Rainer Nikowitz
Satire

Rainer Nikowitz: Schwarzmalen

Vor ihrem Parteitag präsentierte sich die große Regierungspartei ÖVP wieder einmal von ihrer absolut staatstragendsten Seite.

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Eigentlich war alles ja eh wie immer. Von verdientem Erfolg verwöhntes Business as usual war diese Woche wieder gewesen, fand Karl Nehammer. Wenn man einmal davon absah, dass sie mit seiner Krönung zum Boss der ÖVP enden würde. Also zum Anführer jener Riege Untadeliger, die den Fels bildeten, auf dem man die Kirche Österreich errichtet hatte. Aber abgesehen davon war diese Woche für die Partei eh relativ normal gewesen. „Läuft alles wie auf Schienen, läuft alles, wie es soll!“, hätte ihr früherer Kulturstaatssekretär in einem noch früheren Leben gesungen, Franz Morak nämlich, wie hoffentlich noch jedem kulturaffinen – also allen! – Schwarztürkisen bekannt, einst Wolfgang Schüssels Verbindungsmann zum besten aller Shakespeares in Oberzeiring. Ja, das waren noch Zeiten gewesen. 

Wobei, normal – was war heutzutage denn schon normal? Es waren schwierige Zeiten, die forderten natürlich ihren Tribut. Auch von der ÖVP. Aber wenn man sich einmal so umschaute bei der Konkurrenz – dort war das alles ja noch viel ärger! Was die vielleicht alles am Hals hatte! Doskozil. Gewessler. Kickl. Kickl! Dagegen waren ja die Probleme der ÖVP ein Lercherlschas, sind wir uns ehrlich. Im Gegenteil, sehr viel von dem, das in jüngerer Vergangenheit in Österreich passiert war, legte sogar beredtes Zeugnis darüber ab, wie ungeheuer wichtig die ÖVP für sämtliche Entwicklungen in diesem Land war. Das hatte man zwar eh immer gewusst, aber trotzdem schadete es nicht, es sich ab und zu in Erinnerung zu rufen.

Da musste man nur einmal die jüngsten Aussagen des Bundeskanzlers zur wirtschaftspolitischen Lage der Nation hernehmen. Kaum sprach Nehammer zum Beispiel vom Verbund-Konzern und was man mit dessen Zufallsgewinnen in Zeiten der Energiekrise verteilungstechnisch so alles anstellen könnte – schon fiel die Aktie ins Bodenlose! Ein paar Milliarden Börsenwert – perdu! Das muss ihm erst einmal einer nachmachen, das brachten andere Parteichefs so garantiert nicht zustande. Aber das war andererseits auch wieder verständlich, weil: Die standen ja auch nicht an der Spitze der Wirtschaftspartei ÖVP! 

Der olle Reinhold Mitterlehner kam jetzt doch nicht zu Karlis Krönungsparteitag, na gut, sollte sein. Dort hätte er zwar Sebastian Kurz wieder getroffen, aber bei einer solchen ans Herz gehenden Reunion wollte Reini wohl nicht allzu viel Zeugen dabeihaben. Die verlegte er lieber ins ganz Private. In eine finstere Gasse – und ohne Zeugen. Die gewesenen Ministerinnen Köstinger und Schramböck kamen jetzt wohl auch nicht mehr. Nicht, dass der Kanzler sie so dringend gebraucht hätte, nein. Das war im Übrigen durchaus schon zu Zeiten ihrer aktiven Tätigkeit ähnlich gewesen. Aber über das Timing der beiden hätte man eventuell dennoch reden können, wenn man denn in Speaking Terms gewesen wäre, so generell. Die beiden waren ja schließlich nicht erst seit gestern dermaßen unfähig gewesen, dass ihr Abgang nicht jederzeit einen Gewinn dargestellt hätte. Aber dann vollzogen sie ihn ausgerechnet jetzt, in der Woche vor dem Parteitag? Hmm. Wahrscheinlich, dachte der Kanzler, wahrscheinlich hatte mit dieser Aktion irgendjemand irgendjemandem etwas sagen wollen. Jetzt musste er nur noch dahinterkommen, wer. Und was! 

„Ein gewichtiges Wort des Kanzlers – und schon fielen Aktien ins Bodenlose!“

Hoffentlich kam ja wenigstens Markus Wallner. An sich war der ja sehr verlässlich, aber leider hatten ihn in letzter Zeit ein paar unvermutete Hardware-Probleme heimgesucht. Man wollte nicht hoffen, dass darunter am Ende sogar noch seine Terminverwaltung zu leiden hatte und dass er es allen Widrigkeiten zum Trotz schaffte, zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein. So ein Pech wie der musste man einmal haben. Es wurde einem ja schließlich nicht jeden Tag von einer entmenschten Technikabteilung, die null Rücksicht auf persönliche Befindlichkeiten und Sentimentalitäten nahm, Handy und iPad entrissen und dessen Dateninhalt ebenso umgehend wie rüde dem Erdboden gleichgemacht.

Besonders schmerzhaft war in diesem Fall natürlich, dass Wallner diese Daten auch gerade noch so gut gebrauchen hätte können, um sich nämlich gegen einen Wust an völlig unberechtigten Vorwürfen zur Wehr zu setzen! Wenn der verfolgte Vorarlberger Landeshauptmann nicht auftauchen sollte, dann nur, weil er diesen Übergriff erst einmal richtig verarbeiten musste. Man wusste zwar, dass Vorarlberger praktisch über keine Gefühle verfügten, die diesen Namen auch verdienten. Dennoch tat dem Kanzler sein Mann im Wilden Westen leid. Wozu war man denn eine Gesinnungsgemeinschaft, wenn man in Zeiten wie diesen nicht zusammenstand?

Auch wenn die Zusammenrottungen, die dabei entstanden, zugegebenermaßen immer kleiner wurden. Warum das so war, darüber musste man bei der ÖVP durchaus einmal nachdenken, fand der Kanzler. Aber noch nicht jetzt. Noch war ja jede Menge Zeit. 

Rainer   Nikowitz

Rainer Nikowitz

Kolumnist im Österreich-Ressort