profil-Kolumnist Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Klartext

Nach Donald Trumps erstaunlicher Einsicht "Keiner mag mich!" geht der internationale Polit-Trend jetzt vielleicht generell in Richtung "auf einmal ehrlicher Schaumschläger".

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Zum unverzichtbaren Rüstzeug eines Politikers vom Schlage eines Donald Trump gehört natürlich, dass man niemals damit aufhören darf, sich selbst und seine übermenschlichen Leistungen in das strahlendstmögliche Licht zu tauchen. Und bisher konnte man gerade dem Donald ja auch wirklich nicht vorwerfen, in der Disziplin Kampf-Selbstlob jemals ernsthafte Ermüdungserscheinungen an den Tag gelegt zu haben. Umso erstaunlicher daher, dass er jüngst in einem Pressebriefing unvermittelt darüber zu sinnieren begann, warum der Virologe Anthony Fauci so viel bessere Umfragewerte als er selbst habe, und schließlich konsterniert konstatierte: "Nobody likes me. It can only be my personality."


Ehrlichkeit! Und zwei richtige Aussagen in ebenso vielen Sätzen. Das muss als Premiere gelten-und als Sensation. Was ein paar verheerende Umfragen für die Wahl in drei Monaten so alles anrichten können Wenn das so weitergehen sollte, ist in nächster Zeit mit Tweets in einem leicht veränderten Tonfall zu rechnen, Tweets, die eine bisher völlig unbekannte Seite des Präsidentendarstellers in den hoffentlich letzten vier Monaten seines Engagements zeigen. Zum Beispiel so: "Ehrlich jetzt: Ich hätte mich schon vor vier Jahren nicht gewählt."-Oder so: "Ihr solltet mich einmal sehen, bevor die am Morgen meine Haare machen!"-Oder auch: "Stecke gerade in einem Kreuzworträtsel. Weiß zufällig irgendjemand die Abkürzung für Europäische Union?"

Jetzt ist Trump ja-nebst vielem anderen-natürlich auch noch Role Model für andere, ebenso sympathische und nicht minder qualifizierte Politiker, die derzeit die Menschheit mit ihrer Expertise beschenken und von denen manche gerade in Zeiten der Pandemie endlich ausreichend Gelegenheit hatten, der Welt zu beweisen, was wirklich in ihnen steckt. Möglich, dass er hier also einen Trend lostritt, der uns noch einige ungeschminkte Einsichten bescheren könnte. Manche könnten durchaus wertvoll sein.

Boris Johnson etwa könnte endlich zugeben, dass er seine Tätigkeit als Premierminister immer schon nur als Übergangsposten zum eigentlich angestrebten Vollzeitjob als Büttenredner verstanden hat: "Mir ist natürlich klar, dass mein Verständnis von Politik-also intellektueller Hochmut, gepaart mit völlig schambefreiter Verantwortungslosigkeit und einem Hang zu Pointe statt Arbeit-nicht nur dazu geführt hat, dass Großbritannien von Corona so hart getroffen wurde. Sondern auch dazu, dass ich gerade dabei bin, den sowieso schon katastrophalen Brexit auch noch auf die schlimmstmögliche Art abzuwickeln. Aber hey, kennen Sie den schon? Kommen zwei Männer in einen Pub "

Der brasilianische Berserker Bolsonaro könnte endlich einmal seine sensible Seite äußerln führen, indem er etwa mit angemessen betrübter Miene sagte: "Wenn ich all die endlosen Reihen der frischen Gräber meiner Landsleute sehe, die an dieser harmlosen kleinen Grippe gestorben sind, fühle ich genau dasselbe, wie wenn ich an den immer schneller verbrennenden Regenwald denke: Nichts!"

Wladimir Putin wiederum könnte heuer bei seiner beliebten alljährlichen Sommerurlaubsinszenierung, in der er mit nacktem Oberkörper durch die Tundra reitet und anschließend mit bloßen Händen einen kapitalen Hecht fängt und erwürgt, zwischendurch kurz aufhorchen lassen mit einem: "Also ehrlich, Leute, ich sag euch jetzt was: Schlimmer als ich ist nur noch dieser Chinese!"

Und Xi Jinping darauf schlicht antworten: "Eh!"

Man kann sich, wenn die Dämme der Vorsicht, hinter denen sich die weisen Weltenlenker bisher verschanzt haben, weiter brechen sollten, ja nicht einmal mehr sicher sein, ob nicht Recep Tayyip Erdoğan demnächst einmal das telegene Freitagsgebet in der endlich wieder zur Gänze für das osmanische Reich zurückeroberten Hagia Sophia nützt, um freudig zu verkünden: "Nächsten Freitag kann ich übrigens nicht, Leute! Da bin ich auf einer Raki-Verkostung!"

Herbert Kickl könnte sich auf seinem neu eröffneten privaten Channel auf TikTok endlich dazu bekennen, neben seinen philosophischen Büchern immer schon auf "Betty"-Pferderomane abgefahren zu sein-und dann gleich aus einem vorlesen.

Und es ist nicht einmal mehr auszuschließen, dass Kim Jong-un in den Hauptnachrichten des nordkoreanischen Staatsfernsehens während eines seiner spannenden Besuche in einer Radkappenfabrik zufällig an einem Spiegel vorbeikommt und erschrocken ausruft: "Oh mein Gott! Ich bin klein, fett und hässlich! Vielleicht sind mein Minderwertigkeitskomplex und meine Impulsdurchbrüche ja am Ende darauf zurückzuführen!"

Sie sehen: Hier kommt einiges auf die Welt zu.

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort