Satire

Rainer Nikowitz: Luxemstein

Die Generäle waren mittlerweile einiges von ihrer Ministerin gewohnt. Aber langsam wurde es schon sehr speziell.

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Die Generäle hatten kein gutes Gefühl, als sie sich an jenem Morgen im Gefechtsbunker trafen. Das hatten sie nie, wenn die Ministerin sie überraschend antanzen ließ. Man wusste leider nie, wie das endete. Soldaten schätzten ja Befehle. Klare Ansagen. Aber gerade das gestaltete sich mit der Ministerin leider etwas kompliziert. Diese Frau schaffte es, schon in ihrem Echo die erste Kehrtwendung zu vollziehen. Wenn Tanner in den Wald hineinrief "Saab ade!", dann kam "Saab olé!" zurück. Das Unwohlsein der Generäle steigerte sich zu sanfter Beklommenheit, als die Ministerin mit Tarnkleidung, Helm und grünen Streifen im Gesicht den Raum betrat. "Frau Bundesminister, Sie müssen das Datum verwechselt haben", machte einer von ihnen einen braven, aber untauglichen Ausbruchsversuch aus dem sich gerade rapide um sämtliche anwesende menschliche Vernunft schließenden Belagerungsring. "Das Großmanöver ist doch erst übernächsten Monat!" Sie wussten alle, dass das sinnlos war. Das hier war kein Irrtum. Tanner meinte es wirklich so. Sie setzte ihr nun schon berühmtes Lächeln auf, breiter als die Landebahn eines Flugzeugträgers, wie immer, wenn sich der Widersinn in ihr Bahn brach, und sagte dann: "Meine Herren! Ich habe beschlossen, dass es eine gute Idee wäre, Luxemburg einzunehmen!"Sie sah zackig auf ihre Uhr. "Wir haben jetzt null siebenhundert. Um null achthundert habe ich noch einen Termin bei der Nagelpflege wegen der Nahkampffeilung. Also denke ich, null neunhundert wäre ein hervorragender Termin für den Beginn unseres Angriffs. Ich bitte Sie also alle, die nötigen Veranlassungen vorzunehmen."

Es dauerte gefühlte Stunden, bis sich endlich einer räusperte. "Verzeihen Sie die Frage, Frau Minister, aber: Warum Luxemburg?"

"Diese Frage habe ich natürlich erwartet", schrie die Ministerin vergnügt zurück. "Nun, ich finde, der Umriss von Vorarlberg würde nach der Eingliederung Luxemburgs viel hübscher ausschauen. Und im Vertrauen: Das ganze Schwarzgeld, das bei denen herumliegt, können wir außerdem auch gut brauchen." Diese Klarstellung sorgte nicht unbedingt für großen Geländegewinn auf dem Schlachtfeld der Erkenntnis. Doch einer der Generäle kam auf die richtige Fährte: "Meinen Frau Minister vielleicht Liechtenstein?"

Tanner strahlte ihn an. "Genau darum habe ich ja nie etwas anderes gesagt! Ich dachte mir, wir lösen das Ganze mit einem kurzen Luftschlag. Mit dem Eurofighter zwei, drei Runden über diesem Schloss da, dann gacken die sich eh gleich an und geben auf, net wahr? Und wenn net, dann schießen S'halt a Raketerl in den fürstlichen Gemüsegarten, dann is sicher eine Ruh."

Die Generäle sahen einander betreten an. Sie waren seit dem Amtsantritt von Tanner schon so einiges gewohnt. Aber heute verlief alles noch ein Alzerl komplizierter als sonst immer.

"Nun ", hob einer von ihnen dann an: "Ich fürchte, dazu sind unsere Eurofighter nicht imstande."

Tanner musterte ihn kurz irritiert: "Nicht? Na ja, dann, dann dann machen wir das eben mit der Infanterie. Setzen wir so eine Garnison oder wie das heißt in Marsch, Sie wissen eh, was ich meine. So was, was ich garantiert nicht schließe."

Der General schüttelte betrübt den Kopf. "Das geht leider auch nicht. So viele Männer können wir in zwei Stunden niemals mobilmachen. Und gestatten Sie mir darüber hinaus noch eine Frage, Frau Minister: Sind Ihnen denn die politischen Auswirkungen eines solchen Schrittes bewusst?"

Bewusst, bewusst. Natürlich waren Klaudia die bewusst! Wie bei jedem Schritt, den sie bisher als Ministerin mit traumwandlerischer Sicherheit gesetzt hatte.

"Und der Oberbefehlshaber der Herr Bundespräsident!"Der General blickte die Ministerin ernst an. "Ich gehe davon aus, dass dieser Befehl mit ihm akkordiert ist?" Nun ja. Akkordiert war so ein großes Wort. "Welcher Befehl?",fragte Tanner nach einer Weile. "Nun, der Befehl zum Angriff."

Das Lächeln im Gesicht der Ministerin gefror zu einer Maske, für die andere den Oscar bekamen. Das war ein Zeichen dafür, dass sie nachdachte. Sie konnte nämlich denken und lächeln gleichzeitig. Multitasking halt. Nach einer Weile gab sich Tanner einen Ruck und sagte dann scharf: "Angriff? Sagen Sie einmal, was reden Sie denn da daher? Sind Sie völlig verrückt geworden?" "Ich? Aber Sie haben doch ..."

"Sie wollen Luxemstein angreifen? Einfach so? Ja, geht's noch? Auf gar keinen Fall! Sie dürfen jetzt wegtreten! Sie sind alle entlassen!"

Der gerade noch aufmüpfige General überlegte kurz, gab aber dann doch auf und verließ kopfschüttelnd den Bunker. Achselzuckend folgte ihm einer nach dem anderen. Schließlich war die Ministerin allein. Sie schaute sich noch einmal gehetzt um, zog sich dann ihre Uniform stramm und murmelte: "Jetzt wär da aber fast ein Blödsinn passiert - wenn ich nicht gewesen wär!" 

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Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort