Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz Knisternde Eurotik

Knisternde Eurotik

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Vergangene Woche erkannte Werner Faymann, Bundeskanzler und Wirtschaftsweise, noch bevor er bei der Sondersitzung über die Erweiterung des Euro-Rettungsschirms, in der eh nur die Erhöhung der österreichischen Haftungen auf vorerst einmal schlappe 21 Milliarden verhandelt wurde, die Regierungsbank mied, solange es irgendwie ging: „Die Wirtschaftskrise ist noch nicht vorbei!“

Potzblitz!

Und da hatten wir uns schon der Hoffnung hingegeben, die ganze Berichterstattung über drohende Staatsbankrotte, mit tausend Billionen Quadrilliarden dotierte Schutzschirme und den quasi schon an die Tür klopfenden Banken-Domino-Day – der, wenn er denn wirklich über uns hereinbrechen sollte, zum Trost im ORF wenigstens von Armin Assinger kommentiert werden wird – mit dem finalen Höhepunkt der effektvollen Verpuffung sämtlicher Ersparnisse zumindest jener, die halt leider zu deppert waren, sich mittels ihrer wohlverdienten Boni frühzeitig die Kleinen Antillen und einen Privatjet, der sie dorthin ins Exil bringt, ins Portfolio zu legen, das ganze Geschreibsel also über all diese schiachen Sachen finde nur deswegen statt, weil es in letzter Zeit umständehalber leider bei einem Großkunden (Name d. Red. bekannt, Anm.) einen kleinen Auftragsengpass bei den Inseraten gegeben hat – und die Zeitungen diesen vielen Platz ja schließlich irgendwie füllen müssen.

Dabei, und das ist quasi wissenschaftlich erwiesen, sehen die Österreicher ja wirklich Inserate mit einem scharf gescheitelten und entschlossen eine glorreiche Zukunft herbeilächelnden Verantwortungsträger allemal lieber als mit unanständigen Begriffen wie BIP oder ATX vollgeschmierte Seiten: Laut jüngsten Umfragen wissen nämlich 60 Prozent der Österreicher weder, was das eine, noch, was das andere sein soll. Ein sattes Drittel kann weiters nicht erklären, was Zinsen sind. Und demzufolge verschätzen sich auch 25 Prozent ein wenig bei der Beantwortung der Frage, ob denn ein Zinssatz von zwei, drei, vier oder vielleicht doch minus ein Prozent bei Spareinlagen am besten wäre. Fazit: „Die meisten lesen nicht einmal den Wirtschaftsteil der ­Gratiszeitungen.“

Damit bringen sie klarerweise ideale Voraussetzungen mit, um den Euro zu retten.

Denn es ist natürlich völlig einsichtig, dass die Regierung angesichts der Komplexität des Alltagslebens, in dem man ohnehin andauernd mit Sonderprüfungen wie dem Ausrechnenmüssen, in wie vielen Tagen die Milch sauer wird, oder aber auch dem Zubindenmüssen von Schuhen konfrontiert ist, die Bevölkerung nicht über Gebühr mit unnützen Informationen über den EFSF belasten will.

Denn wenn die wüsste, was sie da gerade tut – aber ­hallo! Allerdings, so viel ist auch klar: Was sie da tut, ist ja alternativlos. Also soll sie nicht irgendwelchen trüben Gedanken über Hyperinflation oder Haircut nachhängen – die sie noch dazu ohnehin nicht versteht –, sondern sich lieber den Kopf darüber zerbrechen, wer „Die große Chance“ gewinnt.
Außerdem würde schon allein das öffentliche Aussprechen des Begriffs „Europäische Finanzstabilisierungsfazilität“ HC Strache gleich wieder ein Umfrageprozent mehr bescheren – und vermutlich auch die Märkte gröblichst verunsichern, weil es gerade die Märkte nicht gern haben, wenn blöd geredet wird.

Nun wird aber bekanntlich leider vor allem in Parlamenten ganz gerne einmal blöd geredet – und das bitte nicht nur in einem Land, in dem Peter Westenthaler oder Gerald Grosz völlig ohne fachmedizinische Akutbetreuung ans Mikrofon dürfen. Das haben die Eliten, die die Europäische Union schließlich zu dem gemacht haben, was sie heute ist, und die eben schon allein deshalb alles Recht der Welt haben, sich nicht von jedem dreinreden zu lassen, zum Glück überall erkannt. Angela Merkel etwa sagte unlängst über die Bekämpfung der Eurokrise den ausnehmend schönen Satz:
„Wir werden Wege finden, wie die parlamentarische Mitbestimmung so gestaltet wird, dass sie trotzdem auch marktkonform ist.“

Ja, klar. Da ist er heikel, der Markt. Und wir müssen verdammt vorsichtig sein. Weil sonst wandert er am Ende beleidigt irgendwohin aus, wo es schöner ist. Nach China zum Beispiel. Darum ist es ja auch viel gescheiter, dass jetzt, wo die Aufstockung des EFSF auf 440 Milliarden in allen diesen Quatschbuden durch ist, nicht mehr extra beschlossen werden muss, ob man diese Summe durch „Hebeln“ auf das Fünf- bis Achtfache erhöht. Weil, ehrlich jetzt: Das würden ja die meisten Abgeordneten auch nicht mehr verstehen, wie das geht und warum das super ist und auch überhaupt nicht gefährlich und so.

Weil das verstehen halt nur Experten. Zum Beispiel die Experten von Goldman Sachs, die die europäischen Regierungen in puncto Eurorettung beraten. Ja, richtig. Die, die vorher Griechenland geholfen haben, mit gefälschten Zahlen überhaupt erst in den Euro zu kommen. Und ja, die, die ihren Kunden jetzt zu Wetten gegen den Euro raten.

Übrigens glauben laut einer anderen neuen Umfrage 58 Prozent der Österreicher an Schutzengel.

Hoffentlich kennen sie sich da besser aus als beim BIP.

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort