Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Helden von morgen

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Als sich Alexander Wrabetz die quälende Frage, ob er zum Frühstück zwei Eier im Glas oder doch lieber etwas Rohschinken zu sich nehmen sollte, nicht und nicht beantworten konnte, tat er, was ein entschlossener, beinharter, nur seinen Zwangsgebührenlieferanten verpflichteter Manager seines Schlages in Situationen wie dieser immer tat: Er rief Laura Rudas an.

Die Zukunftshoffnung der SPÖ – und interessanterweise auch jener, die inständig hofften, die SPÖ möge bloß keine Zukunft haben – hatte kraft ihrer Kompetenz und Erfahrung erwartungsgemäß sofort die richtige Antwort parat („Urblöde Frag, Alex – nimm gfälligst das Rote!“), und somit waren die Weichen für einen weiteren erfolgreichen Tag am Küniglberg eigentlich schon gestellt. Alex schüttelte lächelnd den Kopf. Alles, wirklich alles konnte man Laura fragen. Nur nicht das, was Elmar Oberhauser sie im „Landtmann“ gefragt hatte. Nämlich: „Was glauben Sie eigentlich, wer Sie sind?“

Nun, was lag denn heute alles an? Oh je! Der Tag würde mit der schwierigen Entscheidung beginnen, ob Publikumsliebling Josef Cap beim nächsten „Im Zentrum“ links oder rechts sitzen sollte. In den letzten sechs Folgen der gewohnheitsmäßig wahnwitzig spannenden Diskussionssendung, in der die Größe dieses Landes regelmäßig beileibe nicht nur von dem sich im Hintergrund fremdschämenden Stephansdom verdeutlicht wurde, hatte er immer vom Publikum aus gesehen rechts die geharnischte Forderung erhoben, die Krise möge von jenen bezahlt werden, die sie verursacht hatten.

Allerdings hatte er auf der linken Wange seit zwei Folgen ein eingewachsenes Barthaar, auf das er von dem offenbar schwerstens reaktionären Regisseur nicht aufmerksam gemacht worden war.

Alex beschloss, diesen Politgünstling, der noch in den unseligen Zeiten einer Monika Lindner zu seinem Job gekommen war, die sich halt bedauerlicherweise unter völliger Außerachtlassung journalistischer Ethik nur einer Partei verpflichtet gefühlt hatte, in einer völlig sauberen Aktion abwählen zu lassen.

So, was noch … Ah, der Zuseher, der am Donnerstag vor vier Wochen zwar nicht bei „Burgenland ist überall“, aber immerhin doch bei „Das B-Team“ vor Zeugen einmal gelacht hatte und zum Dank ein Meet & Greet mit dem Stiftungsrat-Star Niko Pelinka bekommen hatte, hatte ein Mail geschrieben. Das war aber nett.

Er freue sich sehr, meinte der Gewinner, auf diese Weise gelernt zu haben, dass auch junge Rote nicht unbedingt immer unfrisierte Revoluzzer mit einem nervtötenden Hang zum Weltverbessern sein mussten, sondern durchaus auch einmal von der eigenen Großartigkeit überwältigte Schnösel mit dem wesentlich moderneren Ziel des Sich-selbst-Verbesserns sein konnten, die durch ihre segensreiche Tätigkeit dafür sorgten, dass sich am Bild der SPÖ als vollkommen visionslose Postenschacher-Partei mit bei Bedarf sorgenvoll aufgesetzter antifaschistischer Tarnkappe nur ja nichts ändere. Na schau. Schon wieder ein zufriedener Kunde!

Später wartete dann eine Sitzung, in der geklärt werden sollte, welche Sendungen man denn im Umfeld von „Chili“ ansetzen könnte, die dann garantiert keine höheren Quoten als das Herzensformat des Generaldirektors hätten. Dar­über hatte Alex schon nachgedacht, er würde dafür plädieren, die Straßenfeger „100 Meisterwerke“ und „Christ in der Zeit“ zu reaktivieren. Und falls „Chili“ selbst neben denen noch schlecht aussähe, könnte man ja immer noch „Powerplay“ mit dem einzigartigen Christian Clerici in den Vorabend verlegen.

Aha, und am Nachmittag war eine weitere Sitzung geplant, allerdings eine eher klandestine. Nachdem der Generaldirektor nunmehr praktischerweise nebenberuflich auch Informationsdirektor war – ja, er hatte keinerlei journalistische Erfahrung, was natürlich ein Problem darstellte; allerdings keines, das nicht mit einem Anruf bei Laura Rudas aus der Welt zu schaffen gewesen wäre –, wollte Josef Ostermayer mit ihm die Liste der inhaltlichen Verbesserungsvorschläge für Formate wie den „Report“ oder die „ZiB 2“ durchgehen. Na ja, das würde wohl dauern. Ostermayer war bei der Qualitätskontrolle und Fehlerbehebung immer sehr gewissenhaft.

Als Alex im ORF-Zentrum den Aufzug betrat, prallte er entsetzt zurück. Richard Grasl war schon drin. Die dunkle Seite der Macht. Alex lief ein kalter Schauer über den Rücken. Es gab ja tatsächlich Überlegungen, diesen Mann, dessen größte journalistische Leistung es gewesen war, einmal in einem der zahlreichen Interviews mit Erwin Pröll eine Frage mit „Aber“ eingeleitet zu haben, bei der nächsten Generaldirektorenwahl gegen ihn, den Hüter des Lichts, den weißen Ritter im Kampf um journalistische Unabhängigkeit, antreten zu lassen.

So etwas konnte nur der ÖVP einfallen, die ja unabhängigen Journalismus ähnlich wie Aids für eine Strafe Gottes hielt und bei der Einflussnahme auf den ORF noch nie ­einen Genierer gezeigt hatte. Alex verließ den Lift grußlos. Dann rief er Laura Rudas an.

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Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort