profil-Kolumnist Rainer Nikowitz

Rainer Nikowitz: Neuropa

Am EU-Migrationsgipfel wurde lang und heftig gestritten – aber am Ende das Gemeinsame deutlich über das Trennende gestellt.

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Tusk: Leute, diese Verhandlungen sind wirklich auch schon so mühsam genug. Da müssen nicht noch dauernd Handys läuten. Kurz: Sorry, das is meins! Ich versteh das gar nicht, ich hab es eh auf lautlos gestellt … Merkel: Nu ja. Der Seehofer schafft es irgendwie immer, Lärm zu machen. Das ist eben seine Kernkompetenz.

Kurz: Ich find das nicht in Ordnung, dass Sie über einen Parteifreund so reden. Merkel: Über Parteifreunde tue ich das auch nicht. Der wievielte Anruf von ihm ist das denn jetzt? Der siebente?

Kurz: Nur kein Neid! Mit mir redet er halt oft und gern. Merkel: Man kann das natürlich für einen Gewinn halten. Manche sollen auch Wurzelbehandlungen ohne Spritze irgendwie prickelnd finden.

Kurz: Tja. Es ist halt nicht jedem gegeben, ein Brückenbauer zu sein. Merkel: Mein Gott, ich muss ja noch so viel von Ihnen lernen! Conte: Was sagt er denn nun, unser dritter williger Achsschenkel?

Kurz: Die Kombination aus willig und Schenkel würde einem wehrhaften Katholiken wie dem Horstl jetzt wahrscheinlich nicht zusagen. Aber ich frag ihn einmal. Horstl? Was sagst? Ah, eh. Conte: Und?

Kurz: Er sagt: Nein. Conte: Na bitte. Was ich auch immer sag!

Kurz: Aber horch, Horstl, nach dem siebenten Mal hab ich’s jetzt wirklich verstanden. Ruf vielleicht das nächste Mal an, wenn es was Neues gibt, ha? Merkel: Kluger Schachzug. Jetzt hören Sie nie wieder von ihm. Orbán: Wieso hat diese Achse eigentlich nur drei Schenkel? Ich bin ja wohl der Willigste von allen. Macron: Ich denke, daran hat wohl niemand in diesem Raum auch nur den geringsten Zweifel. Orbán: Seht ihr? Sogar der Franzose lobt mich dafür! Macron: Wir brauchen hier dringend Dolmetscher für Untertöne. Tusk: Es ist drei Uhr früh. Die würden jetzt sowieso nicht mehr arbeiten.

Kurz: In Österreich schon. Freiwillig. Conte: Könnten wir uns jetzt bitte endlich wieder um Italien kümmern? Bevor ich nicht einen Beschluss habe, den ich zu Hause herzeigen kann, gehe ich hier nicht weg. Macron: Pssst, Angela? Warten wir noch ein, zwei Stunden. Dann ist es bei denen ohnehin Zeit für die nächste Neuwahl. Orbán: He! Ich mag es gar nicht, wenn da geflüstert wird! Das riecht nach Kerneuropa. Und damit möglicherweise nach weniger Kohle für Ungarn. Veto! Merkel: Ich bin immer wieder verblüfft, wie Sie in jeder Situation sofort das konkrete Problem erkennen und auch gleich ansprechen.

Orbán: Seht ihr? Sogar die Deutsche lobt mich. Macron: Lass uns gemeinsam weggehen und ein neues Leben anfangen, Angela. Weit, weit weg. Nur wir beide. Und wir schauen nie mehr zurück. Orbán: Sie haben doch schon eine alte Frau. Wollen Sie ein Heim aufmachen? Kurz: Jetzt dämmert es schon bald, und die Mittelmeerroute ist immer noch offen. Merkel: Sie müssten doch an sich hoffen, dass sie das bis zu Ihrem nächsten Wahlkampf auch noch ist. Womit machen Sie den Leuten denn sonst Angst?

Kurz: Wenn ich sie geschlossen habe, kommt das ja wohl noch besser an. Merkel: Ich vergaß, dass Sie der mit der alleinigen Lizenz zum Schließen sind.

Kurz: Na ja, dieses Mal lasse ich dem Horstl auch ein bisschen Ruhm zukommen. Der hat ja bald eine Wahl. Conte: Und ich sicher auch!

Kurz: Jeder kriegt ein Stück vom Kuchen! Merkel: Darum geht es also? Nur um Stimmenhascherei? Scheint also doch eher die Achse der Billigen zu sein.

Kurz: Ich bin nicht beleidigbar. Macron: Aber ich: Haben Sie nicht einmal gesagt, ich sei Ihr Vorbild? Nehmen Sie das sofort zurück!

Conte: Das sagt er zu mir auch dauernd, Sebastian. Aber da meint er die Flüchtlinge, die er massenweise nach Italien ausweist. Und dann stellt er sich her und gibt den großen Humanisten. Orbán: Leute, ihr könnt uns ja hassen. Merkel: Hass ist so ein großes Wort. Orbán: … ihr könnt uns für eine geschichtsvergessene Bande von Radaubrüdern halten … Macron: Ja, dem kann ich durchaus etwas abgewinnen. Orbán: … oder auch einfach nur für gewissenlos und machtgierig … Tusk: Yep! Ich stimme für diese Variante.

Orbán: Aber seht es doch endlich ein: Ihr habt verloren! Macron: Das … kann man so nicht sagen. Merkel: Zumindest nicht laut. Kurz: Horstl? Hast ghört? Was sagst? Ah eh. Conte: Und? Kurz: Er sagt: Nein.

Merkel: Das überrascht mich jetzt aber. Kurz: Er hat es nur nicht verstanden! Merkel: Die Überraschungen reißen nicht ab. Orbán: Also: Wir setzen die Erklärung auf, ihr unterschreibt dann einfach und verkauft es zu Hause als hervorragenden Kompromiss. Merkel: Emmanuel? Macron: Hmm? Merkel: Wie weit weg?

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort