Satire

Rainer Nikowitz: Patridiotismus

Pamela Rendi-Wagner macht im Corona-Sommer nicht, wie an sich ungeschrieben vorgeschrieben, Urlaub in St. Pankraz am Blasenstein, sondern auf Zypern. Skandal!

Drucken

Schriftgröße

Kurz: Meine sehr geehrten Damen und Herren von den Medien, vielen Dank, dass Sie so zahlreich erschienen sind – und dies trotz der ausgesprochen kurzfristigen Ansetzung dieser Pressekonferenz, zu der wir aufgrund der neuesten Entwicklungen in der Corona-Krise gezwungen waren. Aber glauben Sie uns, die Situation, mit der wir uns urplötzlich konfrontiert sehen, erfordert schnelles Handeln.

Nehammer: Wir hätten nicht damit gerechnet, dass wir heute vor Sie treten müssen, glauben Sie uns. Wir sind ehrlich erschüttert, fassungslos und jawohl: auch ein bisschen zornig über so viel Verantwortungslosigkeit, über diesen Sabotageakt an unserem gemeinsamen Haus Österreich. Wenn ich jetzt meine Flex zur Hand hätte, würde ich Ihnen zeigen, wie zornig. Wissen Sie, es ist ja so: Da wollen die Leute immer Eigenverantwortung haben. Irgendwann gewähren wir sie ihnen, weil man ja auch nicht immer so sein kann, wie man gern wäre. Aber dann? Dann sind die Leute nicht einmal dankbar für unsere Großzügigkeit und machen mit ihrer Eigenverantwortung einfach, was sie wollen!

Köstinger: Sie wissen ja, dass ich als Ministerin der glücklichen Fachkombination Landwirtschaft und Tourismus ganz besonders dazu aufgerufen bin, jenes kleingeistige und provinzielle Anpumperertum zu vertreten, für das ja die neue ÖVP nach der erfolgreichen Aufschnupfung weiter Teile der ehemaligen FPÖ-Wählerschaft noch viel mehr steht als die alte. Und ich denke, ich habe in den vergangenen Wochen eindeutig klargemacht, wie man sich in einer Situation wie der unsrigen als patriotischer Staatsbürger zu verhalten hat: Man macht Urlaub in Österreich – und aus! Leider konnte mein ursprünglicher Plan, die Grenzen nur für deutsche Touristen zu öffnen und alle Österreicher zwangsweise im Land zu behalten, nicht umgesetzt werden. Er wurde von der hedonistischen Linken von Anfang an schlechtgemacht und schließlich verhindert. Und jetzt haben wir den Salat.

Kurz: Wissen Sie, ich sag’s Ihnen ehrlich: Ich hab mir ja schon letzten Sommer gedacht, mich streift ein Autobus, als man die Frau Rendi-Wagner quasi auf frischer Tat in Saint-Tropez erwischt hat. Aber damals hatten wir wenigstens noch kein Corona und die schwere Wirtschaftskrise, mit der wir deshalb zu kämpfen haben. Aber jetzt fährt die Frau Rendi-Wagner heuer auch ins Ausland! Nach Zypern! Bei so viel Dreistigkeit bleibt einem die Spucke weg.

Nehammer: Jetzt werden Sie vielleicht sagen, ist doch wurscht, auf Zypern hat es gerade einmal 1000 Infektionen und 19 Tote gegeben – aber wir wären nicht die ÖVP, wenn wir damit nicht trotzdem politisches Kleingeld verdienen wollten. Und daher sehe ich mich leider wieder einmal dazu gezwungen, eine Warnung an Wien auszusprechen. Die Frau Rendi-Wagner ist zwar nicht Bürgermeisterin, aber sie ist zweifellos eine Rote und eine Wienerin. Das reicht allemal.

Köstinger: Und außerdem wiegt ja in diesem ungeheuerlichen Fall der geistige und wirtschaftliche Landesverrat noch viel schwerer als der gesundheitliche. Unsere Tourismuswirtschaft, unsere durch die Bank so sympathischen und keinesfalls überteuerten Beherbergungsbetriebe dermaßen kalt lächelnd im Stich zu lassen und sein Klubobfrauengehalt von gerade für eine Salonsozialistin sehr stolzen 15.000 Euro zu den Bloßfüßigen zu tragen statt an den Klopeiner See – also mir würde so was nie einfallen. Ich mach heuer Urlaub am Bauernhof und werde dort großäugige Kalberln streicheln. Außerdem werde ich mich auch noch ehrenamtlich betätigen und gratis Reindling- Seminare veranstalten.

Kurz: Ich wiederum fahre wieder ins schöne Kleinwalsertal, dort muss ich nämlich keinen Abstand halten, weil das Innenministerium ja jetzt dankenswerterweise festgestellt hat, dass der depperte Babyelefant für mich sowieso nicht gilt. Und ich werde dort einem armen, von der Last der Jahre schon ganz krummen Altbauern den elektrischen Weidezaun flicken–nachdem ich ihn per Handauflegen von seiner Arthritis geheilt habe.

Nehammer: Und ich mache natürlich überhaupt keinen Urlaub, einer muss ja Wache halten. Und wer, wenn nicht ich? Ich bleibe also in Wien und werde weiterhin keine Gelegenheit auslassen, mich hier in Dinge einzumischen, die mich nichts angehen, und Verwarnungen auszusprechen, die mir nicht zustehen.

Kurz: Wir werden Sie in dieser unappetitlichen Angelegenheit selbstverständlich weiterhin auf dem Laufenden halten. Und wer weiß: Vielleicht will ja die Meinl-Reisinger auch raus. Wenn wir Glück haben.  

[email protected]

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort