, was er am liebsten tat: Er dachte mit einem Gefühl von an Zärtlichkeit grenzender Zuneigung über jenen Menschen nach, der ihn in seinem ganzen politischen Leben wirklich noch nie enttäuscht hatte. Über Josef Cap.

Im Fernsehen lief gerade die Zusammenfassung des Länderspiels, ohne Ton. „Nur 47.000 bei Österreich gegen Deutschland – aber 62.000 wegen Pepi Cap abseits“, murmelte er vergnügt, weil immer, wenn so was war, ein großes Match, die Rolling Stones oder der Mörbischer Operettensommer, verglich er gern einmal die Zahl der Fans. Auch, damit er seine nicht vergaß. „Andererseits“, stellte sich Josef Cap die erste Frage des Abends: „Wie könnte ich meine Fans jemals vergessen?“

Hinter ihm an der Wand hing in einem Rahmen ein Spruch: „Josef Cap hat die intellektuellen und psychischen Voraussetzungen dafür, sich den Gegebenheiten anzupassen. Damit ist er einer der letzten Vertreter jener Spezies, die es schaffen konnte, von der Uni bis zur Pension Politiker zu bleiben.“

Josef lächelte versonnen. Es gab ja bis heute Leute, die glaubten, Alfred Gusenbauer hätte das gar nicht als Kompliment gemeint. Gott, der Alfred! Schon schade, dass der weg war. Weil, ideologisch war das natürlich schon was anderes gewesen als jetzt beim Wohnbaustadtrat. Andererseits musste man beim Alfred mittlerweile angesichts seiner ganzen Jobs beim Klassenfeind leider eine ziemliche Prinzipienlosigkeit konstatieren.
Josef verabscheute Prinzipienlosigkeit.

Sein Schreibtisch wackelte irgendwie … Ach so. Caps Bestseller „Kamele können nicht fliegen“, ein Standardwerk der politischen Künste, das im Jahr 2005 in zwei aufeinanderfolgenden Wochen in der Leihbibliothek der SPÖ-Sektion Sandleiten nicht und nicht zu bekommen gewesen war, war unter dem einen zu kurz geratenen Bein des Tischs, den sein glühendster Verehrer aus der SJ im Nicaragua-Soliurlaub gebaut hatte, herausgerutscht. Josef fand, dass er mit dieser ungewöhnlichen Stütze für das ideologiefeste Möbelstück eine für jeden Besucher sofort spürbare sympathische Selbstironie demonstrierte.

Gedankenverloren schaute Josef seinen Pageturner an. Er hatte damals als leichtfüßigen Leitgedanken formuliert: „Wenn Inszenierung und Inhalt in der Politik nicht übereinstimmen – entweder weil es gar keinen Inhalt gibt oder weil der Inhalt ein anderer als versprochen ist –, geht das auf Dauer nicht gut.“

Gewiss: eine gewagte These. Aber wenn man den ungeheuren Vorteil hatte, Josef Cap zu sein, konnte man natürlich leicht tagtäglich demonstrieren, wie intellektuell rein und richtig sie war.

Ja natürlich: Wenn das nur alle Parlamentarier mit derartiger Festigkeit vorleben würden wie er – dann würde die Welt anders aussehen. Aber den anderen fehlte es ja leider meistens nicht nur daran, sondern auch an anderen Fertigkeiten, deren Beherrschung er seine Ausnahmestellung im zeitgenössischen Parlamentarismus verdankte. Und natürlich auch an der Erfahrung, die er als längstdienender Abgeordneter hatte, der nach 30 Jahren in diesem Haus jeden Winkel kannte – und vor allem jeden noch so kleinen Ausgang. Der aber natürlich auch die ehrenvolle Bürde auf sich genommen hatte, als Primus inter Pares dafür zu sorgen, dass der Parlamentarismus, der ihn 30 Jahre lang freiwillig und freudig genährt hatte, ernst genommen wurde. Und ­darum stellte sich Josef Cap die zweite Frage des Abends: „Wo wären die ohne mich?“

Natürlich, Josef musste schon zugeben, dass selbst ein Vertreter der allerreinsten Lehre wie er nicht gänzlich dagegen gefeit war, das, was er liebte, zu verletzen. Der mitunter in seinem fast blinden Eifer, dem Land zu dienen, ganz verrückte Sachen machte, wie zum Beispiel vor Fernsehkameras zu treten, obwohl er doch wissen musste, dass er sich damit nur selber schadete. Aber das war ihm egal. Es ging ja um die Sache.

Die ganze Aufregung, die er verursacht hatte, als er meinte, der Kanzler brauche nicht mehr in den Untersuchungsausschuss, weil er im „Sommergespräch“ ohnehin schon ­alles gesagt habe, hatte ihn dann aber auch wirklich sehr mitgenommen. Dass man ihm Missachtung des Parlaments vorwarf, ja sogar Verhöhnung. Dass sogar Barbara Prammer, die ja sonst eh nie was sagte, weil sie doch als nächste Bundespräsidentin Heinz Fischers Erfolgsrezept minus der Haare anzuwenden gedachte, gesagt hatte, er rede Unsinn. Schrecklich, das alles! Ganz furchtbar! Und er wäre schließlich nicht Josef Cap mit all seinen intellektuellen Fähigkeiten gewesen, wenn er nicht genau gesehen hätte, was er da angerichtet hatte.

Und nach dieser Erkenntnis besann sich Josef seiner psychischen Fähigkeiten und stellte sich als dritte Frage an diesem Abend jene beinharte Frage, die er sich in ähnlichen Situationen wohl schon hundertmal gestellt hatte: „Und wohin geh ich jetzt essen?“

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort