Satire

Sauber!

Die Unerbittlichkeit, mit der der ÖVP-Ethikrat die Ehre der Partei wiederhergestellt hat, ist wirklich beeindruckend.

Drucken

Schriftgröße

Die Stimmung bei der alles entscheidenden Sitzung des ÖVP-Ethikrats als empört zu bezeichnen, wäre die Untertreibung des Jahres gewesen. (Also zumindest nach der Behauptung, Wolfgang Sobotkas politisches Feingefühl ähnle dem eines leicht problematischen Voralpenbären bei der Suche nach dem letzten Honig vor dem Winterschlaf.) 

Das honorige Gremium oszillierte irgendwo zwischen hyperventilierendem Entsetzen und nacktem Ekel herum, fassungslos über die eiskalte Ruchlosigkeit des Angeklagten. Niemals zuvor in der ruhmreichen Geschichte der ÖVP hatte eines ihrer Mitglieder sämtliche Grundsätze der Partei dermaßen flagrant mit Füßen getreten und ihr damit so einen immensen Schaden zugefügt. Diese Quasi-Geiselhaft, dieser Käfig, gebaut aus den Verfehlungen eines einzelnen Irregeleiteten, musste dringend beendet werden! Die zum Glück stets besonnene Vorsitzende des Ethikrats, Frau Alt-Landeshauptmann Waltraud Klasnic, hatte ihre liebe Mühe damit, die erhitzten Gemüter seiner Mitglieder zu beruhigen. 

Nach einer schon längeren, wie gewohnt lebhaften und moralisch sehr hochstehenden Debatte meldete sich schließlich Werner Fassl-abend zu Wort – und er tat das als ehemaliger Verteidigungsminister natürlich kämpferisch.

„Als ich damals in den Ethikrat berufen wurde, habe ich mir natürlich gedacht, was sich eh alle gedacht haben: dass das halt wieder einmal so ein typischer Feigenblattverein ist, von dem die Partei ernsthaft glaubt, dass er das Publikum irgendwie beeindruckt. Der aber wenigstens einen schöneren Namen hat als:  Salzamt!“, hob er gewohnt eloquent an. „Dass wir Veteranen uns ein-, zweimal im Jahr zu einem schönen Abendessen zusammensetzen, ein bisschen über die alten Zeiten plaudern, anschließend eine Presseausendung mit ein paar politischen Kalendersprüchen ausschicken – and that’s it. Nun, meine lieben Freunde und Mitstreiter, wir alle wissen: Ich hatte damit ja auch völlig recht! Leichte Irritation machte sich im Raum breit. Aber zum Glück nur kurz.

Deshalb fordern wir den Parteiausschluss von Thomas Schmid. Und möchten Sebastian Kurz ganz lieb grüßen lassen.

„Bis heute!“, donnerte der Ex-Verteidigungsminister weiter. „Denn heute muss ich sagen: Ich bin stolz, diese noble Aufgabe, die mir unverhofft doch noch zuteilgeworden ist, erfüllen zu dürfen. Meinen Beitrag dazu leisten zu können, dass die Partei wieder in die richtige Spur findet – indem sie sich nämlich von solchen Leuten befreit. Denn wenn mich etwas immer schon zutiefst abgestoßen hat, dann so ein völlig prinzipienloser Karrierismus! Was für einem Falotten haben wir uns da bitte ausgeliefert? Keine Ideale, die auch nur annähernd den Namen verdienen, kein Gedanke an so etwas wie ein großes Ganzes – sondern immer nur an sich selbst und das eigene Fortkommen. Der schöne Schein geht über alles, Aufrichtigkeit wird als Schwäche verachtet, man lügt erst dann nicht mehr, wenn es gar nicht mehr anders geht. Und das Allerschlimmste: Kein Respekt vor den Menschen da draußen. Freunde, ich sage euch: Nein, so sind wir nicht! Diese Geisteshaltung hat in unseren Reihen nichts verloren.“ 

Damit hatte Fasslabend perfekt zusammengefasst, was alle im Raum dachten. Dass Protokoll verzeichnete nach dieser Wortmeldung denn auch: „Nach anfänglich beifälligem Gemurmel allenthalben kommen zuerst vereinzelte ‚Hört, hört!‘-Rufe auf, die schließlich in tosenden Beifall münden.“

Und nun richteten sich alle Augen natürlich noch auf Waltraud Klasnic. Ihr als Vorsitzender stand natürlich das Schlusswort zu. Und es hatte auch besonderes Gewicht. Sie gab sich selbstkritisch: „Manchmal frage ich mich: Hätte man damals, ganz am Anfang, vielleicht genauer hinsehen müssen? Wie er da aufgetaucht ist und lieb geschaut hat? Hätte man vielleicht schon früher ahnen können, dass dieser propere junge Mann leider ein Typ ist, der seine eigene Großmutter verkaufen würde, um nach oben zu kommen? Und das, nebenbei gesagt, noch dazu in einer Partei, die ohne Großmütter unter den Wählern auch noch hinter die NEOS zurückfallen würde. 

Hat man sich möglicherweise blenden lassen von einem schönen Anzug, von salbungsvollen Worten – und von der nur allzu verlockenden Aussicht auf den schnellen und billigen Erfolg? Ja, vielleicht. Wer ohne Fehler ist, der werfe den ersten Stein – und wenn es die SPÖ ist. Aber ich sage euch eines: Besser spät als nie. Weil zumindest jetzt haben wir erkannt, welchem Scharlatan wir da vertraut haben. Wir wissen, wer an allem schuld ist – und von wem wir uns befreien müssen. Und mit dieser Entscheidung, mit diesem sauberen Schnitt ist ja dann hoffentlich ein für alle Mal klar: Die ÖVP als Partei hat damit natürlich überhaupt nichts zu tun!

Deshalb fordern wir den sofortigen Parteiausschluss von Thomas Schmid. Und möchten außerdem Sebastian Kurz ganz lieb grüßen lassen!“

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort