Heiter bis wolkig

Schon beim privaten Cocktail vor der UNO-Generalversammlung war klar, dass es wieder eine sehr fröhliche Veranstaltung werden würde.

Drucken

Schriftgröße

Schallenberg: Herr Generalsekretär! Freut mich, Sie wiederzusehen. Wie geht es Ihnen?

Guterres: Danke der Nachfrage. Furchtbar!

Schallenberg: Freut mich zu hören!

Guterres: Und selbst?

Schallenberg: Könnte nicht schlechter sein!

Baerbock: Und dabei haben Sie noch nicht mal „Diktator“ zu dem ollen Chinesen gesagt. Was glauben Sie, wie es Ihnen dann erst ginge?

Guterres: Ich werde meine Rede vor der Vollversammlung so beginnen: „Die Welt ist dabei, aus den Fugen zu geraten, und es scheint, dass die Gemeinschaft der Staaten nicht dazu in der Lage ist, zusammenzukommen.“ Was halten Sie davon?

Schallenberg: Düster. Hoffnungslos. Mit einem Wort: brillant!

Baerbock: Ich werde mich selbstverständlich in überaus drastischen Worten der Klimakatastrophe widmen.

Guterres: Dazu habe ich Ihnen folgendes Zitat anzubieten: „Wir kämpfen den Kampf unseres Lebens – und sind dabei, zu verlieren!“

Schallenberg: Luke Skywalker?

Guterres: Bitte?

Schallenberg: Kleiner Scherz, hehe! Ich weiß natürlich, dass das von Ihnen ist. Ich hab alle Ihre apokalyptischen Warnungen gesammelt. Stehen in meinem Bücherregal gleich neben Ciceros „Kunst der Rede“.

Guterres: Nun, wir werden ja schließlich nicht dafür bezahlt, gute Laune zu verbreiten.

Schallenberg: Ich für meinen Teil gedenke ja eingangs zu warnen: „Die Welt befindet sich unbestreitbar in einer der schwierigsten Zeiten der jüngeren Geschichte.“

Guterres: Guter Anfang! Macht Lust auf mehr.

Schallenberg: „Die höchste Zahl gewaltsamer Konflikte seit dem Zweiten Weltkrieg, einschließlich eines umfassenden Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine. Eine sich verschärfende globale Klimakrise. Extreme Wetterereignisse, die überall auf der Welt Verwüstungen anrichten. Zunehmende Armut, soziale Spaltungen und ein Rückschritt bei den Menschenrechten und den in den vergangenen Jahrzehnten hart erarbeiteten Entwicklungserfolgen. Wir leben mit einem Gefühl des permanenten Ausnahmezustands.“

Baerbock: Wow. Nichts ausgelassen. Die volle Ladung.

Guterres: Werden Sie eigentlich auch öfter als Party-Anheizer gebucht? Und jetzt – Stimmung!

Schallenberg: Bitte?

Guterres: Auch kleiner Scherz! Sie haben angefangen.

Selenskyj: Na, wenigstens einem ist zum Scherzen zumute.

Guterres: Aber keineswegs! Ich wollte nicht den Eindruck erwecken, mich irgendwie von der Befassung mit dem unausweichlichen Ende der menschlichen Zivilisation ablenken zu lassen.

Selenskyj: Noch ist es ja nicht ganz so weit.

Biden: Sondern erst, wenn Trump gewinnt.

Schallenberg: Mr. President! Sir! Es ist mir eine Ehre.

Biden: Ah, Sie sind der Kerl aus …

Schallenberg: Österreich.

Biden: Dachte ich’s mir doch. Holland.

Baerbock: Und ich bin die Annalena aus Dschörmeni. Wir kennen uns noch nicht.

Biden: Glauben Sie mir: Das wird auch so bleiben.

Guterres: Wir sprachen gerade über unsere gelungensten drastischen Warnungen, die wir so an die Welt richten.

Biden: Von denen nicht eine einzige irgendwas bringt.

Schallenberg: Hach, ich liebe diesen uramerikanischen Optimismus!

Selenskyj: Ich, äh, auch.

Biden: Ich habe auch eine Menge Warnungen in petto. Wie lange warne ich schon vor dem Ende der Demokratie?

Guterres: Wobei das auch schon egal wäre, da wir uns ohnehin auf einem Highway Richtung Klimahölle bewegen – und bald am Ziel eintreffen werden!

Selenskyj: Ich halte ehrlich gesagt nichts von einem Gegeneinanderausspielen der einzelnen Katastrophen. Wenn Putin vor Lissabon steht, dann wird Ihnen erst einmal egal sein, ob es ein Grad mehr oder weniger hat.

Baerbock: Genau. Jede einzelne Katastrophe ist für sich genommen schon katastrophal genug. Und jede einzelne hat ein Recht darauf, von den Menschen gesehen zu werden.

Biden: Und wir werden ja schließlich nicht dafür bezahlt, für gute Laune zu sorgen.

Selenskyj: Sie könnten wenigstens bei mir für gute Laune sorgen. Jetzt geben Sie mir doch ein paar Raketen!

Biden: Das geht leider nicht.

Selenskyj: Bedauerlich.

Biden: Wenn Trump gewinnt, bekommen Sie nicht nur ein paar Raketen nicht.

Selenskyj: Drum will ich sie ja auch jetzt noch!

Schallenberg: Ich habe auch das dumpfe Gefühl, der Welt könnte noch Schlimmeres bevorstehen.

Guterres: Gefühl? Ihnen geht’s gut. Bei mir ist das längst Gewissheit!

Biden: Ich sehe, wir sind uns alle einig. Also lassen Sie uns morgen da rausgehen und der Welt vor Augen führen, was wir sind.

Baerbock: Und zwar was?

Biden: Das Bordorchester der Titanic.

Schallenberg: Brillant!

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort